Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Sparen wie ein Duschkopf

Sparen wie ein Duschkopf

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Der Klimawandel bringt erstaunliche Autos mit sich. Weil das von praktisch allen Herstellern in Eile hervorgezauberte Elektroauto nicht praxisgerecht funktioniert, wird auf Komplikationsstufe zwei geschaltet: Das Fahrzeug mit zwei kombinierten Antrieben. Hybrid – gebündelt, gekreuzt.

Im Grunde sind ja alle herkömmlichen Autos Hybrid­autos. Notfalls kann jeder mit der Starterbatterie ein paar Meter ­voranruckeln, falls gerade auf dem Bahnübergang der Treibstoff ausgegangen ist. (Jedenfalls wurde das früher in den Zivilschutzfilmen gern demonstriert.) Das ist dann schon ein Hybridantrieb. Auch teure Autos wie der äußerst aufwendig konstruierte Infiniti M35h vollführen im Grunde nichts anderes, nur ist die Speicherbatterie um einiges größer und der Elektromotor um einiges stärker. Und er hilft nicht nur beim Anfahren, sondern auch gern unterwegs, sofern er (vom Benzinmotor und dank Schubbetrieb beziehungsweise Bergabrollen) gut geladen ist.

Nachteil der Angelegenheit: Man führt die doppelte Komplikation mit sich; ein Antriebssystem liegt meist brach, wenn das andere im operativen Modus ist. Aber gezahlt hat man für beide, und gewartet werden müssen sie auch, was wiederum einen hohen Mehraufwand an Mechanikerschulung, an Werkzeug- und Servicebedarf nach sich zieht.

Es scheint sich die Meinung durchzusetzen, dass signifikantes Sparen nur mit erhöhter Technikkonzentration machbar ist. Einfaches Reduzieren geht nicht, das wäre ein Rückschritt. Doch wir können die Gesetze der Natur auch mit höchstem Aufwand nicht dazu überreden, einmal ein Auge zuzudrücken. Was Autos wie der Infiniti auf der einen Seite einsparen, kostet anderswie und anderswo, bis hin zur Entsorgung. Auch die Elektronik ist keine reine Abstraktion der Schaltkreise, sondern handfeste Ressourcen-Ware mit zweifelhaften Implikationen. Modernes Sparen ist meist nur ein Verschieben der Schwerpunkte dorthin, wo man es gerade nicht sieht. Wenn beim Elektroauto kein Rauch herauskommt, dann eben vermehrt beim Braunkohlekraftwerk. Und je mehr Windkraftwerke es gibt, desto mehr Bürger­initiativen gegen die Verschandelung der Landschaft entstehen. Als ich 2005 in London beim Life 8-Konzert war (eine von acht simultanen Veranstaltungen), wurden Programmhefte ausgegeben. Darin berichteten Stars, wie sie sich das neue Sparen vorstellen: Die Newcastle White Sox (der Originalname ist mir entfallen) schworen, dass sie ihre Teamdressen ab jetzt nur noch mit 30 Grad waschen würden. Und ein Starlet verkündete ganzseitig, dass sie in Zukunft nur noch mit einem speziell wassersparenden Brausekopf ­duschen würde. Da half auch der in Echtzeit eingespielte Al Gore nichts mehr.

Wirklich nützen kann nur wirkliches Sparen. Wir wären ganz schön überrascht herauszufinden, was das eigentlich bedeutet und wie es wäre, auf den Pro-Kopf-Energieverbrauch von – bleiben wir gnädig – 1973 hinuntergedimmt zu werden. Doch jetzt ist Sparen Plus angesagt – in der 65.000-Euro-­Liga, samt Bose-Soundsystem, Spurverlassenswarner, Auffahrwarnsystem, Forest AirTM Klimaautomatik und Eco-Pedal.

Der Fahrer wird nach dem Einsteigen fürsorglich an das sich seinerseits entgegensenkende Lenkrad herangeführt (Strom ist ja genug da), und sollte man (im Schnee) ein wenig ins Rutschen kommen, packt sofort der Gurt zu und strafft dich um zwei Kleidergrößen zusammen. Beim Lastwagenüberholen wirft sich die Scheibenwischautomatik mit Tormann-Reaktion in die Bresche gegen das Spritzwasser. Man bedient sich der elektronischen Abstandsregelung, was ein Autofahren jenseits des Autofahrens begründet, aber insofern modernisiert ist, als der Wagen in Kreisverkehren (wenn der Vordermann plötzlich um die Kurve abhandenkommt) nicht wild zu beschleunigen beginnt. Der Spurwarnmechanismus hingegen ist nur lästig, weil er jegliche überfahrene Mittellinie signalisiert, und muss händisch nach jedem Fahrtantritt deaktiviert werden, was wiederum eine ungeplante Gefahrenquelle birgt, als das Knöpfchen sich irgendwo links unten vor dem Knie befindet und man abgelenkt dort herumfummeln muss. Einfach den Assistenten beibelassen? Ich glaube, das könnte einen wesentlichen Schritt in Richtung Heiligsprechung darstellen.

Sonst aber: Grande Limousine, schönes gediegenes Interieur, hübsche Mäusekinos für den Energy flow, gezielt klassische Analoguhr, aber sehr nachdenkliches Sieben-Gang-Automatikgetriebe, dem man am besten durch Fahrstufe Sport beikommt, dann geht es auch in der Stadt hurtiger ­voran und hinten wird den Passagieren weniger schlecht.

Der ruhige V6 leistet 306 PS, der E-Motor legt seine 68 dazu, und wer sich von all dem Sparsamkeitsaufwand ringsum angespornt fühlt, kann die hundert Kilometer mit 7,5 Litern Verbrauch meistern.

Übrigens die Waldesluft (per Klima-Taste abrufbar): Sie wurde in der Blindverkostung einstimmig als Turnschuh ­erkannt.

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