Nach dem Bawag-Verkauf an Cerberus

Banken: Geheul und Schrecken

Warum die Heuschrecken über Österreich herfallen

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„Ein Untier, wild und seltsam, Zerberus,
Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen
Jedweden an, der dort hinunter muss.
Schwarz, feucht der Bart, die Augen rote Höhlen,
Mit weitem Bauch, die Tatzen scharf beklaut,
Vierteilt, zerkratzt und schindet er die Seelen.“

Aus Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“

Am Ende siegte doch der schnöde Mammon. Hätte der Österreichische Gewerkschaftsbund die Wahl gehabt, wäre der erklärte Klassenfeind wohl nie zum Zug gekommen. Hätte es aber den Bawag-Skandal nicht gegeben, wäre der ÖGB erst gar nicht vor der Qual gestanden.

Tja.

Freitagabend vergangener Woche, nach Redaktionsschluss, sollten Vertreter von ÖGB und dem US-amerikanischen Private-Equity-Fonds Cerberus Capital Management mit ihren Unterschriften einen Deal besiegeln, der das Land über Monate in Atem gehalten hatte: den Verkauf der skandalumwitterten Gewerkschaftsbank Bawag.

Die Amerikaner, unterstützt von österreichischen Investoren um SPÖ-Finanzminister a. D. Hannes Androsch, zahlen dafür in Summe 3,2 Milliarden Euro – 2,6 Milliarden erhält der klamme Gewerkschaftsbund, 600 Millionen sollen der Bank selbst zugeführt werden, um die Reserven zu stärken.

Cerberus, der dreiköpfige Höllenhund aus der griechischen Mythologie, wird fortan also im übertragenen Sinne über das Schicksal der Wiener Bank für Arbeit und Wirtschaft wachen.

Ausgerechnet.

Die Gruppe hat das Rennen gemacht, weil sie schlicht den höchsten Preis zu zahlen bereit war. Und weil der ÖGB ohnehin keine Optionen hatte. Von den zunächst zahlreichen Bankhäusern, die sich für die Bawag interessiert hatten, war zuletzt nur mehr die Bayerische Landesbank übrig. Und deren Rolle im Bawag-Skandal – sie war zwischen 1995 und 2003 Mitaktionär des Instituts – ist bis heute odios. Womit sich der ÖGB schwer einzuschätzenden Risiken ausgesetzt hätte (profil berichtete).

Blieben also die Vertreter einer Branche, der hierzulande bislang eher wenig Öffentlichkeit zuteil geworden ist: Private-Equity-Fonds.

In der fortgeschrittenen Phase des Verkaufs waren neben Cerberus überhaupt nur mehr Mitbewerber wie Lone Star, Apollo oder JC Flowers im Rennen. ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer hatte in gewisser Weise und bildlich gesprochen eigentlich nur mehr die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Die Fondsgesellschaften eint ein Geschäftsmodell, welches mit gewerkschaftlichen Leitsätzen so gar nichts gemein hat: das verbissene Streben, Gewinne zu maximieren. Um nahezu jeden Preis. Dabei lassen sie sich auch von Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Betriebsräten nicht beirren.

Schlechter Ruf. Im deutschen Sprachgebrauch werden die Investoren dieser Gattung seit einiger Zeit mit dem wenig schmeichelhaften Epitheton „Heuschrecke“ tituliert. Geprägt hat den Ausdruck der frühere SPD-Parteivorsitzende und nunmehrige deutsche Vizekanzler Franz Müntefering, der im Herbst 2004 vor „verantwortungslosen Heuschreckenschwärmen“ warnte, die „im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben“.

Der Begriff ist inzwischen in den Sprachgebrauch übergegangen – sollte jedoch bedächtig benutzt werden.

Bereits die Nazis hatten sich der Ungezieferdiktion bedient, wenn es galt, jüdische Geschäftsleute zu diffamieren. Konkrete Hinweise darauf finden sich unter anderem in dem jüngst veröffentlichten Historikerbericht zur Rolle von Creditanstalt, Länderbank und Zentralsparkasse(heute: Bank Austria Creditanstalt) in der NS-Zeit (profil Nr. 49/06). Im Bericht wird unter anderem auf Äußerungen des damaligen CA-Vorstandes Ludwig Fritscher Bezug genommen: „Direktor Fritscher, der im Februar 1944 eine Rede über Österreichs wirtschaftlichen Niedergang nach 1918 hielt und sich dabei angesichts der Zeichen des bevorstehenden Zusammenbruchs bemerkenswert ungerührt gab, führte die katastrophale Entwicklung zwischen 1918 und 1938 in erheblichem Ausmaß auf den jüdischen Einfluss in allen Lebensbereichen … zurück und legte sie vor allem den osteuropäischen Juden zur Last, die wie ein ,Heuschreckenschwarm‘ Börse und Aktienmärkte befallen und manipuliert hätten.“

Der Begriff „Private Equity“, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie „privates Beteiligungskapital“, ist freilich nachgerade euphemistisch. Gemeint sind damit nicht Investitionen privater Gönner, die sich an Unternehmen beteiligen, um diese mittels generöser Kapitaleinschüsse in eine gloriose Zukunft zu begleiten.

Die Fonds sammeln vielmehr weltweit Geld bei Anlegern ein, um dieses in Akquisitionen zu stecken. Das Risiko ist hoch, die verheißenen Renditen noch höher. Unter 20 Prozent im Jahr rühren die Fondsmanager gemeinhin keinen Finger.

Und weil immer mehr Anleger dem Reiz des schnellen Geldes erliegen, haben die Fonds immer Geld in den Kassen. Nach Erhebungen der europäischen Dachorganisation EVCA (European Private Equity and Venture Capital Association) hatten die Anbieter weltweit allein 2005 rund 260 Milliarden Euro eingesammelt.

US-Erfindung. Das Phänomen mag in Europa vergleichsweise rezent sein, in den USA sind die Investoren seit Jahrzehnten zugange. Der Welt größter Anbieter, Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR), etwa machte bereits 1989 mit der wilden Übernahmeschlacht um den US-Tabak- und Nahrungsmittelhersteller RJR Nabisco international Schlagzeilen. Die rüden KKR-Geschäftsmethoden lieferten den Stoff für den Bestseller „Barbarians at the Gate“ von Bryan Burrough und John Helyar.

Barbaren, Höllenhunde, Heuschrecken.

Deren zunehmende Umtriebe in Europa waren renommierten deutschen Magazinen ausführliche Analysen wert. „Die Gier des großen Geldes“, titelte etwa „Der Spiegel“: „Ob Fernsehsender, Maschinenbauer oder Automobilzulieferer: Internationale Finanzinvestoren kaufen immer größere Teile der deutschen Wirtschaft auf. Die neuen Herren verfolgen vor allem drei Ziele: Profit, Profit, Profit.“

Das „manager magazin“ wiederum schrieb ehrfurchtsvoll von den „heimlichen Herrschern“, die in „deutschen Konzernen die Macht übernehmen – und die Vorstände das Fürchten lehren“.

In Österreich hielten sich die Schreckensmeldungen bislang in Grenzen. Was vornehmlich daran liegen dürfte, dass noch vergleichsweise wenige Unternehmen ins Visier der Firmenjäger geraten sind.

Nach Erhebungen der EVCA lagen die Investitionen der Private-Equity-Branche 2005 – jüngere Zahlen sind noch nicht verfügbar – hierzulande bei gerade einmal 0,08 Prozent des Bruttoinlandsproduktes oder kaum 200 Millionen Euro. Damit lag Österreich europaweit im letzten Drittel, weit hinter Dänemark (1,2 Prozent), Schweden (0,86 Prozent), Großbritannien (0,67 Prozent) oder auch Deutschland (0,25 Prozent). Immerhin: Vor wenigen Jahren noch war Österreich überhaupt Letzter im Ranking.

In einer vor wenigen Jahren veröffentlichten Analyse kam das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zu folgendem Resümee: „Neben dem traditionell unterentwickelten Kapitalmarkt und der dominierenden Rolle des Bankkredits als bevorzugter Quelle externer Kapitalaufbringung hängt das auch mit der Tatsache zusammen, dass in Österreich die Produktionsstrukturen durch ein Übergewicht traditioneller, bestenfalls dem mittleren Technologiesegment angehörender Industriezweige geprägt sind.“

Was das Wifo unerwähnt ließ: Auch der Einfluss von Betriebsräten und Gewerkschaften dürfte einiges verhindert haben. Bislang. Spätestens mit dem Bawag-Verkauf werden die Argumente und Reservationen der Arbeitnehmerfunktionäre wohl erheblich an Gewicht eingebüßt haben.

Keine Samariter. Die neuen Herren des Geldes sind alles, nur nicht selbstlos. Speziell in Deutschland häufen sich die Beispiele von Unternehmen, die geschluckt, filetiert und anschließend wieder verkauft wurden. Oftmals einziger Gewinner am Ende: die Fonds selbst.

Da werden den Beteiligungen nicht immer nachvollziehbare „Managementgebühren“ ebenso abgepresst wie teils kolossale „Sonderdividenden“. Meist finanzieren die Investoren Deals mittels Krediten und wälzen diese anschließend umstandslos auf die Unternehmen ab. Und: Nach kaum mehr als fünf Jahren ist der Spuk in aller Regel vorbei – dann muss ein profitabler Exit her.

So geschehen etwa beim oberösterreichischen Automobilzulieferer Polytec. 2000 hatte sich die Schweizer Fondsgesellschaft Capvis Equity Partners mehrheitlich eingekauft – 2006 wurde Polytec, ungeachtet eines schwierigen Branchenumfeldes, an die Wiener Börse gepusht. Capvis machte dank eines ambitionierten Ausgabepreises ordentlich Kasse – danach begab sich die Aktie auf Sinkflug.

Beim Vorarlberger Leuchtenhersteller Zumtobel hingegen hat sich der Aktienkurs seit dem Börsegang im Frühjahr 2006 zwar gut entwickelt. Dass das Unternehmen aber überhaupt notiert, ist weniger dem Willen der Eigentümerfamilie zu verdanken als vielmehr dem Druck des US-Fonds KKR, der heuer nach mehreren mageren Jahren Kasse machen wollte.

Auch bei den wenigen österreichischen Fondsanbietern geht es mitunter resch zur Sache. Das Management der Wiener Unternehmens Invest AG (UIAG) etwa steht bis heute im Visier behördlicher Ermittlungen, weil der früheren Beteiligung Libro Ende der neunziger Jahre unter fragwürdigen Umständen eine Sonderdividende abgerungen worden war, obwohl Libro zu dem Zeitpunkt bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckte. 2001 schlitterte die Handelskette schließlich in die Insolvenz.

Wo Schatten ist, ist auch Licht.

Als der steirische Anlagenbauer Andritz 1999 zum Verkauf stand, machte ein Konsortium um die Carlyle Group gemeinsam mit dem Management das Rennen. 2001 kam Andritz an die Börse und hat sich seither prächtig entwickelt. „All das wäre mit Bankkrediten sicher nicht realisierbar gewesen“, sagt Andritz-Chef und Aktionär Wolfgang Leitner, vom Wirtschaftsmagazin „trend“ jüngst zum „Mann des Jahres“ gekürt. „Es war für alle Beteiligten positiv.“

Der traditionsreiche Wäschehersteller Palmers Textil wiederum musste 2004 nach erbitterten Auseinandersetzungen unter den Eigentümern verkauft werden – an die schweizerische Quadriga Capital. Auch dort von Verbitterung keine Spur. Vorstand Thomas Weber: „Es war den Investoren wichtig, auf die Unternehmenskultur einzugehen, was durch regelmäßigen persönlichen Kontakt zu Menschen im Unternehmen möglich war.“

Beim Autoteile-Händler Forstinger markierte erst der Ausgleich 2001 den Start in eine neue Ära. Das ehemalige Familienunternehmen landete über Umwege im Eigentum der international tätigen Finanzgesellschaft Bridgepoint Capital. Heute kann Forstinger-Geschäftsführer Walter Karger wieder schwarze Zahlen vorweisen. „Deren langjährige Erfahrung war sicher ein wertvoller Input für uns.“

Bloß: Einen Deal in der Größenordnung der Bawag hat es hierzulande noch nicht gegeben. Cerberus zahlt einen wirklich stolzen Preis für einen Laden, der nicht im Handumdrehen saniert werden wird können. Und es wird mehr als nur Fortüne brauchen, um spätestens beim Ausstieg – die Rede ist von fünf Jahren – ordentlich Kasse zu machen.

Es ist nicht restlos klar, ob der ÖGB Zeit hatte, die Tragweite seiner Entscheidung zu überdenken. Die künftige Rolle der viel zitierten österreichischen „Kernaktionäre“ darf getrost als beschränkt betrachtet werden. Die Amerikaner sind jedenfalls keine Anfänger. Der Fonds hat derzeit nach eigenen Angaben weltweit rund 18 Milliarden Dollar investiert und ist damit einer der bedeutendsten Player.

Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Herren bei der Durchsetzung ihrer Ziele in Österreich groß ins Geschäft reden lassen werden.

Von Martin Himmelbauer und Michael Nikbakhsh