Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Datenmüll für alle!

Datenmüll für alle!

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Vielleicht ist Kapitulation bereits die angemessene Grundhaltung. Datenschützer, die letzten Helden des Personenrechts, kämpfen sichtlich überfordert und an zahllosen Fronten um ein elementares Menschenrecht, das zu schützen ­offenbar wenig Interesse herrscht. Mit dem Standardsatz „Was habe ich schon zu verbergen?“ wird das Thema der rigorosen institutionellen und privaten Überwachung des Bürgers verharmlost. Es ist ein Thema, das uns allen noch zu schaffen ­machen wird, das unsere gesamte Lebensgrundhaltung vereinnahmen kann und die Art, wie wir aufeinander, die Welt und ihre Beschaffenheit blicken werden.

Dabei weiß man nicht einmal, wo der Feind wohnt, was seine Antriebe und Absichten sind, wie er tickt und was ihn umtreibt, obwohl wir ihn immer exakter lokalisieren können in all seinen Gewohnheiten, Vorlieben und Peinlichkeiten: Es sind wir selber. Es scheint ein dringendes Verlangen im Menschen zu wohnen, das ihn verleitet, alles auszuspähen, alles einzusehen und immer dichtere Vernetzungen über unser aller Dasein zu werfen. Mit Argumenten der Sicherheit, der Bequemlichkeit, der Kundenorientiertheit, der sozialen Gerechtigkeit, der Krankheitsbildabgleichung oder schlicht der Parkraumbewirtschaftung werden wir millionenfach in Koordinaten von Homeland Security, Käuferstromanalysen oder eCall fixiert, und das Schlimmste dabei ist, wie leicht wir käuflich sind. Ein günstigerer Versicherungstarif reicht aus, damit wir eine Black Box in unser Auto montieren lassen, die alle fassbaren Daten aufzeichnet – jeder Parameter erscheint harmlos für sich, aber im gesamten Büschel der Erkenntnis sind die Datenkoordinaten äußerst aussagekräftig. Na und? Tut doch gar nicht weh. Bisher.

Dass Datenschutz so wichtig ist, liegt nicht nur daran, dass wir uns, egal von wem, nicht ins Blatt schauen lassen dürfen. Ein Grundrecht. Es geht mehr aber noch um kommende Generationen, die in diese überwachte Welt hineinwachsen wie in etwas Selbstverständliches, Unabänderliches.
Ein weiterer Aspekt bleibt meist unerkannt: Die Agglomeration von Daten und Werten, alles in elektronische Medien, in Clouds und andere mehr oder weniger abstrakte, aber letztlich auslesbare Datenträger gespeichert, selbst unser Gedächtnis demnächst, all diese Weggabe an ein exogenes Nerven­system ist extrem anfällig gegen Missbrauch in großem Stil.

Das wird eh niemand wollen, denken Sie? Dann müsste bereits jetzt die seuchenartig um sich greifende Datenerfassung massiv abgestellt werden.
Wir kaufen Gewand, wir lösen eine Liftkarte, wir wählen eine Telefonnummer, wir zeigen unsere Lustigkeit auf Facebook, wir ziehen Kundenkarten durch den Schlitz oder laden die BMW-Application auf unser iPhone, damit wir es mit dem Bordnetz synchronisieren können. All die pure Harmlosigkeit. Lesen Sie dazu den Auszug aus dem Tätigkeitsbericht 2010 des deutschen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar:

„Kapitel 5. Elektronische Fahrzeugdatenspeicher – das Auto als rollender Computer.
Elektronische Fahrzeugdatenspeicher in Pkws sollen die Sicherheit des Fahrzeugs erhöhen und die Wartung erleichtern. Gleichzeitig steigt aber auch das Risiko, dass am Ende der Entwicklung der ,gläserne Autofahrer‘ stehen könnte.
Nach bescheidenen Anfängen vor etwa 30 Jahren werden Pkws heute mit immer komplexeren und leistungsfähigeren elektronischen Helfersystemen und Datenspeichern ausgerüstet, deren Existenz und Funktionsweise Haltern und Fahrern wenig oder gar nicht bekannt sind. (…)
Ein handelsüblicher Pkw enthält zwischen 40 und 60 mit einem Datenleitungssystem verbundene Fahrzeugdatenspeicher. Dort gespeicherte Daten können von Werkstätten und Herstellern von einem zentralen Abruf-Steckplatz aus abgerufen werden. Zu Wartungsarbeiten genutzte Daten informieren etwa über das Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- und Bremsverhalten des Fahrers. Damit entsteht ein detailliertes Nutzungs- und ggf. auch Fahrerprofil. Kommen noch Online-Daten, wie etwa eine Lokalisierung über GPS hinzu, rückt der ,gläserne Autofahrer‘ immer näher.“

Schlagzeile in „Auto-Bild“: „Ab 2015 wird der automatische Notruf eCall in Neuwagen Pflicht. Datenschützer warnen: Das System mit all seinen Facetten öffnet Datenmissbrauch Tür und Tor.“
Nebenbei erscheint es problematisch, immer „die ­Datenschützer“ präsentiert zu bekommen wie eine leicht anrüchige Spezies von Querulanten oder vorgestrigen Eggheads, die keine Ahnung von der neuen Lust an der Vernetzung haben.

Datenschützer müssen wir alle sein im eigenen Interesse.
Allerdings wird das immer schwieriger. Wir hinterlassen elektronische Fußspuren, wo wir das gar nicht ahnen. Die Kombination von Handy, vielleicht noch mit superpraktischen Apps gespickt, Kreditkartenzahlungen (Handy-Abbuchungen) und noch gar nicht zu reden von Onlinediensten im Auto wird ­unsere Datenspuren so fett und nachvollziehbar machen wie die Zwillingsreifen eines Dieselschleppers.

Selbst wenn wir, wie das der deutsche Datenschutzexperte Thilo Weichert fordert, irgendwo einen Ausschaltknopf ins Auto bekommen, der eCall fallweise stilllegt, so wird uns die öffentliche Meinung (Stimmung) bald zuraunen, dass wir uns in asoziale Bereiche begeben, Isolation auf eigene Gefahr betreiben. Angst wird geschürt, offline und hilflos zurückzubleiben. Den Begriff Datenschützer werden sich selbst ernannte Schutzberufene der Datenhoheit einverleiben.

Subversive Abwehr: die Server mit so viel Daten zumüllen, bis alles sinnlos geworden ist.

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