„Als Kaiser hätte er es schwer gehabt“

Franz Ferdinands Enkel Georg Hohenberg

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profil: Wäre Ihr Großvater als Franz II. ein guter Kaiser gewesen?
Hohenberg: Ich glaube ja. Aber er hätte es sehr schwer gehabt, denn er wäre im Zenit des Nationalismus an die Regierung gekommen. Zwölf Nationen in einem Staat – das war für die Nationalisten einfach unvorstellbar. Die große Frage war: Liebt man – um es poetisch auszudrücken – mehr die Sprache, die man am Knie der Mutter gelernt hat, oder sind die Grenzen wichtiger, für welche die Väter das Blut vergossen haben?
profil: Franz Ferdinand konnte sich mit vielen „neumodischen“ Dingen nicht abfinden, zum Beispiel mit dem allgemeinen Wahlrecht.
Hohenberg: Man darf nicht vergessen, dass Franz Ferdinand 1863 geboren wurde. Er hatte natürlich Vorstellungen, die wir heute als mittelalterlich ansehen. Man hat damals in der Wahlrechtsdebatte gesagt, die Leute sind nicht vorbereitet, sie wissen nichts. Mit dem liberalen Zeitgeist war er tatsächlich nicht übermäßig glücklich.
profil: Die Literatur zeichnet ihn als unzugänglich, verschlossen, unbeliebt.
Hohenberg: Es gibt ein sehr gutes Wort von Karl Kraus: Franz Ferdinand war kein Grüßer. Auf der anderen Seite haben ihn alle Mitarbeiter gern gehabt, es gibt keinen, der in längerem Kontakt mit ihm war und ihm Unangenehmes nachgesagt hat. Fest steht: Er wäre sicher nicht so in diesen Weltkrieg hineingestolpert.
profil: Eines der großen Themen seines Lebens war der miese Umgang des Hauses Habsburg mit seiner Frau. Hat das auch seine Politik beeinflusst?
Hohenberg: Das hat natürlich eine Rolle gespielt. Meine Großmutter hatte es nicht leicht. Es herrschten völlig versteinerte Einstellungen. Man darf nicht vergessen: Kaiser Franz Joseph ist 1830 geboren, er war noch ein Vetter des Herzogs von Reichstatt, des Sohns von Napoleon. Es gab natürlich viele kleine Geister, die meiner Großmutter das Leben schwer machten. Aber das ist alles später ein wenig übertrieben dargestellt worden, so schlimm war es nicht. Die Bevölkerung hatte einfach morganatische Ehen nicht so gern.
profil: Die Bevölkerung ist ja nicht gefragt worden.
Hohenberg: Aber auf die Stimmung musste Rücksicht genommen werden.
profil: Inwieweit hat der tragische Tod Ihrer Großeltern die weitere Familiengeschichte bestimmt?
Hohenberg: Es ist keine Frage, dass mein Vater und seine Geschwister von diesem Mord geprägt waren. Wenn Sie mit zwölf Jahren auf diese Art ihre Eltern verlieren, ist das ein harter Schlag. Die Kinder waren davon geprägt, und dadurch war es auch für uns immer gegenwärtig – auch deshalb, weil wir hier in Artstetten die Gruft der Großeltern hüten. Mit den Jahren bekommt man dann eine gewisse Distanz und kann auch die Fehler sehen.
profil: Nach der Ermordung Ihres Großvaters trieb die Monarchie den Kontinent in den Krieg. Wie konnte es zu diesem Scheitern kommen?
Hohenberg: Es ist schwer, nach so vielen Jahren zu urteilen, aber man hätte keinen Krieg beginnen dürfen, dazu war das Reich nicht gerüstet. Serbien war ein kleines Land, es hatte im Westen Sympathien und Russland als Bündnispartner. Mein Großvater war noch einmal in Petersburg, ich glaube es war 1913. Mein Vater hat mir erzählt, Franz Ferdinand sei danach sehr niedergeschlagen gewesen.
profil: Warum?
Hohenberg: Es war für ihn als Erben eines Vielvölkerstaates völlig unbegreiflich, wie ein anderer Herrscher eines Vielvölkerstaates – und das war das Russland des Zaren ja – völlig dem Panslawismus verfallen konnte. Meinem Großvater schwebte immer ein 3-Kaiser-Bündnis vor. Mit diesem Zaren war das aber nicht möglich.
profil: Sie standen als Diplomat Ihr ganzes Berufsleben im Dienst der Republik? Sind Sie ein Republikaner?
Hohenberg: Nein, ich bin kein überzeugter Republikaner. Ich weiß aber auch nicht, ob ich ein überzeugter Monarchist wäre, weil ich nie in einer Monarchie gelebt habe. Dieses Österreich ist nun einmal meine Heimat. Ich liebe sie, und ich bin ein Patriot.
profil: Was hindert Sie daran, Republikaner zu sein?
Hohenberg: Ich sehe nicht die Überlegenheit der republikanischen Staatsform gegenüber einer vernünftigen Monarchie.
profil: Bundespräsidenten werden immerhin gewählt. Monarchen werden nur hineingeboren.
Hohenberg: Ob das ein Riesenvorteil ist, weiß ich nicht. Mein Freund Thomas Klestil, mit dem ich im Außenamt zusammengearbeitet habe, hat das als Bundespräsident sehr gut gemacht. Und ich bin gar nicht dafür, dass man das eine abschafft und das andere wieder einführt. Aber den unerhörten Vorteil einer Republik gegenüber einer Monarchie sehe ich halt nicht. Schon vom Ästhetischen her