Schlechte Haftbedingungen

Anlegerskandale. Trotz erfolgreicher Amtshaftungsklagen schauen viele Geschädigte durch die Finger

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Fantasievolle Bilanzen, ausgeräumte Tresore und ein Banker, der sich mit 100 Millionen Schilling Bargeld nach Südfrankreich absetzt – der Wirtschaftskrimi um den Crash der Wiener Riegerbank war nicht eben arm an spektakulären Wendungen.

Das war im Oktober 1998. Der Kriminalfall Riegerbank ist längst gelöst. Eigentlich müsste die ganze Angelegenheit bei den Akten liegen. Eigentlich. Tatsächlich warten auch heute, 13 Jahre nach Eröffnung des Riegerbank-Konkurses, Hunderte Gläubiger weiterhin auf ihr Geld. Schuld daran ist allerdings nicht das frühere Management der Bank – sondern die Republik Österreich. Obwohl diese im Rahmen von Amtshaftungsklagen in Zusammenhang mit dem manifesten Kontrollversagen der Bankenaufsicht mehrfach zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt wurde, verweigert sie seit Jahren beharrlich jedwede Entschädigung – und zwingt die Geschädigten in immer neue Prozesse. Ende ist derzeit noch keines absehbar. Nicht nur im Fall der Riegerbank.

Im Konkursfall der Grazer Bank für Handel und Industrie (BHI) tobte der Rechtsstreit ganze sieben Jahre, bis die geschädigten Sparer zu ihrem Geld kamen. Im AMIS-Verfahren warten Investoren auch sechs Jahre nach der Insolvenz auf eine Entschädigung. Der Anlagebetrug rund um die kollabierte AvW-Gruppe hat Gläubiger mit Forderungen von einer halben Milliarde Euro zurückgelassen. Und die zuständige Finanzprokuratur, so etwas wie der Anwalt der Republik, bekommt immer neue Causen auf den Tisch.

Anlegeranwalt Ulrich Salburg etwa brachte kürzlich eine Amtshaftungsklage in der Causa Madoff ein. Er ortet auch hier ein Versagen der Aufsichtsbehörden. Bei der Finanzprokuratur klagt man zwar über Personalmangel – trotzdem werden selbst aussichtslose Fälle bis vor die Höchstrichter getragen. Auf Kosten der Geschädigten – und aller Steuerzahler.

Zurück ins Jahr 1998.
Damals legte die auf Geldwechselgeschäfte spezialisierte Wiener Riegerbank eine Anleihe auf. Das Geschäft klang nur allzu verlockend: 7,5 Prozent Zinsen per annum. Und das von einem Unternehmen, das laufend von der Bankenaufsicht geprüft wurde. Kurz: viel Ertrag bei vermeintlich überschaubarem Risiko. Hunderte Kleinanleger zeichneten im April 1998 diese Wandelschuldverschreibung. Wenige Monate später war die Bank pleite.

Das Unternehmen war nach Fehlspekulationen mit Verbindlichkeiten von rund einer Milliarde Schilling überschuldet, an eine Sanierung nicht zu denken. Aber wie konnte es sein, dass ein dermaßen marodes Unternehmen vor den Augen der Aufsichtsbehörden noch am Vorabend des Konkurses über eine Anleihe 175 Millionen Schilling von Kleinanlegern auf dem Kapitalmarkt einsammelte? Und das, obwohl es bereits Monate zuvor erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben hatte.

Diese Frage beantwortete unter anderem der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung im Dezember 2006. Mehr als 500 Anleger hatten sich dem vom Kreditschutzverband von 1870 organisierten „Gläubigerkonsortium Anleihezeichner Riegerbankanleihe 1998“ angeschlossen, um ihre Ansprüche gegenüber dem Finanz­institut durchzusetzen. Und auch – oder vor allem – gegenüber der Republik Österreich. Schließlich, so die Argumentation der Rechtsanwälte des Gläubigerkonsortiums, sei die damals zum Finanzministerium ressortierende Bankenaufsicht (die heutige Finanzmarktaufsicht wurde erst Jahre später gegründet) ihrer Kon­trollpflicht nicht nachgekommen.

Die Amtshaftungsklage ging durch mehrere Instanzen. Ende 2006 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Republik Österreich gegenüber den Zeichnern der Anleihe haften muss. Und zwar in vollem Umfang. Der Fehlbetrag, der nach der Verwertung der Riegerbank-Konkursmasse bleibt, muss von der Republik Österreich beglichen werden. „Soweit man das überblicken kann, ist das der höchste jemals aus Amtshaftung ersiegte Betrag“, so Rechtsanwalt Wolfgang Putz, dessen Kanzlei das Gläubigerkonsortium vertritt. Auf die Auszahlung der gesamten Summe warten die Gläubiger bis heute vergeblich.

Die Anwälte der Republik stehen nämlich auf dem Standpunkt, dass sich aus Schadenersatzforderungen in anderen Rechtsstreitigkeiten durchaus noch eine hundertprozentige Deckung der Riegerbank-Konkursmasse ergeben könnte. Mit Rudolf Edlinger, Karl-Heinz Grasser, Wilhelm Molterer, Josef Pröll und Maria Fekter waren mittlerweile fünf Finanzminister für die Causa verantwortlich. Und alle pflegten den Zug durch die Instanzen. Ein Muster, das sich in den meisten Amtshaftungsfällen ausmachen lässt. „Die Prozessstrategie der Republik ist die der Unfehlbarkeit“, meint Benedikt Wallner, der 500 durch das AMIS-Finanz­konglomerat geschädigte Anleger vertritt. Der Präsident der ­Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, weist das zurück: „Unser Auftrag lautet: mit den Geldern haushalten und die Probleme im Interesse des Staats und der Bürger lösen.“

Ein Urteil zum Riegerbank-Konkurs des Obersten Gerichtshofs liest sich anders: „Unter diesen Umständen erscheint es vielmehr verwunderlich, dass sich die Beklagte (die Republik Österreich, Anm.) trotz der drohenden nachteiligen Kostenfolgen (für die öffentliche Hand) auf einen solchen Prozess einlässt“, heißt es da. Der Hintergrund: Der Riegerbank-Masseverwalter hatte im Auftrag der Gläubiger eine Art Best-Case-Szenario errechnet. Das Ergebnis: Selbst wenn alle Prozesse um Haftungen und Schadenersatzforderungen gewonnen würden, könnte höchstens eine Quote von 52 Prozent erzielt werden. Die Gläubiger klagten also die Differenz ein. Die 48 Prozent müsste die Republik ja schließlich in jedem Fall übernehmen. Auch dieses Verfahren ging bis vor den Obersten Gerichtshof.

Und auch hier bekamen die Zeichner der Riegerbank-Anleihe im Jahr 2009 Recht – und damit immerhin mehr als die Hälfte ihrer Forderungen. Zusätzlich zu den 48 Prozent hatte der Masseverwalter bei der Verwertung der Riegerbank-Konkursmasse immerhin 8,8 Prozent erzielt.

Auf den Rest warten die Gläubiger trotz Haftung der Republik Österreich bis heute vergeblich. In manchen Fällen zeitigt die Hinhaltetaktik des Bunds endgültige Wirkung. Einer der Gläubiger verstarb ohne Erben. Sein Vermögen ging an die Republik Österreich.