Autodrom: David Staretz Hybriderlein fein
Der Kia Opirus (2003 bis 2007), gelinder Mercedes-E-Klasse-Nachbau, war der letzte Vertreter der großen, gemütlichen, erschwinglichen Limousinen. So wie es praktisch keine themenfreien Restaurants mehr gibt, werden so gut wie keine zielgruppenfreien Autos mehr angeboten. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt kann man gepflegte Erstbesitze der 200-PS-Luxuslimousine unter zehntausend Euro bekommen.
Der Nachfolger, wenn auch weniger mit Executive-Charakter, sondern wesentlich aggressiver auftretend, heißt nun Kia Optima. Als Gegen-Passat ausgerichtet, wurde er vom ehemaligen Chefdesigner des VW-Konzerns, Peter Schreyer, mit einer "starken emotionalen Dimension ausgestattet, symbolisiert durch das neue Markenzeichen, die Tiger Nose. Peter Schreyer abzuwerben war der größte Geniestreich der Koreaner, denn zuvor drohten sich die verschiedenen Karosserietypen in Beliebigkeit zu verstreuen. Jetzt hat die Marke ein straffes, scharfes Profil - das, was technisch gut war, wird nun markant dargestellt.
Kia ist die interessanteste Newcomer-Marke der vergangenen Jahre. Picanto heißt jener Kleinwagen, der den VW-Bossen die größte Achtung abgewinnt, Rio sowie die Ceed- und Proceed-Modelle (ernsthafte Golf-Herausforderer) gefallen durch gutes Aussehen, hochwertige Technik, bessere Ausstattung und saubere Verarbeitung. Auch der Optima kommt bei der Innenraum-Anmutung fast an Passat-Qualität heran, spielt also ganz vorn mit in der Klasse Ford Mondeo, Toyota Avensis, Renault Laguna. Wie einst bei Audi gelang es Peter Schreyer hier in kürzester Zeit, der (gut angelaufenen) Marke den entscheidenden Kick zu verpassen.
Dass der neue Optima nicht nur optisch gestreckt ist, merkt man beim Einparken. Er ist der Längste seiner Klasse. Die Rückfahrkamera schafft Feinabstimmung auf den wichtigen letzten Zentimetern.
Erst fuhr ich zum Kennenlernen den sparsamen und konkurrenzfähigen Dieselmotor mit 136 PS (im Kia Optima Active Pro 1.7 CRDi AT), später wurde der Kia Optima HEV Hybrid, vorläufig nur als US-Modell vorhanden, nachgeschoben, der ein interessantes Fenster in die Zukunft vielschichtiger Antriebssysteme eröffnet.
Hybrid, man kennt das inzwischen: Es handelt sich hier um einen herkömmlichen Benzinmotor mit 209 PS, dem ein 41-PS-Elektromotor zur Seite steht - um je nach Betriebszustand Leistung zu addieren, um reinen Elektroantrieb herzustellen (sehr kurz) oder um, als Generator getaktet, die Lithium-Polymer-Akkus nachzuladen. Hierfür werden sie von der Schubleistung (etwa beim Bergabrollen) oder vom Benzinmotor angetrieben. Kompliziert? Ei freilich. Aber es funktioniert. Zumal die technische Feinabstimmung samt Sechsstufen-Automatikgetriebe sehr geschmeidig ist. Kaum festzustellen, ob man im Benzin- oder Elektromodus fährt. Leider doch meist mit Benzinantrieb, denn die Akkuleistung reicht meist nur zum Anfahren und Wegrollen bis Tempo 25; selten, dass in einer Tempo-Hundert-Gleitphase der Elektroantrieb einspringt, was im Fachjargon neuerdings als Segeln bezeichnet wird. Die von mir verbrauchten 27,3 mpg des im Testwagen noch amerikanisch auswertenden Bordcomputers entsprechen unseren 8,6 l/100 km. Keine Revolution, aber sehr anständig.
Alle Systemzustände sind in einer bildhaften Monitordarstellung über der Mittelkonsole abzulesen. Damit bloß nichts zu einfach erscheint, kann man zwischen verschiedenen Darstellungen wählen und darf beispielsweise zusehen, wie der E-Antrieb die Weltkugel nährt oder wie aufstiebende grüne Blätter dem Auto entweichen.
Wir sind halt alle in einer Pionierphase, was den neuen Umweltgedanken betrifft, und wie bei der Frauenemanzipation muss man anfangs immer stärker auf den Putz hauen, damit sich die Dinge später auf ein verträgliches, aber gesteigertes Maß einrichten.
Insofern ist der Preisanstieg moderat gehalten. Gegenüber dem erwähnten Dieselmodell wird der Hybridwagen um ungefähr fünftausend Euro teurer sein, wenn er dann im September nach Österreich kommt, soll also in der voll ausgestatteten Version um die vierzigtausend Euro kosten.
Was sagen uns diese Fahrzeuge? Erstens, dass wir in einer Welt der grandiosen Auswahlmöglichkeiten leben. Zweitens, dass wir davon bereits leicht überfordert sind. Drittens, dass nie rastender Menschengeist beständig daran arbeitet, komplizierte Balancesysteme zu schaffen, von denen man nicht weiß, ob sie für unsere äußere oder innere Gleichgewichtung geschaffen sind. Dafür, dass wir dabei zumindest gut aussehen, sorgen Leute wie Peter Schreyer.