Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Der Plus-/Minus-Opel

Der Plus-/Minus-Opel

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Dort, wo ich sonst meinen Küchenmixer anstecke, hängt jetzt ein Auto dran. Mit einem Vorderrad steht es neben dem Ameisenhaufen, mit dem anderen auf der Senkgrube. So ist das bei uns am Land.

Bei dem Auto handelt es sich um das Auto des Jahres, gewählt von einer internationalen Jury. Die haben übersehen, dass der Ampera (auf dem e zu betonen) gerade eingestellt worden war, angeblich wegen Brandgefahr der Batterien. Die müssen ständig herabgekühlt werden, doch davon später. Vielleicht ist das auch nur eine Umschreibung für geringe Nachfrage.

Jetzt gibt es den Ampera also wieder, ein Stromauto, das den großen Vorteil hat, auch ohne Strom zu fahren. Das gleicht zwar reziprok dem Segelbootfahren mit dem Hilfsmotor, aber das ist alles besser als völlig stehen bleiben, wie es mit reinen E-Autos unweigerlich passiert.

Der Ampera fährt in den meisten Situationen mit Strom, kann den aber praktischerweise on-board produzieren. Dafür benötigt er eben einen 1,4-Liter-Ecotec-Motor, der notfalls, wenn volle Leistung bei leerer Batterie benötigt wird, auch direkt ins Geschehen eingreifen kann. Dann brechen 237 PS los, um den 1735 Kilo schweren Ampera in neun Sekunden auf hundert zu hieven.

Weil die volle Ladung nur für maximal 80 Kilometer reicht, ergibt sich auf hundert Kilometer immer ein Benzinverbrauch: 1,2 Liter. Darüber hinaus, wenn nicht weiter geladen wird, steigt dieser auf 5,2 Liter an. Schließlich leistet der Benzinmotor auch nur 86 PS. Auch noch respektabel. Allerdings ist immer so viel Strom in der Reserve, dass man ordentlich notbeschleunigen kann, etwa beim Überholen. Beim Bremsen und Bergabfahren wird rekuperiert. Man sammelt also Strom ein, was dem gesamten Autofahren ein völlig neues Grunddenken verschafft. Plötzlich ist das Bremsen wichtiger als alles, nicht mehr das schädliche Gasgeben. Doch selbst das Bremsen sollte laut Betriebsanleitung vorausschauend geschehen, damit dies erstens rein elektrisch geschehen kann (nur bei starkem Pedaldruck legen sich die mechanischen Bremsen mit an) und zweitens wegen allfälliger Verlustleistungen, die durch Ohm’sche Widerstände als Wärme abdampfen. Strom fließt durch Beschleunigungsvorgänge, aber auch durch Rekuperation. Je weniger stark man beschleunigt oder bremst, desto weniger anteilige Verlustleistung entsteht. Ein je nach Fahrsituation steigender oder fallender Ball im Display zeigt, wo die grüne Mitte ruht.

Übrigens ist man wie bei praktisch allen Hybridautos in die Komplikationsfalle gegangen. Vor lauter Begeisterung, dem User (Fahrer) so viel Information wie möglich zuzuspielen, hat man die beiden Monitore völlig überfrachtet. Meine Theorie: Autos, die sich aus dem Wissen so vieler hoch spezialisierter Divisionen nähren, verlieren sich in der Ansammlung sämtlicher Gutgemeintheiten. Jede Abteilung will alle Stückerln spielen, es gibt niemanden mehr, der genügend Übersicht hätte, um sie zurückzupfeifen. Dann sieht das so aus. Der Fahrer muss mit einem verwirrenden Angebot an Schaltern, Knöpfen, Schaubildern und Informationen zurechtkommen. Die Knöpfe sind allerdings auf reine Tüpferl am Lack reduziert. Man tappt also auf die kalte Konsole, was reichlich unsympathisch ist, und bekommt keine haptische Antwort, was erträglich wäre, wüsste man nicht, dass der Druckknopf schon erfunden und perfektioniert wurde. Auch allgemein als gemeistert geltende Dinge wie unpräzis einrastende Sitzlehnenverstellung, fehlende Überkopf-Haltegriffe oder die Low-Res-Rückfahrkamera schaffen den Eindruck, als hätte man sich sehr mit der Zukunft und etwas zu wenig mit der Gegenwart beschäftigt.

Elektrisch Auto fahren ist, wie die meisten vernunftgesteuerten Sachen, eine vornehmlich emotionale Angelegenheit. Die diebische Freude, sich praktisch über Nacht den Tank am Stecker zu füllen, bringt was heimwerkerlich Erfüllendes mit sich. Allerdings auch neue Problemkreise.

Weil plötzlich das Radio in der Werkstatt nicht mehr spielt, das am gleichen Stromkreis hängt wie der Ampera, merke ich, dass er die Sicherung rausgehaut hat. So wie vorgestern nachts, als der Regen kam. Darf man bei Regen laden? Ich weiß es bis jetzt nicht. Aber zwei Sicherungen muss ich auf der Minusseite verbuchen. Wobei es ohnehin zu den größeren Wundern zählt, dass mein bäuerliches Stromnetz, wo die beiden Kabel wahrscheinlich stoffumwickelt in den Lehm gepresst wurden, überhaupt dem Hightech-Laden standhält, dass der Ladekabel-Adapter grünes Licht gibt und das Auto tapfer "HUP!“ sagt, sobald es an der Leitung nuckelt.

Allerdings, es bleibt dabei: Die sechzig Kilometer, die man in realiter per Strom zurücklegt, galten bisher als Tankreserve-Reichweite. Was man um 45.000 Euro erwirbt, ist ein massives, 1,7 Tonnen schweres Benzinauto mit einem Reservetank aus Akkustrom. Early Adopters, Hut ab. Ihr habt es nicht leicht. Ein Tipp: Zum Herabklimatisieren des Innenraums kurz auf Benzinbetrieb umschalten. Denn der Akku hat schon genug damit zu tun, sich selber auf Betriebstemperatur herabzukühlen.

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