„An den Haaren herbeigezogen“

Gehrer nimmt zu den Vorwürfen Stellung

Drucken

Schriftgröße

profil: Wie bewerten Sie die Kritik des Rechnungshofes an Direktor Seipel?
Gehrer: Ich nehme Rechnungshofberichte sehr ernst. Zurzeit arbeitet das Museum an einer Darstellung der Dinge aus seiner Sicht. Der Rechnungshof prüft diese Stellungnahme und macht den Endbericht. Wo die Kritikpunkte gerechtfertigt sind, wird es Konsequenzen geben.
profil: An welche Konsequenzen denken Sie?
Gehrer: Schon während der Entstehung des Berichts kritisierte der Rechnungshof, dass die Miete für das Palais Harrach zu hoch sei, woraufhin wir den Mietvertrag für das Harrach gekündigt haben.
profil: Warum haben Sie sich gegen Seipels Rücktritt ausgesprochen?
Gehrer: Wilfried Seipel ist ein tüchtiger Generaldirektor. Es gibt Fragen, die aufzuklären sind. Dann werden wir weitersehen. Vorverurteilungen und frühzeitige Rufe nach Rücktritt halte ich für falsch.
profil: Ist es legitim, dass Seipel laut Rechnungshof zwei ägyptische Grabfiguren über das Museum für seine private Sammlung erwarb?
Gehrer: Seipel hat klar gesagt, dass sechs Grabbeigaben im Konvolut zu kaufen gewesen wären, wovon vier wertvoll, zwei aber Dubletten waren. Diese hat er nicht fürs Museum erworben, sie waren nicht inventarisiert. Seipel sagte sich: Die zwei Dubletten nehme ich, die anderen vier nimmt das Museum. Was daran anrüchig sein soll, verstehe ich nicht.
profil: Warum wurde Seipels Gehalt um 150 Prozent auf 230.000 Euro erhöht?
Gehrer: Diese Zahl stimmt nicht. Seipel bezieht ein deutlich niedrigeres Gehalt. Dazu erhält er eine Geschäftsführerzulage und eine Erfolgsprämie.
profil: Laut Rechnungshof macht das zusammen 230.000 Euro. Warum haben Sie die Steigerung genehmigt?
Gehrer: Die einzelnen Museumskuratorien haben bei allen Direktoren, deren Museum ausgegliedert wurde, einen Zuschlag zum Grundgehalt genehmigt, weil die Direktoren seit der Ausgliederung ein höheres Risiko tragen: Sie sind persönlich haftbar und müssen selbst wirtschaftlich arbeiten.
profil: Sind 230.000 Euro Einkommen gerechtfertigt?
Gehrer: Das Kuratorium des Kunsthistorischen Museums hält es für gerechtfertigt.
profil: Ist der Ankauf von Seipels Leasing-Auto durch das Museum politisch vertretbar?
Gehrer: Ein Leasing-Auto ist das Eigentum einer Firma. Dass ein Haus wie das Kunsthistorische Museum ein Dienstauto hat, ist selbstverständlich. Man hätte auch ein neues Auto kaufen können. Man kann sich ausrechnen, was man dem Steuerzahler so erspart hat.
profil: Stimmt es, dass Seipels Repräsentationsspesen höher sind als Ihre eigenen?
Gehrer: Das weiß ich nicht.
profil: Wie hoch sind Ihre Repräsentationsspesen?
Gehrer: Das weiß ich nicht.
profil: Ist es rechtens, dass Seipel 1998 einen Vorvertrag zum Ankauf einer Sphinx unterschrieben hat, obwohl der Vertrag zum Zeitpunkt der Unterschrift gesetzeswidrig war?
Gehrer: Wir werden dem Rechnungshof eine Antwort darauf geben. Vielleicht wurde der Vertrag zwei Monate zu früh unterschrieben. Daraus eine Rücktrittsaufforderung zu konstruieren, halte ich für übertrieben. Es gab ja gute Gründe.
profil: Sie halten das Argument, dass die Sphinx dem Museum sonst verloren gegangen wäre, für triftig?
Gehrer: Das kann ich nicht beurteilen.
profil: Der Rechnungshof kritisiert, dass Seipel zusätzliche Geldmittel für Sonderausstellungen erhält.
Gehrer: Wenn die Regierung eine Ausstellung in Auftrag gibt, ist es legitim, für diese auch Fördermittel zur Verfügung zu stellen. Das Kunsthistorische Museum hat für das Ministerium 2002 im Künstlerhaus die Ausstellung „Die Entdeckung der Welt“ erstellt und dafür rund 200.000 Euro erhalten. Wir leben in einer hetzigen Welt: Auf der einen Seite wird ständig gefordert, der Bund soll mehr Geld für Kunst ausgeben. Wenn man dann etwas mehr Geld gibt, ist es auch nicht recht. Direktor Seipel hat in unglaublich vielen Bereichen Sponsoren aufgetrieben. Diese Leistung muss ihm erst einmal einer nachmachen.
profil: Seipel hofft für 2005 auf eine Erhöhung seiner Basissubvention um zwei Millionen Euro. Zu Recht?
Gehrer: Zusage kann ich noch keine machen, weil die Budgetverhandlungen erst stattfinden. Ich halte es aber für richtig, dass nach einer sechsjährigen Deckelung Anhebungen diskutiert werden, da alle Preissteigerungen bisher von den Museen mit ihrer Basisabgeltung und Sponsoring aufgefangen worden sind. Zu diskutieren ist, ob die Basisabgeltung erhöht oder einzelne Ausstellungen gefördert werden. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.
profil: Welche Museen stehen für eine Subventionserhöhung zur Debatte?
Gehrer: Wenn, dann brauchen alle zusätzliche Mittel. Die Albertina hat ein zu niedriges Budget, weil das Budget damals aufgrund der langen Schließzeiten berechnet worden ist. Insgesamt wäre eine Erhöhung des Gesamtbudgets aller Museen um zehn Millionen Euro gerechtfertigt. Ob ich es erreiche, weiß ich nicht. Wenn es mir gelingt, muss darüber geredet werden, wie die Gelder aufgeteilt werden.
profil: Vor einem Jahr wurde die Saliera geraubt. Die polizeilichen Verhörprotokolle deckten wesentliche Sicherheitsmängel auf. War das Alarmsystem ausreichend?
Gehrer: Im Jahr 2001 sendete die TV-Sendung „Modern Times“ einen Bericht, in der die Sicherheitsvorkehrungen des Kunsthistorischen Museums als vorbildlich beschrieben wurden. Im Vorjahr gab es den bedauerlichen Diebstahl. Die Nachtwächter hätten das Licht einschalten, die Polizei holen oder selber hingehen müssen. Das kann man drehen und wenden, wie man will.
profil: Die Wächter reagierten nicht, weil in den Monaten vor dem Raub über hundert Fehlalarme ausgelöst worden waren.
Gehrer: Es ist nachgewiesen, dass dies nicht so war. Außerdem müssen Nachtwächter auch bei Fehlalarm reagieren. Zu sagen, man geht nicht hin, ist unmöglich.
profil: Die Schuld trifft die Nacht-
wache und nicht Direktor Seipel?
Gehrer: Direktor Seipel kann ja wohl nicht neben jedem Kunstgegenstand schlafen. Wir haben 11.000 Bewegungsmelder in dem Haus. Aber natürlich wird man jetzt noch in die Sicherheit investieren.
profil: Seipel ließ sich zuletzt von einem Schwindler nach Italien locken, um die Saliera zurückzuholen. Er kam mit leeren Händen zurück. War Seipel naiv?
Gehrer: Diese Beurteilungen sind menschenverachtend. Auf der einen Seite wird verlangt, man müsse alles tun, um dieses wichtige Goldgefäß wieder zu bekommen. Dann probiert man alles und verfolgt jede Spur. Wenn man nicht erfolgreich ist, hat man den Spott in der Öffentlichkeit. Das ist ungerecht.
profil: Hat Ihr Vertrauen in Seipel etwas damit zu tun, dass er 2002 in Schüssels Personenkomitee war und öffentlich für die ÖVP eintritt?
Gehrer: Es gibt Schauspieler wie André Heller, die für die SPÖ eintreten. Hat man deswegen schon jemals Hellers Rücktritt von all seinen Shows gefordert? Das ist an den Haaren herbeigezogen. Direktor Peter Noever vom MAK ist ein sehr tüchtiger Direktor, dessen Vertrag ich ebenfalls verlängert habe. Auch Direktor Schröder ist tüchtig. Ich schätze es sowohl bei Herrn Heller als auch bei Herrn Seipel, wenn sie eine Meinung haben und diese auch sagen.
profil: Wenn Direktor Seipel gegen die Bundesregierung auftreten würde, wäre seine Meinungsäußerung wohl weniger willkommen.
Gehrer: Es kann doch wohl nicht ein Bediensteter eines großen Hauses, das immerhin dem Bund und dem Volk gehört, generell gegen die Bundesregierung auftreten. Er kann in manchen Dingen selbstverständlich eine andere Meinung haben und einer anderen Partei angehören.