ATX: Blick gen Osten

ATX: Blick gen Osten Kurssturz nach Rekordjagd

Gewinnmitnahmen ließen im Mai die Kurse fallen

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Der Höhenflug ist vorerst vorbei: Nach der Rekordjagd in den ersten Monaten des Jahres, die den Wiener Leitindex ATX Mitte April hart an die 2000-Punkte-Marke herangeführt hatte, ist nun etwas Luft aus dem Markt entwichen. „Der Grund dafür sind Gewinnmitnahmen“, vermutet Birgit Kuras, Chefanalystin bei der Raiffeisen Centrobank: Die Anleger hätten in den vergangenen Wochen Aktien verkauft, um sich die Kursgewinne in harter Währung ausbezahlen zu lassen. Wien steht mit dem Abschwung nicht allein: An praktisch allen Börsen geht es derzeit talwärts – nicht zuletzt aufgrund des dramatisch hohen Ölpreises, der über 40 Dollar pro Fass liegt. „Aber der Kursrückgang trifft die Wiener Börse nicht so stark, weil sie vorher schon einen ordentlichen Speckpolster aufgebaut hat“, meint Kuras.

Tatsächlich hat Wien mit seiner Performance in den vergangenen drei Jahren die großen Börsen der Welt weit in den Schatten gestellt: Der ATX verzeichnet seit 2001 deutlich stärkere Zuwächse als etwa der Frankfurter Leitindex DAX oder der Dow Jones in New York, der die Entwicklung der 30 wichtigsten US-Industrieaktien abbildet. Ausgelöst hat den Höhenflug der letzten Jahre der massive Zustrom des Kapitals internationaler Investoren. Sie haben ihre Liebe zu Wien aus mehreren Gründen entdeckt:

Durch die Privatisierungen von Telekom Austria, VoestAlpine, Böhler-Uddeholm und VA Tech kamen Aktienpakete in einer Größenordnung auf den Markt, die für große institutionelle Anleger wie Pensionsfonds aus den USA und Großbritannien interessant ist. Seit dem Platzen der New-Economy-Blase 2000/2001 sind Investitionen in traditionelle, solide Old-Economy-Werte wieder en vogue. Solche finden sich auf dem Wiener Kurszettel in großer Zahl. Auch die Tatsache, dass der Finanzplatz Wien zuletzt moderner und transparenter geworden ist, hilft beim Anwerben internationaler Anleger.

Der wohl wichtigste Faktor bei der Wiener Hausse ist jedoch die Nähe zu Osteuropa. Solange die Börsen der neuen EU-Mitglieder noch in den Kinderschuhen stecken – sie sind gemessen an der Marktkapitalisierung alle deutlich kleiner als die Wiener Börse (siehe Grafik Seite 47) –, tragen internationale Anleger ihr Geld lieber nach Wien. Denn einige der großen österreichischen Unternehmen machen bedeutende Teile ihres Umsatzes in den östlichen Nachbarstaaten. Diese Entwicklung schlägt sich auch im ATX nieder. „In den letzten Jahren korreliert Wien viel stärker mit den Ostindizes als mit anderen Börsen“, analysiert Birgit Kuras. Während der ATX sich noch vor zehn Jahren hauptsächlich an den New Yorker Dow Jones und später an den Frankfurter DAX angelehnt habe, verlaufe er seit drei Jahren stärker im Einklang mit den Kursbewegungen osteuropäischer Aktien. Die Übernahme der Budapester Börse sieht Kuras positiv: In den Augen der Investoren werde das die Verschränkung von Wien mit den zukunftsträchtigen osteuropäischen Finanzmärkten verstärken.