Gerhard Randa: Die Geister, die er rief

Banken: Die Geister, die er rief

Eine Ikone tritt ab. Die Chronik eines Scheiterns

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Der Ort der Zusammenkunft hätte beziehungsreicher kaum sein können. Am Mittwoch vergangener Woche versammelten sich gegen 15.30 Uhr gut drei Dutzend Führungskräfte der Wiener Bank Austria Creditanstalt und ihrer Münchner Mutter HypoVereinsbank im Festsaal des BA-CA-Repräsentationsgebäudes Am Hof Nummer zwei in Wien.

Am 6. Oktober 1848 war eine aufgebrachte Menge in das Innerste des damaligen k. u. k. Kriegsministeriums eingedrungen und hatte Minister Theodor Graf Baillet-Latour kurzerhand gelyncht – der Beginn der Oktoberrevolution.

Blut sollte beim turnusmäßigen „Bereichsvorstandstreffen“ von BA-CA und HypoVereinsbank 156 Jahre später zwar keines fließen. Und doch wurden die Teilnehmer an diesem 1. Dezember 2004 unverhofft Zeugen einer kleinen Revolte.

Unmittelbar im Anschluss an den aus München herbeigeeilten Konzernchef Dieter Rampl ergriff sein Vorstandskollege und BA-CA-Aufsichtsratspräsident Gerhard Randa das Wort. Was sich in den darauf folgenden Minuten abspielte, sorgt in den Couloirs beider Banken seither für hitzige Diskussionen. „In der heutigen Medienlandschaft“, so Randa an Rampls Adresse, „wird gerne zwischen Guten und Bösen unterschieden, zwischen Siegern und Verlierern. Ihre Burschen in München setzen alles daran, Sie zum Sieger zu stilisieren. Das verstehe ich, das habe ich früher auch gemacht. Aber wenn Sie auf Dauer wirklich ein Powerman sein wollen, dann werden Sie irgendwann auch Powerzahlen liefern müssen. Ich stelle meine Zeit jedenfalls nicht zur Verfügung, um weiterhin gegen Gummiwände zu rennen.“ Patsch.

Rampl, berichten Zeugen, sei im ersten Moment buchstäblich der Mund offen geblieben. Ein hochrangiger Manager der BA-CA: „Er hat ziemlich verdutzt dreingeschaut. Uns anderen war das ausgesprochen peinlich.“

Keine 60 Stunden zuvor hatte Gerhard Randa die Finanzwelt mit einem Coup überrascht, der vordergründig keinen Sinn ergeben hatte: Vier Jahre nach der Übernahme der BA-CA durch die bayerische Großbank kehrt der heute 60-jährige Wiener Banker dem Konzern den Rücken. Zur Hauptversammlung im Mai 2005 wird Randa sein HVB-Vorstandsmandat, die damit verbundene Verantwortung für Österreich und Zentraleuropa sowie den Aufsichtsratsvorsitz bei der Bank Austria Creditanstalt zurücklegen. Vorzeitig. Sein Vertrag wäre noch bis Ende 2006 gelaufen. Randa: „Wäre es nach mir gegangen, ich hätte mich schon mit Ende dieses Jahres zurückgezogen. Aber die Kollegen meinten, es sei klüger, bis zur Hauptversammlung zu warten“ (siehe Interview).

Der Machtkampf. Sosehr sich die Medienberater von Konzernchef Rampl auch mühten, die Demission in den Tagen darauf zu einer reinen „Verjüngung“ des Vorstands – mit Christine Licci, 40, und Johann Berger, 44, treten zwei neue Vorstände an – herunterzuspielen: Randa geht, weil er in einem erbitterten Machtkampf gegen seinen an Jahren kaum jüngeren Landsmann Dieter Rampl (der 57-jährige gebürtige Tiroler hat bis heute einen österreichischen Pass) den Kürzeren gezogen hat. Ein enger Vertrauter Randas: „Gerhard hat sich bereits vor Monaten bei mir beklagt, dass in München gegen ihn Stimmung gemacht würde. Es überrascht mich, dass er es letztlich so lange ausgehalten hat.“ Nämlicher reagiert, darauf angesprochen, eher ausweichend: „Es hat keine offenen Konflikte gegeben. Ich gehe freiwillig und ohne jeden Groll. Außerdem habe ich es nicht notwendig, mich auf dieses Niveau zu begeben.“

Randa hatte sich im April 2003 nach acht Jahren an der Spitze von Österreichs größter Bankengruppe in den Vorstand der Münchner Mutter HVB zurückgezogen, um dort auf Konzernebene neben dem Österreich- und Osteuropa-Geschäft auch den hochsensiblen Bereich „Operations“ (er umfasst im Wesentlichen alle Abläufe im Bankgeschäft) zu verantworten. Die HVB steckte zum damaligen Zeitpunkt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Nach einem Abgang von 821 Millionen Euro 2002 liefen bis zum Jahresende 2003 nicht weniger als 2,6 Milliarden an Verlusten an. Um an dringend benötigtes Kapital zu kommen, musste die HVB noch im Sommer 2003 Teile der vergleichsweise hochprofitablen BA-CA wieder über die Börse verkaufen.

Mit überschaubarem Erfolg. Für heuer rechnet die HVB mit einem Konzerngewinn von gerade einmal 940 Millionen Euro – bei der ungleich kleineren Tochter Bank Austria Creditanstalt werden es an die 800 Millionen Euro sein.

Die Bilanz. Dass der einst so stolze „bayerische Finanzmuskel“ HVB heute kaum mehr als eine panierte Hendlbrust ist, mag nicht Randas Schuld sein. Er hat aus seinem Bereich seit 2003 rund 1,5 Milliarden Euro an Kosteneinsparungen herausgeschlagen und die Ertragsnöte der HVB solcherart erheblich entschärft. Zitat aus einer aktuellen Analyse des ob seiner gemeinhin schonungslosen Statements berüchtigten Merrill-Lynch-Bankexperten Stuart Graham: „Gerhard Randa hat einen sehr guten Job gemacht.“

Randa muss sich freilich nachsagen lassen, in München an eben jenen Charakterzügen gescheitert zu sein, die ihn innerhalb von vier Jahrzehnten von der Ultimoaushilfe in einer Filiale der Zentralsparkasse zu einem der einflussreichsten Banker Österreichs gemacht hatten: Ehrgeiz, Machthunger und Kaltschnäuzigkeit, garniert mit einer Melange aus Eitelkeit, Misstrauen und einem mitunter recht entspannten Verhältnis zur Wahrheit. Legendär etwa sein Dementi zur beabsichtigten CA-Übernahme Ende 1996, die er kurz zuvor noch als „Karnevalsscherz“ abgetan hatte. Erheiternd auch seine Erläuterungen in einem vorjährigen profil-Interview (profil 14/03) zu der zunächst heftig dementierten Rückkehr der BA-CA an die Börse:

profil: Wir haben Sie auf einen Börsegang angesprochen. Worauf Sie die Öffentlichkeit wissen ließen, ich darf zitieren: „Das sind dumme Hirngespinste.“
Randa: Zum damaligen Zeitpunkt waren das für mich dumme Hirngespinste.
profil: Herr Randa, das war, mit Verlaub, vor eineinhalb Monaten.
Randa: Mag sein. Ich bin vor vier oder fünf Tagen in München das erste Mal mit der Variante eines Börsegangs konfrontiert worden.
profil: Gestatten Sie die Frage, wie es möglich ist, dass profil bereits im Februar davon Kenntnis hatte, Sie aber erst seit fünf Tagen?
Randa: Die Frage kann ich nicht beantworten.
profil: Es ist ja wohl nur schwer vorstellbar, dass wir besser informiert sind als Sie.
Randa: Woher soll ich wissen, was irgendwo irgendwer denkt? Ich bin ja nicht der liebe Gott.

Gerhard Randa hat im Laufe seiner Karriere selten bis gar nicht das Bedürfnis verspürt, seine Handlungen vor Dritten zu rechtfertigen. Ein prototypischer Einzelkämpfer. Randa über Randa: „Ich musste mich irgendwann entscheiden zwischen beliebt sein und erfolgreich sein. Ich habe mich für den Versuch entschieden, erfolgreich zu sein.“

Eine Haltung, mit der er sich weder in Wien, schon gar nicht aber in München Freunde gemacht haben dürfte. Nicht nur einmal, heißt es, seien Randas Anweisungen von den nachgeordneten HVB-Stabsstellen verschleppt worden. Ein hochrangiger Banker: „Manche seiner Leute waren in einer Art permanentem Bummelstreik.“

Die Gummiwand. Auf die Unterstützung von Dieter Rampl konnte Randa offenbar nicht bauen. Der Konzernchef, der 2002 die Nachfolge von Albrecht Schmidt angetreten hatte, soll in ihm mehr einen Rivalen als einen Kombattanten gesehen haben – und sich darob mehr um seinen Vorstandsvorsitz als um das Schicksal der Bank gesorgt haben. Randa bestreitet freilich bis heute jedwede Karriereintrige: „Ich wollte ganz sicher nicht der Kapitän sein. Ich wollte Tore schießen.“

Es ist eine feine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet jener Mann, der jahrelang einem Bulldozer gleich durch Österreichs Bankwesen donnerte, an, wie er sie nennt, „Gummiwänden“ in München zum Stehen kam. Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk, zugleich Gründungspräsident der Bank Austria: „Gerhard Randa ist über seine eigenen Wadeln gestolpert“ (siehe Interview). Ein ehemaliger CA-Vorstand bemüht das Matthäus-Evangelium: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“

Konter von Randas langjährigem Mitstreiter und BA-Rechtsberater Ewald Weninger: „Ich orientiere mich nicht nach österreichischen Binnenkonkurrenten oder deren Sprachrohren, sondern nach der internationalen Finanzwelt. Wenn ich deren Signale richtig deute, hat die Währung Randa dort eine Aufwertung erfahren.“

Tatsache ist, dass Gerhard Randa für österreichische Verhältnisse in jeder Hinsicht Maßstäbe gesetzt hat. Das attestieren ihm sogar seine härtesten Widersacher. Nur am Wie scheiden sich die Geister. Der Wiener Geschäftsmann Herbert Cordt, 1991 von Randa unsanft aus dem Länderbank-Vorstand entfernt: „Er ist ein hochintelligenter Mann, der vieles zuwege gebracht hat. Aber er ist auch ein Heckenschütze. Er knallt dich von hinten ab, ohne dir dabei in die Augen zu schauen.“ Guido Nikolaus Schmidt-Chiari, der die Übernahme durch die Bank Austria einst ebenso leidenschaftlich wie erfolglos bekämpft hatte: „In unserem Hause hatte es für die Mitarbeiter so etwas wie einen Vertrauensvorschuss gegeben. Bei Randa gibt es allenfalls einen Misstrauensvorschuss.“

Und doch bekennt selbst Schmidt-Chiari („Der Verkauf der Creditanstalt an die Bank Austria war ein Fehler, jener an die Deutschen ein noch viel größerer“) nach einer kurzen Nachdenkpause ein: „Mit Randa geht uns ein Farbtupfer verloren.“