Autochtone Weinsorten in Europa
Von Manfred Klimek
Wenn man im portugiesischen Douro-Tal mit einem einheimischen Winzer durch die Weinberge streift, erfährt man schnell von der unglaublichen Sortenvielfalt des Landes und seiner Regionen; eine Vielfalt, die in unseren Weinregalen kaum ankommt. Das hat verschiedene Gründe. Der wichtigste ist wohl, dass die Weine in der Region selber getrunken werden. Und das ist auch gut so.
Doch ein anderer Grund ist die mangelnde Bereitschaft von Importeuren und Gastronomen, diese Weinvielfalt auch zu verbreiten. Gerade die portugiesische Weinwirtschaft hat zuletzt viele (mäßig erfolgreiche) Versuche unternommen, ihren besten und prominentesten Sorten in Europa zu Bekanntheit zu verhelfen. Doch die Reaktionen auf Alvarinho (Vinho Verde), Encruzado, Fernao Pires, Trajadura, Viosinho (alle weiß), Touriga Nacional, Piriquita, Touriga Franca, Tinta Amerela, Camarate, Bastardo, Jaen du Dao, Amostrinha, Tinta Barocca, Borracal, Rufete, Tinto Cao, Baga (alle rot) blieben verhalten. Auch klar: All diese Weine müssen den Konsumenten erst erklärt werden. Wofür steht die Sorte? Wie schmeckt sie? Ist sie reinsortig besser? Oder in der Cuvée? Die Vielfalt und die Vielfalt der Fragen, die diese Viefalt aufwirft, tun sich nur wirkliche Weinenthusiasten an.
Und immer noch ist nicht alles erforscht, was da in Portugal auf den Hängen wächst. Manche Traube kennt nicht einmal ein erfahrener Winzer. Und manch unbekannte Traube wächst nur auf wenigen Stöcken in einem Weingarten, der eine ganz andere Sorte beherbergt. Ein Paradies für Genetiker.
In Spanien und Griechenland herrschen ähnliche Verhältnisse. Gerade Griechenland könnte viel zur europäischen Weinvielfalt beitragen, wenn die Winzer der unbekannten (und kälteren) Regionen an der albanischen und mazedonischen Grenze endlich eigene Marken entwickeln würden, anstatt das aus seltenem Traubenmaterial Gekelterte an massenverarbeitende Großkellereien abzuliefern, die daraus Plörre fabrizieren, die für wenig Geld in den Tourismusgebieten landet.
Eine andere Art autochthoner Vielfalt findet man in den ehemaligen Staaten des irreal realen Sozialismus. Hier wurde in den Rebzuchtanstalten geforscht, geklont und gezüchtet, was die Sorten hergaben. Das Ziel waren nicht bessere, sondern widerstandsfähigere Trauben. Einige in den Instituten beschäftigte Winzer widersetzten sich dem Parteidiktat und klonten, was ihnen gefiel. Das größte Widerstandsnest befand sich in der staatlichen tschechoslowakischen Weinanstalt in Valtice, wenige Meter von der österreichischen Grenze entfernt.
So trinkt man in Brünn oder Bratislava schon mal einen bei uns unbekannten Alibernet (Alicante x Cabernet-Sauvignon). Oder einen Andre (wie der St. Laurent eine Kreuzung aus Blaufränkisch und Zweigelt), einen Neronet (St. Laurent x Blauer Portugieser) und einen Cabernet Moravia (Cabernet Franc x Zweigelt). Für viele dieser jetzt zum Rebschatz Mährens und der Slowakei gehörenden Weine ist Lubomir Glos verantwortlich, ein inzwischen steinalter Weinmacher, der bei seinen Besuchen in Frankreich Reben ausgrub und sie illegal in den Osten brachte.