Bad News

Bad News

Drucken

Schriftgröße

Es gibt zwei Arten von Leserbriefen, die besonders bewegen. Die eine Art: Briefe von Studenten und Schülern. Sie zeigen ausnahmslos eine wilde Frische. Sie vernichten jede Angst vor der Zukunft. Die zweite Art: Briefe eleganter Wiener Damen, die ein hohes Talent haben, die Stimmung des Fin de Siècle um die Jahrhundertwende 1900 aufzurufen, mit viel Witz, höflichem Stil und teurem Bütten. Mein goldener Brief dieser Art kam von der Witwe des großen Albertina-Chefs, Schriftstellers und Kunstpädagogen Walter Koschatzky. Sie bedankte sich in unvergesslicher Manier für meinen profil-Nachruf auf ihren Mann. Ich schrieb einen Antwortbrief und will mich zusätzlich in dieser Kolumne verbeugen.

Den silbernen Brief dieser Art, also den zweitbesten nach Frau Koschatzky, darf ich auf ausdrücklichen Wunsch der Absenderin nicht etikettieren. Das ist schade, da er zu dieser Kolumne führte. Außerdem war er dialektisch witzig: Ich würde sie, schrieb die profil-Leserin, irgendwie ungünstig an ihren verwichenen Mann erinnern: „Zwar war es angenehmer, mit ihm zu leben als mit einem unserer legendären grantigen Oberkellner. Mein Mann liebte das Leben, unsere Zeit und war beinahe besessen in seiner Liebe zu Österreich. Wenn ich ihn allerdings bat, endlich seine unvermeidlichen Frustrationen zu artikulieren, zog sich der Hasenfuß in sein Innerstes zurück und schwieg. Wahrscheinlich sind Sie auch so. Gott schütze Ihre Frau oder Geliebte.“

Liebe gnädige Frau, Sie haben mich auf dem richtigen Hasenfuß erwischt. Als eitler Mann würde ich mir niemals Feigheit vorwerfen lassen. Hier also meine Frustrations-Sammlung, meine Bad News in einer Kolumne, die Good News
heißt. Mehr kann man für seine treuen Leser nicht tun.

Vorausschicken muss ich allerdings, dass mir echte Seelenverkühlung ab ovo fremd ist. Selbst im Phänomen Tod sehe ich den Vorzug, das Leben spannend zu machen.

Bad News 1: Von News kann eigentlich nicht die Rede sein, wenn ich beklage, die Österreicher kochten im eigenen Sud. Sie kommen selbst von Reisen fast unverändert zurück.

Zwar hat schon allein Nikolaus Lauda mit seiner Lauda Air (heute AUA) und jetzt mit seiner Fly Niki (Good News! Wann hatte je ein Unternehmer eine Hauptkonkurrenz seines Namens?) halb Österreich über die Grenzen verschleppt. Er kann nichts dafür, dass sie so wenig daraus machen. Wenn du drei Kilometer von den Sonnenstränden landeinwärts fährst, bist du allein. Kein Schwein interessiert sich für die Kultur im Landesinneren. Kaum einer, der Mallorca oder Ibiza bereist und wenigstens „Olé“ oder „Hasta la vista“ lallen kann.

Ich schaffe allerdings den Umstieg vom Optimisten ins Trauerfach nur künstlich. Ich sehe auch in diesem Fall Gutes. Auch der dumpfeste Ballermann-Säufer hat statt der geschnitzten Gams in seinem Stammwirtshaus auf der Sonneninsel ein Fischernetz vor sich. Das erhöht seine Sinneseindrücke um 100 Prozent. Schon 32 Generationen später wird sich dieser Fortschritt verzinsen. Die Familie wird einen neuen Lawrence of Arabia hervorbringen. Biografen werden dann enthüllen, dass in den Anfängen des Helden die Herren Nikolaus Lauda und Vagn Sørensen eine große Rolle spielten. Sie stellten die Weichen der Lawrence-Familie um drei Grad ins Bessere.

Bad News 2: Die Gravität der ÖsterreicherInnen zur Sorge. Das fällt nicht nur uns selbst auf, sondern auch innigen und klugen Freunden. Zum Beispiel dem feschen Professor Holger Rust, Hamburg. Er wirkte segensreich am Publizistik-Institut in Wien, ehe er zurückgerufen wurde auf die Bäume Norddeutschlands. Jüngst hielt er einen reich akklamierten Vortrag im Casino Baden. Darin hörte man dies:
„Diese unterschiedlichen Mentalitäten bei Bar-Gesprächen! Essen und Getränke waren es in Frankreich. Geschäfte, wenn man einen Bourbon mit Amerikanern trank. Frauen und Politik in Italien. In Österreich und Deutschland aber herrschte ein vager Pessimismus und die Angst vor Veränderungen und die Frage, wie man ihnen möglichst systematisch begegnen könnte. Was in Deutschland hieß,
ihnen vorauszueilen, in Österreich, ihnen auszuweichen.“
Schöner geht’s nicht. Punktum und basta also?
Keineswegs.

Der Good-News-Professor in mir schreit dabei wie am Spieß. Besser, ich zitiere einen Unberührbaren in meinem Sinn, Robert Löffler vulgo „Krone“-Telemax. Wir trafen einander zuletzt in den Wachauer Ateliers des Malerfreundes Adolf Frohner. Löffler, erfrischt vom Federspiel des Toni Bodenstein (Weingut Prager), entwickelte eine Theorie, die so absurd war, dass sie einen Salto schlug und mit beiden Beinen sicher landete.

Sinngemäß sagte Telemax: „Wir spielen nur die Verzagten und Verdrängenden, um unsere Gegner in Sicherheit zu wiegen und schließlich eingelullt zu schlagen.“
Gibt es gar keine Bad News, die seriöse Sorgen machen?

Meines Erachtens gibt es zwei, eine nationalökonomische und eine humanistische. Wie sie heißen, wie sie aufgelöst werden können und warum Wolfgang Schüssel als bestgeschulter Ökonom aller EU-Kanzler dabei sein Meisterstück liefern könnte – siehe nächste Kolumne.