Banken/ HVB-Krise: Molto potente

Banken: Molto potente

Wird sie der BA-CA neue Eigentümer bescheren?

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Gerhard Randa hatte gerufen, und sie waren zahlreich erschienen – Exzellenzen, Magnifizenzen, Zelebritäten.

Am Mittwochabend vergangener Woche inszenierte die Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) im Wiener Konzerthaus vor 1700 geladenen Gästen den Abgang jenes Mannes, der dem Haus und dessen drei Vorgängerinstituten Zentralsparkasse, Länderbank und Creditanstalt über mehr als 40 Jahre verbunden gewesen war. Als Ultimoaushilfe, als Kundenberater, Abteilungsleiter, Vorstand, Generaldirektor und schließlich als Aufsichtsratspräsident.

Am 19. Mai wird Gerhard Randa, 60, aus dem Aufsichtsrat der BA-CA ausscheiden. Bereits eine Woche zuvor, am 12. Mai, quittiert er seinen Vorstandsjob beim deutschen BA-CA-Hauptaktionär HypoVereinsbank (HVB), um dort in den Aufsichtsrat einzuziehen.

„Gerhard“, flüsterte der neue BA-CA-Chef Erich Hampel am Mittwochabend ins Auditorium, „es war mir eine Ehre, mit dir gestalten zu dürfen.“

Der designierte Edel-Rentner, der seinen Lebensmittelpunkt nach eigenem Bekunden in die USA verlagern will, genoss das Spektakel in vollen Zügen. Wohl auch deshalb, weil er zu seinem Abschied eine Abfindung von drei Millionen Euro mit auf den Weg bekommt. Und weil ihm künftig erspart bleiben dürfte, wovon er in den vergangenen Jahren ohnehin jede Menge hatte: Ungemach.

Die BA-CA steht 150 Jahre nach Gründung der CA, 125 nach Gründung der Länderbank, 100 Jahre nach Gründung der Zentralsparkasse und fünf Jahre nach der Übernahme durch die HVB erneut vor einer ungewissen Zukunft.

Der einst so stolze deutsche Mehrheitseigentümer, dem traditierten Selbstverständnis zufolge „Bayerns Finanzmuskel“, ist heute kaum mehr als eine panierte Hendlbrust. Nach einem Verlust von 2,1 Milliarden 2003 versenkte die HVB 2004 weitere 1,8 Milliarden Euro.
Ergibt ein Minus von fast fünf Millionen Euro täglich.

Obwohl Konzernchef Dieter Rampl die Bank bereits Anfang 2004 für saniert erklärt hatte; obwohl seit Rampls Amtsantritt im September 2002 gut 6400 Stellen gestrichen wurden; obwohl die HVB dutzende Beteiligungen zu Geld gemacht hat; obwohl erst 2004 rund drei Milliarden Euro über eine Kapitalerhöhung ins Unternehmen geholt wurden; und obwohl die Wiener Tochter BA-CA zuletzt Rekordergebnisse nach München meldete. 2004 fuhr die nach der Bilanzsumme dreimal kleinere BA-CA einen Gewinn vor Steuern von immerhin 836 Millionen Euro ein.

Flucht nach vorne. Die beklemmend schwache Verfassung der HVB war auch der Auslöser für Randas vorzeitigen Rückzug. Randa in seinem bislang letzten Interview im Dezember 2004: „Ich habe meine Vorgaben nicht erreicht. Ich dachte, ich könnte die Kultur des Hauses ändern. Also beispielsweise das klare Bekenntnis zu Effizienz in die Köpfe meiner Kollegen bringen. Die Zahlen sind ja auch nicht so, dass wir mit Stolz darauf verweisen könnten. Also habe ich mir gesagt, wozu soll ich da herumsitzen“ (profil Nr. 50/04).

Ein Postulat, welches nun – mit mehrmonatiger Verspätung – doch noch Wirkung zeitigen dürfte.

Am Dienstag vergangener Woche trat Dieter Rampl, Münchner mit österreichischem Pass, überraschend die Flucht nach vorne an. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ließ er durchblicken, dass sich die HVB entgegen früherer Aussagen einer Fusion mit einem anderen Haus nicht länger verschließen wolle. Rampl: „Italien wäre eine sinnvolle Kombination für uns … Unicredito ist eine von mehreren italienischen Banken, die für uns attraktive Partner sein könnten.“

Der für seine lockere Zunge bekannt-berüchtigte Banker trug damit an die Öffentlichkeit, was in München seit Wochen als offenes Geheimnis gilt: Die HVB wird die immer wieder herbeigeredete Sanierung aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Und will deshalb bei einem starken internationalen Partner unterkommen. Rampl kleinlaut: „Ich stehe auf dem Boden der Tatsachen und weiß, dass wir nicht in der Position sind, einen solchen Partner zu übernehmen.“

Die Liste potenzieller Interessenten ist nicht sehr lang – aber dafür umso prominenter. Der angloasiatische HSBC-Konzern war zuletzt ebenso im Gerede wie die belgisch-niederländische Fortis-Gruppe, die niederländische ABN Amro und jetzt eben die italienische Unicredit (vormals Unicredito).

Starke Italiener. Das aus der Fusion mehrerer norditalienischer Sparkassen Ende der neunziger Jahre hervorgegangene Institut ist in Europa heute das, was die HVB gerne wäre: groß und ertragreich.

2004 erzielte Unicredit mit 68.500 Mitarbeitern einen Gewinn vor Steuern von fast drei Milliarden Euro. Die Eigenkapitalverzinsung, wesentlicher Parameter zur Bestimmung der Ertragskraft einer Bank, lag bei stattlichen 17,9 Prozent. Bei der HVB war sie negativ, die Bank Austria Creditanstalt kam auf 9,7 Prozent.

Und: Unicredit-Chef Alessandro Profumo scheint eine kleine Schwäche für deutsche und österreichische Banken zu haben. Vor fünf Jahren hatte Profumo mit Gerhard Randa den Einstieg bei der damaligen Bank Austria verhandelt, ehe sich diese der HVB an die Brust warf. Ein Jahr später versuchte sich Unicredit an der Übernahme der Frankfurter Commerzbank. Die Unterredungen wurden am 11. September 2001 unterbrochen – und nie wieder aufgenommen.

Dennoch ist es den Italienern zuletzt gelungen, im mittel- und osteuropäischen Raum neben HVB/BA-CA, Erste Bank und Raiffeisen zu einem der wichtigsten Player aufzusteigen. Unicredit kontrolliert unter anderem die Mehrheit der größten polnischen Bank Pekao, die kroatische Nummer eins Zagrebacka Banka und hält zudem Beteiligungen in Tschechien, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien.

Eine Übernahme der HypoVereinsbank und damit auch der BA-CA würde die Italiener über Nacht zur größten Bank Mitteleuropas machen. Und wirklich kostspielig wäre der Deal auch nicht. Die HVB ist heute – gemessen am Börsekurs – insgesamt rund 13 Milliarden Euro wert. Da ist die 77,5-prozentige Beteiligung an der Bank Austria Creditanstalt bereits berücksichtigt. Nur: Allein die vergleichsweise kleine Wiener Tochter bringt es derzeit auf eine Börsekapitalisierung von fast elf Milliarden Euro.

Im Jahr 2000 war die HypoVereinsbank (ohne BA-CA) noch 32 Milliarden Euro wert gewesen.

Dennoch darf bezweifelt werden, dass es den Italienern mit der HVB so ernst ist, wie deren Vorstandschef Rampl das gerne sähe. Ein Münchner Banker: „Wenn die Italiener etwas wollen, dann die BA-CA. Die HVB wäre da nur unnötiger Ballast.“

Tatsächlich dürften Rampls mediale Avancen Richtung Mailand mehr ein desperater Hilferuf denn ein seriöses Offert gewesen sein. Der 57-jährige Banker soll in München zwischen die Fronten eines erbitterten Machtkampfs geraten sein, der bis ins Allerheiligste des deutschen Finanzwesens geht: in die Vorstandsetage der weltweit größten Rückversicherung Münchner Rück. Sie kontrolliert heute 18,4 Prozent der HVB und ist damit der bestimmende Aktionär. Der Verfall der HVB-Aktie hat den Münchner Konzern insgesamt an die sechs Milliarden Euro Abschreibungen gekostet. Das ist etwa das Dreifache des Nettogewinns 2004 von 1,8 Milliarden Euro und damit ziemlich viel Geld – eine Bürde für den 2004 angetretenen Chef Nikolaus von Bomhard.

Neuer starker Mann. Der 48-jährige, vom deutschen „Manager-Magazin“ jüngst zu einem der mächtigsten Männer Deutschlands gekürt, muss jene Aufgabe bewältigen, an der sein Vorgänger Hans-Jürgen Schinzler gescheitert war: die überfällige Entflechtung des deutschen Bank- und Versicherungswesens. Die Münchner Rück ist heute sowohl an der HVB als auch an der Commerzbank beteiligt, die Dresdner Bank steht im Eigentum des größten Münchner-Rück-Aktionärs Allianz, an dem wiederum unter anderem die Deutsche Bank beteiligt ist.

Von Bomhard hatte bereits zu seinem Amtsantritt klar gemacht, dass er vor allem das Problem HVB lösen wolle. Und sich damit prompt den Unmut jener Herren zugezogen, die über Jahrzehnte hinweg an dem unübersichtlichen Netz mitgesponnen hatten: Vorgänger Schinzler und der frühere HVB-Chef Albrecht Schmidt – beide sitzen heute im Aufsichtsrat der HVB. Sie haben wenig von ihrem früheren Einfluss verloren und denken, wie es in München heißt, eher nicht daran, die gute alte Ordnung aufzugeben. „Das wird Bomhards eigentliche Bewährungsprobe“, so ein involvierter Banker. Das dürfte so auch für Dieter Rampl gelten. Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vorgänger, Aufsichtsratschef Schmidt, soll vornehm ausgedrückt unterm Hund sein. Nach Aussagen eines HVB-Managers seien Rampls jüngste öffentliche Äußerungen zur Partnersuche weder mit dem Vorstand noch mit dem Aufsichtsrat akkordiert gewesen: „Das war eine echte Klatsche für Schmidt.“

Nach profil vorliegenden Informationen dürften die wahren Intentionen des amtierenden Münchner-Rück-Managements ohnehin in eine andere Richtung gehen. Demnach soll Vorstandschef von Bomhard klammheimlich an der Realisierung einer Idee arbeiten, die vor einem Jahr verworfen worden war: der Fusion von HypoVereinsbank und Commerzbank Frankfurt.

Kühne Pläne. Zuvor jedoch soll es zu Umschichtungen kommen, welche die BA-CA unmittelbar beträfen. Dem Vernehmen nach will die Münchner Rück die Wiener Großbank aus der HVB herauskaufen und einen knapp 25-prozentigen Anteil direkt übernehmen – gegen Geld. Die verbleibenden 52 Prozent an der BA-CA könnten teilweise über die Börse, teilweise an einen strategischen Partner abgegeben werden, also beispielsweise HSBCS Fortis oder Unicredit.

Der angeschlagenen HypoVereinsbank flössen auf diesem Wege jedenfalls zwischen fünf und sechs Milliarden Euro zu – und die BA-CA bliebe trotzdem im Einflussbereich der Münchner Rück. In München und Wien will derzeit niemand den nicht unplausiblen Masterplan kommentieren. Nikolaus von Bomhard hat dazu bislang überhaupt nichts gesagt, HVB-Chef Rampl schweigt ebenso wie Gerhard Randa. Und Bank-Austria-Creditanstalt-Generaldirektor Erich Hampel verstieg sich anlässlich der Abschiedsgala zu Randas Ehren am vergangenen Mittwoch lediglich zu der Äußerung, er lerne „noch nicht Italienisch“.

Um gleich anschließend der Darbietung eines gewissen Rainhard Fendrich zu lauschen. Bei einem seiner Evergreens soll Randa und Hampel, berichten Zeugen, ein leises Lächeln über die Lippen gehuscht sein: „I steh in da Hitz an der Strada del Sole, die Fiaß tamma weh in die neich’n Sandale.“

Von Michael Nikbakhsh