Übernahme

Angriff auf Entenhausen

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Michael Eisner ist kein großer Sympathieträger. „Ich habe noch niemals einen Geschäftspartner von Eisner getroffen, der ihn nicht gehasst hätte“, schrieb ein Journalist des „New York Magazine“ unlängst.

Michael Eisner ist reich. Mit einem fixen Jahressalär von rund 36 Millionen Dollar zählt er in den USA zu den Top-Verdienern. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ schätzt sein Vermögen auf 630 Millionen Dollar.

Michael Eisner ist selbstherrlich. In seiner Autobiografie schreibt er: „In Konferenzen schauen mich alle an und erwarten von mir Weisheit, Reife, Vision.“

Michael Eisner ist ein Top-Manager, der alle Klischees strapaziert. Seit mittlerweile 20 Jahren steht er an der Spitze des US-Unterhaltungskonzerns Disney. Er ist ein Patriarch, skrupellos und unbeugsam.

Mit einem Mann wie Michael Eisner legt man sich besser nicht an. Es sei denn, man heißt Brian Roberts.

Roberts ist ebenfalls Top-Manager in den USA. Er ist Chef des börsenotierten Kabelfernsehbetreibers Comcast. Und er will den Disney-Konzern kaufen.

Zuerst hat er es auf die freundliche Tour versucht. Er bat den ehemaligen Senator und nunmehrigen Disney-Aufsichtsratspräsidenten George Mitchell, Kontakt zu Mr. Eisner herzustellen. Das tat der auch. Immerhin würde ein Zusammengehen von Comcast mit Disney das weltweit größte Medienunternehmen mit einem Umsatz von 45,4 Milliarden Dollar schaffen. Mitchell vermittelte also, worauf es am Montag vergangener Woche zu einem ersten (und letzten) Telefonat zwischen Eisner und Roberts kam. Es dauerte nur wenige Minuten: Roberts unterbreitete dem Disney-Chef sein Ansinnen – und Eisner lehnte brüsk ab.

Schluss mit lustig. Also griff Roberts zu Plan B: der feindlichen Übernahme. Am Mittwoch verkündete er, Disney um 66 Milliarden Dollar kaufen zu wollen. „Wir sind bereit für diesen großen und dramatischen Schritt“, tönte der Comcast-Chef. Es sei die „einzigartige Gelegenheit für alle Aktionäre von Comcast und Disney, einen neuen Marktführer in der Unterhaltungs- und Kommunikationsbranche zu schaffen“.

Gelegenheiten für die Aktionäre wird es in der nahen Zukunft wahrlich geben – und nicht zu knapp. Denn Aktienanalysten sind einhellig der Meinung, das Comcast-Angebot sei bloß eine „Eröffnungssalve“ – da komme noch mehr. Comcast bot den Disney-Aktionären 0,78 eigene Aktien je Disney-Anteilsschein. Womit der Aufschlag zum aktuellen Unternehmenswert gerade einmal zehn Prozent ausmacht.

Aus dem Disney-Konzern selbst gab es nach der Bekanntgabe des „unfriendly take-over“ bloß ein lapidares Statement: „Disney hat das ungebetene Angebot von Comcast erhalten und wird es sorgfältig prüfen“, hieß es zähneknirschend.

Michael Eisners grantige Reaktion ist verständlich: Die Übernahmeschlacht kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Im Konzern tobt seit Monaten ein Krieg, der Walt Disneys Vision von familienfreundlicher Unterhaltung Hohn spricht.

Ausgerechnet der Neffe von Unternehmensgründer Walt Disney, Roy Disney, ist zum größten Gegner Eisners geworden. Dabei war es Roy, der Eisner 1984 in den Vorstand von Onkels Unternehmen gehievt hatte.

Anfang Dezember 2003 zog sich Roy Disney, 73, aus dem Aufsichtsrat zurück. Der Fama zufolge saß Michael Eisner des abends gerade in seiner Wohnung in Manhattan vor dem Fernseher, als unter der Tür ein Brief durchgeschoben wurde. Der Absender war Roy Disney, der schriftlich seinen Rücktritt bekannt gab. Und gleich auch die Demission Eisners forderte. Wegen Eisner, so schrieb Disney, habe der Disney-Konzern seine kreative Energie verloren, die Arbeitsmoral sei „nur noch auf der Suche nach dem schnellen Dollar“.

Tatsächlich ist die Stimmung im Hause Disney fast traditionell – seit Eisner dort an die Macht gekommen ist – nicht die beste. Im Aufsichtsrat sitzen angeblich vorwiegend Freunde Eisners, die sein Tun naturgemäß eher wohlwollend nickend zur Kenntnis nehmen. Der Verschleiß an Managern ist gewaltig – und kam den Konzern in den vergangenen Jahren teuer zu stehen. So kaufte Eisner einst den Talent-Agenten Michael Ovitz teuer ein, um ihn 15 Monate später wieder loszuwerden – mit einer Abfindung in Höhe von 139 Millionen Dollar.

Legendär ist das Zerwürfnis mit Jeffrey Katzenberg: Nachdem Eisners Vize Frank Wells 1994 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war, wurde Katzenberg als neue Nummer zwei installiert. Das ging nicht lange gut: Bald beklagte sich Katzenberg über Eisners „aggressiven und schlechten“ Stil, der Disney-Boss unterbreche Leute permanent und mache „ordinäre Witze“.

Erzfeind & Konkurrent. Katzenberg verließ das Unternehmen mit 250 Millionen Dollar Abfindung in der Tasche und wurde zum erbitterten Konkurrenten: Mit Steven Spielberg und David Geffen gründete er das Studio Dreamworks. Im Kino-Blockbuster „Shrek“ soll sich Katzenberg für die zahlreichen Demütigungen Eisners revanchiert haben: Im Film tritt ein kleinwüchsiger, herrschsüchtiger Prinz auf, der Eisner zum Verwechseln ähnelt.

Doch Roy Disney, der mittlerweile eine Art Feldzug gegen Eisner führt, kritisiert nicht nur dessen Führungsstil, sondern auch seine Management-Qualitäten. Denn der Konzern konnte in den vergangenen Jahren keine berauschenden Zahlen vorweisen, die Gewinne sanken von Jahr zu Jahr kontinuierlich. Ebenso der Aktienkurs, nachdem sich Großinvestoren wie Warren Buffett nach und nach von ihren Anteilen getrennt hatten. Ihnen hatte der Disney-Konzern zu wenig Perspektive geboten: Der Fernsehsender ABC, 1995 um 19 Milliarden Dollar erworben, grundelt im Quotentief. Die Themenparks leiden seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter Besucherschwund, das Euro-Disneyland nahe Paris schrammte im vergangenen Jahr knapp an der Pleite vorbei. Und das Internetportal Go.com ist ein finanzielles Desaster.

2003 gab es zwar erstmals wieder einen Gewinnanstieg – aber die Erträge liegen immer noch unter dem Niveau von 1999. Disney hatte dank einiger Kinoerfolge laut Aktienanalysten „ein fulminantes Jahr“ – das Piratenepos „Fluch der Karibik“ war ebenso ein Kassenschlager wie der Zeichentrickfilm „Findet Nemo“.

Streit mit Pixar. „Findet Nemo“ hat weltweit 800 Millionen Dollar eingespielt und war somit der erfolgreichste Animationsfilm der US-Kinogeschichte. Doch gerade das ist ein wunder Punkt für Konzernboss Eisner: Der Film wurde in Kooperation mit dem Animationsstudio Pixar produziert. Eine vertraglich fixierte Kooperation, die schon in der Vergangenheit für Erfolge gesorgt hatte – etwa bei den Kinofilmen „Toy Story“ und „Monster AG“.

Vor wenigen Wochen wurde allerdings bekannt, dass Disney und Pixar ihre Kooperation beenden werden. Eisner und Pixar-Chef Steve Jobs sollen mehrmals aneinander gekracht sein. Dass Eisner seinen Geschäftspartner einen „schiitischen Mullah“ nannte, wird der gedeihlichen Zusammenarbeit wohl auch eher abträglich gewesen sein.

Und jetzt also Comcast.

„Wir haben die wunderbare Möglichkeit, ein Unternehmen zu schaffen, das in seiner Kombination von Verbreitungswegen und Inhalten weitaus stärker und wertvoller ist, als Disney und Comcast allein sein können“, schrieb Comcast-Chef Roberts an sein Übernahmeopfer Eisner. Für Comcast bestünde der Vorteil einer Übernahme darin, dass das Unternehmen künftig die Kontrolle über ein Kabel-TV-Netz und über TV-Inhalte hätte. Comcast, ein 1963 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Pittsburgh, hat 21 Millionen Kabel-TV- und fünf Millionen Internetkunden. Gelingt der Disney-Coup, könnte das Unternehmen seine Vertriebsmacht mit Angeboten aus den Disney-Studios, dem Fernsehsender ABC sowie dem Sportkanal ESPN deutlich ausweiten. Und vor allem könnten die Comcast-Kanäle preiswerter gefüllt werden als bisher.

Warnungen. Skeptiker verweisen allerdings auf das Beispiel Time Warner/AOL – eine Fusion unter ähnlichen Vorzeichen, die im Endeffekt aber alles andere als geglückt ist. Vor vier Jahren ist das Zusammengehen des Internetunternehmens AOL mit dem Medienkonzern als „perfekte Symbiose“ gefeiert worden. Heute entpuppt sich der Zusammenschluss als finanzielles Fiasko. Jedenfalls zeigt sich, dass Ehen zwischen Inhalten und Netzen nicht harmonisch verlaufen müssen.

Trotzdem trauen Experten Comcast im aktuellen Fall einiges zu. Das Unternehmen hat bereits im Dezember 2001 eine Übernahmeschlacht erfolgreich für sich entschieden. Damals schluckte Comcast nach einer fünfmonatigen Bieterschlacht die Breitbandsparte des US-Telekomkonzerns AT&T – die Nummer eins auf dem US-Kabelmarkt – um 72 Milliarden Dollar. Die Zahl der Abonnenten stieg von sechs Millionen auf 22 Millionen, Comcast wurde zum Marktführer. Außerdem wurde der Brocken schneller als erwartet verdaut: Veranschlagt waren damals drei Jahre, laut Comcast ist die Integration allerdings jetzt schon abgeschlossen.

Wie die Integration von Disney aussehen würde, ist derzeit Gegenstand von Spekulationen. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass eine traditionsreiche Disney-Einrichtung gefährdet ist: Die Themenparks des Konzerns passen nicht so recht in das neue Unternehmensgefüge.

Das gilt auch für Michael Eisner selbst. „Eine Übernahme ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, Eisner bei Disney abzulösen“, schreibt das britische Magazin „Economist“. Mit der Hilfe von Freunderln im Aufsichtsrat wäre es dann jedenfalls vorbei, außerdem läuft Eisners 7-Jahres-Vertrag heuer aus.

Vergangenen Dezember war vom Ende seiner Karriere freilich keine Rede. Damals stand Michael Eisner auf der Bühne des Ballsaals im Century Plaza Hotel vor mehr als 1000 Filmgrößen. Eisner hatte dort den „Pioneer of the Year Award“ des Motion Picture Pioneers Assistance Fund erhalten. In seiner Dankesrede meinte der 61-Jährige, der eine gelbe Krawatte mit blauen Mickey-Mouse-Ohren um den Hals hatte: „Ich habe vor, in 30 Jahren wieder hier zu sein.“