Androsch statt Gusenbauer

Androsch statt Gusenbauer

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Ceterum censeo: Mit Alfred Gusenbauer kann die SPÖ nie wieder an die Regierung gelangen.

Jüngstes Beispiel: die Vermarktung des Themas „Bundesheer“. Mit der Seriosität Bruno Kreiskys hat Wolfgang Schüssel bekanntlich erklärt, dass er den Wehrdienst auf sechs Monate verkürzt. Nach einer Schreckminute vermochte Gusenbauer immerhin zu erwidern, dass er schon jetzt nur sechs Monate beträgt und dass es der Milizdienst ist, der abgeschafft würde, obwohl das Heer nach wie vor als Milizheer organisiert ist. Sachlich besehen also eine Absurdität – nur vollkommen egal, weil dieses Heer sowieso nirgends eingesetzt wird. Nach ein paar Tagen hat Gusenbauer daher zur endgültig richtigen Reaktion gefunden: In Wirklichkeit gehört die Wehrpflicht sofort abgeschafft und sofort ein Berufsheer gebildet. Dennoch gibt niemand, den man zum Bundesheer befragt, zur Antwort: „Wenn die SPÖ an die Regierung kommt, wird die Wehrpflicht abgeschafft und durch ein Berufsheer ersetzt.“

Denn niemand hat Alfred Gusenbauer zugehört.

Ceterum censeo: Um Politik zu verkaufen, bedarf es eines „Kommunikators“. Dessen wichtigste Fähigkeit ist eine schauspielerische: vors Publikum zu treten und „präsent“ zu sein. Manche Menschen haben diese Fähigkeit im Übermaß – wie Bruno Kreisky, Jörg Haider oder Helmut Zilk –, manchen fehlt sie völlig: wie Alfred Gusenbauer.

Daher kann die SPÖ mit Gusenbauer die nächsten Wahlen nicht gewinnen. Ceterum censeo.

Als Sozialdemokrat (der ich nicht bin), aber auch als jemand, den allzu lange Dominanz jedweder Partei irritiert, mag man hoffen, dass es trotz Gusenbauer zu einer rot-grünen Regierung reichen wird. Ich halte diese Hoffnung aber für höchst gewagt:

Denn die Grünen wissen aus den vergangenen Koalitionsverhandlungen, dass Regieren mit der ÖVP in der Sache jedenfalls möglich ist. Und sie wären in einer schwarz-grünen Regierung nicht der Schmiedl neben dem Schmied, sondern deckten mit guten Profilierungschancen den „linken“, sozialen Bereich ab. Zwar genießt die SPÖ im grünen Lager nach wie vor die größeren Sympathien, aber in der Vergangenheit haben grüne Politiker stets kritisiert, dass die FPÖ dem Wahlverlierer Schüssel zur Kanzlerschaft verholfen hat. Sie widersprächen sich also, wenn sie Gusenbauer die Kanzlerschaft bescherten, obwohl die ÖVP als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgeht.

Deshalb scheint mir höchst ungewiss, dass die SPÖ wieder an die Regierung gelangt, wenn sie in kommenden Nationalratswahlen nur Zweiter wird.
Und sie wird nur Zweiter werden, wenn sie an Gusenbauer festhält.

Jeder, der das schreibt, wird privat gefragt: Wer denn sollte die SPÖ führen?

Michael Häupl will nicht. Gerhard Zeiler ist in der Partei zu wenig verankert und dürfte auch vorziehen, seine Karriere im Medienbereich fortzusetzen. Gabi Burgstaller trägt das immer noch leise Handicap „Frau“ und hat Salzburg gerade erst übernommen. Bleibt in meinen Augen am ehesten der Wiener Stadtrat Werner Faymann, der gut aussieht, gut auftritt und erfolgreich agiert. Aber reale Chancen, Gusenbauer abzulösen, scheint er mir nicht zu haben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er die SPÖ zum Wahlsieg führte, würde mit ihm zwar größer, aber noch immer nicht zwingend.

Massiv größer würde die Wahrscheinlichkeit eines SPÖ- Sieges nur mit einem Spitzenkandidaten: Hannes Androsch. Ich habe wahrscheinlich größere Probleme, das hinzuschreiben, als jeder andere Journalist in diesem Land, denn ich habe seinerzeit mit profil entscheidend dazu beigetragen, dass Androsch seine politische Karriere beenden musste, weil man nicht gleichzeitig als Finanzminister die Steuern hinterziehen und Spitzenpolitiker sein kann.

Aber das ist jetzt zwanzig Jahre her. Die Steuerhinterziehung war eine an sich lässliche Sünde, die nur bei einem Finanzminister untragbar war – und Androsch hat sie bitter gebüßt. Hätte er die Vorwürfe nicht so sinnlos bestritten – und hätten Justiz und Finanz ihn dabei nicht auf so skandalöse Weise unterstützt –, die Sache hätte sich schon seinerzeit so rasch bereinigen lassen, dass Androschs politische Karriere kaum eine Unterbrechung erfahren hätte.

Allerdings galt das Steuerdelikt recherchierenden Journalisten immer nur als Spitze eines Eisberges. Viel problematischer erschien ihnen ein Zettel mit dem Vermerk „Dr. A. verdeckt“, der die Konstruktion einer Firma zu betreffen schien, die im österreichischen Spitalswesen gewaltige Beträge verdiente und mehrheitlich von Androsch-Vertrauten besessen wurde. Aber alle Beteiligten erklärten, es habe sich bei dem ominösen Vermerk nur um eine sofort verworfene Denkvariante gehandelt, und kein Verfahren hat je etwas Gegenteiliges ergeben.

Androsch ist unbescholten (das Steuerdelikt ist längst irrelevant), schwimmt in wohl erworbenem Geld und ist ein begnadeter Politiker. Was immer er sagt – ob zur Steuerreform, ob zur Bildungsmalaise oder zur Europapolitik –, ist intelligent, durchdacht und anständig. Und er vermag es zu verkaufen.

Eine von Androsch geführte SPÖ gewänne kommende Wahlen mit klarem Vorsprung. Und eine von Androsch geführte Regierung ließe gute Politik für Österreich erwarten.

Das ist eine sachliche Feststellung, um die man auch dann nicht herumkommt, wenn sie einem, wie mir, Magenschmerzen bereitet.