Auch Strache kann Richtiges sagen
Mit Erleichterung haben fast alle Zeitungen Wilhelm Molterer als Sieger im TV-Duell mit H. C. Strache gesehen: Dessen Unfähigkeit, auch nur für Sekunden zu schweigen, hat ihn zu viel Sympathie gekostet. Freilich kaum bei der eigenen Klientel, denn seine Argumente in der Ausländerfrage waren keineswegs rundum falsch: Es ist tatsächlich fraglich, ob man eine Integrationspolitik als geglückt ansehen kann, wenn von jährlich rund 50.000 zugewanderten Personen (inklusive Asylwerbern) nur etwa zehn Prozent auch den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts entsprechen. Und leider untermauert die Kriminalstatistik auch Straches Behauptung einer erhöhten Ausländerkriminalität. Sosehr es mich freut, dass Molterer in der aktuellen Auseinandersetzung die Oberhand behalten hat, scheint es mir längerfristig doch ein Fehler, diese Entwicklungen zu übersehen. Es gibt ein Ausländerproblem; man soll es benennen, analysieren und in einem anderen Geist als Strache lösen.
Die erhöhte Ausländerkriminalität kommt sicher nicht von einem artfremden Gen. Den größten Beitrag leistet jene Bestimmung, die Asylwerbern bezahlte Beschäftigung verbietet das muss dazu führen, dass ein erhöhter Prozentsatz der Verlockung des Dealens, Stehlens oder Erpressens erliegt. Hinzu kommt, dass dieser Prozentsatz unter Menschen, die durch Elend und Kriege geprägt sind, von vornherein höher ist: So ist es sicher kein Wunder, wenn Tschetschenen aggressiver als der Durchschnitt sind. Nur kann das unsere Verpflichtung zur Asylgewährung nicht einschränken, sondern muss uns veranlassen, Kriegsopfer auch psychisch zu betreuen und das Arbeitsverbot abzuschaffen.
Es gibt aber wenig Zweifel, dass uns auch die Ost-Öffnung eine Zunahme der Kriminalität beschert hat: unabwendbare Armutskriminalität nach Jahrzehnten kommunistischer Misswirtschaft. Auch diese Kriminalität soll man nicht leugnen, sondern nur nicht ausschließlich durch Straches Augen betrachten: Hätten wir nicht unendliches Glück gehabt, so wäre der Eiserne Vorhang quer durch Österreich verlaufen, und dieser oder jener Ostösterreicher ginge heute in Westösterreich betteln oder einbrechen. So hat uns die kommunistische Misswirtschaft im Verein mit der Ost-Öffnung ein neues Wirtschaftswunder beschert: Nur weil die Menschen im Osten so wenig haben, können wir so viel dorthin exportieren. Von den Milliarden, die wir daraus erlösen, kann man durchaus ein paar Prozent dazu verwenden, die Polizei in ihrem Kampf gegen die steigende Eigentumskriminalität zu stärken.
Am prekärsten ist Straches Behauptung, dass nur zehn Prozent der Zugewanderten den Arbeitsmarkt bereichern. Ihr liegt eine ernst zu nehmende Analyse des Migrationsexperten Professor Heinz Fassmann in der Presse zugrunde: Jedes Jahr gibt es eine Zuwanderung von zirka 100.000 Personen, der eine Abwanderung von zirka 50.000 Personen gegenübersteht. Die Hälfte bis zwei Drittel der Zuwanderung stammt heute aus Familiennachzug, ein Viertel aus Asylwerbern. Die Zahl derer, die auf die Bedürfnisse des österreichischen Arbeitsmarkts hin gesteuert zuwandern, so Fassmann, liegt bei lediglich 1000 bis 5000 Personen pro Jahr.
Das verändert zwangsläufig die wirtschaftliche Bilanz der Zuwanderung: War sie früher positiv, weil auch wenig qualifizierte, aber junge Zuwanderer mehr zum Sozialsystem beitrugen, als sie entnahmen, so verschiebt sich diese Relation durch den umfangreichen Familienzuzug spätestens, wenn sie ins Pensionsalter gelangen und alle Beteiligten mehr medizinische Betreuung brauchen. Prompt schließt Strache daraus kurz, dass ein Zuwanderungsstopp verfügt werden soll.
Aber genau das schließt Fassmann nicht. Österreich hat eine extrem niedrige Geburtenrate und ist daher auf Zuwanderung angewiesen, wenn uns nicht Arbeitskräfte fehlen sollen. Nur ist es keineswegs inhuman, die Zuwanderer gemäß ihrer beruflichen Qualifikation auszulesen: Niedrig qualifizierte Zuwanderer konservieren primitive Wirtschaftszweige, sind öfter arbeitslos und tun weniger für die Ausbildung ihrer Kinder. Auch ihre Beteiligung an der Entstehung von Ausländer-Ghettos ist überproportional: Wer schlecht qualifiziert ist, verdient schlecht und kann sich eine Wohnung daher nur in bestimmten, billigen Vierteln leisten.
Das ist ein Problem, das alle Eltern spüren, die ihre Kinder dort in die Schule schicken: Es ist nicht leicht, bei PISA gut abzuschneiden, wenn achtzig Prozent einer Klasse aus Kindern bestehen, die zu Hause nicht Deutsch sprechen. Will man diese Schüler nicht wie in den USA mit Autobussen quer durch die Stadt schicken, um sie gleichmäßiger über alle Schulen zu verteilen, so muss man erreichen, dass sich die Familien der Zuwanderer nicht aus-schließlich in den billigen Wohngegenden konzentrieren. Das setzt wiederum voraus, dass es qualifizierte Zuwanderer sind denn nur sie können höhere Mieten bezahlen. Alle diese Argumente sprechen dafür, die Qualifikation endlich zum entscheidenden Kriterium der Zuwanderung zu machen sonst wird Strache die Probleme demnächst nicht nur, wie Molterer ihm zugesteht, richtig analysiert haben, sondern sie werden uns tatsächlich auf den Kopf
fallen.