Luftfahrtpionier André-Jacques Garnerin

André-Jacques Garnerin: vor 216 Jahren gelang der erste Fallschirmsprung

Aktuell. Vor 216 Jahren gelang der erste Falschirmsprung

Drucken

Schriftgröße

Unter dem aufgeblähten Stoffdach schwenkte der Physiker André-Jacques Garnerin die Trikolore, Frankreichs Nationalflagge. Sein "schreckliches Experiment", wie es ein Chronist vor 216 Jahren bezeichnete, gilt als erster erfolgreicher menschlicher Fallschirmsprung der Geschichte. Er versetzte damals den gesamten europäischen Kontinent in einen Taumel der Begeisterung.

Prinzip "Fall-hemmender Mechanismen"
Versuche mit Tieren hatte es bereits zuvor gegeben - das Vertrauen in die Richtigkeit der eigenen Theorien war offensichtlich noch nicht sehr ausgeprägt. Zu den Forschern, die sich mit dem bereits von Leonardo da Vinci beschriebenen Prinzip "Fall-hemmender Mechanismen" beschäftigten, gehörte auch Jacques Montgolfiere.

Der Erfinder des nach ihm und seinem Bruder benannten Heißluftballons hatte zuvor bereits einen Hammel aus 35 Metern Höhe am Fallschirm zur Erde schweben lassen. Überlieferungen zufolge soll es in China schon im 12. Jahrhundert Akrobaten gegeben haben, die an Gebilden aus Tüchern und Seilen hängend von Türmen absprangen.

Doch historisch einwandfrei belegt ist das nicht. In Frankreich wird daher Garnerin am 22. Oktober als Urvater des Fallschirmsprungs geehrt. 76 Fallschirmspringer wollen an diesem Tag ihm zu Ehren in 4.500 Metern über dem Eiffelturm aus einem Militär-Transporter abspringen und auf dem benachbarten Marsfeld landen.

„Der Ballon stieg allein weiter”
Der 28jährige Kaufmannssohn Garnerin hatte sich bei der öffentlichen Vorführung in einer Gondel unter dem Fallschirm hängend von einem Ballon in die Höhe bringen lassen und dann das Verbindungsseil gekappt. "Nach einer Minute schnitt Garnerin auf einer Höhe von über 300 Toises (400 Meter) das Seil durch. Der Ballon stieg allein weiter, aber unser Physiker kam mit seiner Fahne winkend an seinem Fallschirm herab. Beim Bodenkontakt verstauchte er sich den Fuß - kaum der Rede wert im Vergleich zu dem, was man hätte befürchten können", heißt es in einem Zeugenbericht.

Garnerin, der bereits als 14jähriger die ersten Experimente der Ballonpioniere seiner Zeit mit Begeisterung verfolgte, gab nach dem triumphalen Erfolg seine Karriere als Wissenschafter auf und widmete sich nur noch seiner neuen Entdeckung.

Seine Vorführungen in London, Frankfurt oder Sankt Petersburg lockten zahlende Zuschauer in Scharen an und ließen selbst den russischen Zaren den Atem stocken. Garnerin sprang bald nicht mehr allein - er bildete auch zahlende Interessierte aus. Eine seiner Schülerinnen, Jeanne Labrosse, wurde nicht nur seine Frau, sondern am 12. Oktober 1799 auch die erste Fallschirmspringerin der Welt.

Das Verdienst Garnerins, der am 17. August 1823 auf dem Boden durch einen herabstürzenden Balken tödlich verletzt wurde, war es, als erster die Richtigkeit seiner Überlegungen selbst unter Beweis gestellt zu haben. Er löste allenthalben Begeisterung für das neue Fluggerät aus, trug zu seiner Weiterentwicklung aber nicht mehr viel bei. Die primitiven und völlig instabilen Fallschirme der damaligen Zeit schaukelten und schlingerten entsetzlich. Viele der Springer bezahlten ihren Mut mit dem Leben oder mit gebrochenen Gliedmaßen.

Erst Jahrzehnte später wurde aus der Attraktion ein Rettungs- und schließlich - nach Ende des Zweiten Weltkriegs - ein Sportgerät, dessen Verbreitung vor allem in den osteuropäsichen Ländern zunächst sehr stark war. Die Weiterentwicklung der früher gebräuchlichen Rundschirme, die jahrzehntelang weitgehend unverändert geblieben waren, förderte diese Tendenz. In Frankreich, wo Fallschirmspringen große Popularität genießt, wurden 1996 fast eine halbe Million Sprünge registriert.

(APA/Red)