„Syrien ist ein Schandfleck auf dem Gewissen der Welt“

Barroso: „Syrien ist ein Schandfleck auf dem Gewissen der Welt“

Interview. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über Europas Rolle im Syrien-Konflikt und die Finanzkrise

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Interview: Otmar Lahodynsky

profil: Im Konflikt um Syrien fehlt noch immer eine gemeinsame europäische Position, so wie schon 2003 vor dem Irakkrieg. Wo bleibt die gemeinsame Außenpolitik Europas?
Barroso: Die Lage in Syrien ist ein Schandfleck auf dem Gewissen der Welt. Wir alle haben die Pflicht zu handeln. Wir müssen alles daransetzen, damit dort wieder Frieden einkehrt. Das gemeinsame Interesse der Europäer orientiert sich an folgenden, von allen unterstützten Prinzipien: Erstens, wir alle verurteilen schärfstens den Einsatz chemischer Waffen. Dies ist ein abstoßender Akt, der einen gravierenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellt. Zweitens, die Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Drittens, es obliegt der internationalen Gemeinschaft, über die Art der Antwort zu entscheiden, wobei den Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle zukommt. Viertens: Letzten Endes brauchen wir einen politischen Prozess, damit die Gewalt ein Ende hat und es dauerhaften Frieden in Syrien geben kann. Aus diesem Grund setzen wir uns für weitere Verhandlungen der Konfliktparteien in Genf ein. Die Lage in Syrien ist die größte humanitäre Tragödie unserer Zeit. Mittlerweile hat die erschreckende Zahl von zwei Millionen Flüchtlingen das Land verlassen. Die Europäische Union unternimmt alles, um das Leid der Menschen vor Ort zu verringern. Ich selber habe das Flüchtlingslager Za‘atari in Jordanien besucht. Mit ca. 1,3 Milliarden Euro sind wir die größten Geber in der Region.

profil: Soll ein Militärschlag gegen das syrische Regime nur mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrats erfolgen?
Barroso: Wie bereits gesagt: Der Einsatz chemischer Waffen ist ein abscheulicher Bruch des Völkerrechts und die internationale Gemeinschaft muss über die Art der Antwort entscheiden. Die Vereinten Nationen sollten eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielen.

profil: Vor einem Militärschlag sollte jedenfalls der Bericht der UN-Inspektoren abgewartet werden?
Barroso: Die bisher erbrachten vorläufigen Beweise belegen den Einsatz chemischer Waffen, aber die UN-Inspekteure haben ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen. Wenn die internationale Gemeinschaft auf den Giftgasangriff nicht angemessen rea-giert, könnte dies ernsthafte Folgen für die Zukunft haben.

profil: Werden die USA auch ohne UN-Zustimmung Verbündete für einen Militärschlag in Syrien finden?
Barroso: Es wäre sehr wichtig, ein gemeinsames Verständnis der internationalen Gemeinschaft über die weiteren Schritte zu erzielen. Daran arbeiten wir.

profil: Warum gibt es noch immer keinen gemeinsamen Sitz der EU im UN-Sicherheitsrat?
Barroso: Die Reform des Sicherheitsrates gehört zu den schwierigsten Aufgaben der UNO, und da geht es zunächst gar nicht mal um einen Sitz für die Europäische Union. Die EU hat mittlerweile immerhin Beobachterstatus in der UNO-Vollversammlung, was einen deutlichen Schritt nach vorne darstellt.

profil: Kommen wir zur europäischen Finanzkrise. Hier auf dem Europäischen Forum Alpbach haben einige Experten festgestellt, dass die Rezession in der EU beendet sei. Ist die Krise wirklich schon überwunden?
Barroso: Die jüngsten Daten weisen tatsächlich auf einen leichten Aufschwung der europäischen Wirtschaft hin, auch in einigen sogenannten Programm-Ländern, denen die Krise besonders zugesetzt hat. Das zeigt, dass unsere Strategie richtig ist und wir sie nicht ändern sollten. Im nächsten Jahr sollte es eine deutlichere Erholung geben, trotz der andauernden Disparitäten zwischen einzelnen Staaten. Europa kommt aus der Talsohle heraus.

profil: Sind Sie da nicht zu optimistisch?
Barroso: Die Krise liegt noch nicht hinter uns. Wir dürfen deshalb in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Ich erkenne zwei große Probleme auf dem weiteren Weg aus der Krise: Die hohe Arbeitslosigkeit in manchen Ländern und die Finanzierung der Wirtschaft mit großen Unterschieden zwischen den Kernstaaten und den periphären Ländern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben große Schwierigkeiten bei der Kreditaufnahme. Die Vertrauenskrise hängt damit zusammen, dass es in einigen Teilen des Bankensystems noch immer Probleme gibt.

profil: Hat nicht der harte Sparkurs den wirtschaftlichen Abschwung in manchen Ländern beschleunigt?
Barroso: In der noch nie dagewesenen Finanzkrise stand zunächst die Sanierung der öffentlichen Finanzen im Vordergrund, um das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen und die Grundlagen für eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung zu legen. Diese Maßnahmen hatten kurzfristig einen rezessionsverstärkenden Effekt. Aber die Sanierung der nationalen Budgets war und bleibt wichtig. Staaten, die in ihren Reformen nachgelassen haben, mussten auf den Finanzmärkten sofort höhere Zinsen zahlen.

profil: Aber wo bleiben die Initiativen zur Schaffung von Wachstum?
Barroso: Wachstum entsteht nicht, wenn die Länder wieder unfinanzierbare Schulden machen. Gerade die Tatsache, dass einige weit über ihre Verhältnisse gelebt haben, hat uns ja in all diese Probleme geführt, neben dem gewissenlosen Verhalten in Teilen des Finanzsektors. Wir müssen Hürden beim Wachstum beseitigen, zum Bespiel die Fragmentierung des Binnenmarktes, etwa im Energiesektor und bei Dienstleistungen. Aber es werden auch neue Programme für Investitionen notwendig sein. Wir haben bereits eigene Initiativen für die Jugendbeschäftigung gestartet. Dazu kommt gezielte Unterstützung durch sogenannte Aktionsteams für Länder mit den höchsten Arbeitslosenraten. Für die kleineren und mittleren Betriebe haben wir auch eine Sonderfinanzierung über die Europäische Investitionsbank beschlossen.

profil: Aber sogar der Internationale Währungsfonds hat die Sparpolitik in der EU als überzogen kritisiert.
Barroso: Es wäre sicher ein Fehler, würde man die Strategie der EU in Bezug auf die Finanz- und Schuldenkrise nur auf Sparprogramme beschränken. Natürlich ist die fiskalische Konsolidierung wichtig, aber wir verfolgen seit jeher eine umfassende Strategie aus wachstumsfreundlicher Konsolidierung, Strukturreformen für die Wettbewerbsfähigkeit und gezielten Investitionen. Bei der Konsolidierung achten wir auf die Beseitigung der strukturellen Defizite. Daher haben wir ja Ländern wie Frankreich, Spanien, Griechenland und Portugal etwas mehr Zeit zur Erreichung ihrer Defizitziele gegeben, unter der Bedingung dass die Anstrengungen bei Budgetkonsolidierung und Strukturreformen fortgeführt werden. Übrigens sind die USA durch das riesige Budgetdefizit jetzt gezwungen, weit härtere fiskalische Sparmaßnahmen als in Europa durchzuführen.

profil: Trotzdem ist die amerikanische Wirtschaft in einem weit besseren Zustand als die europäische.
Barroso: Das liegt daran, dass die Amerikaner flexibler auf Krisen reagieren und im Gegensatz zu Europa auch keine Hürden auf dem Binnenmarkt haben. Ein weiteres Hindernis für mehr Wachstum stellt auch der Widerstand in Europa gegenüber Wandel und Innovation dar. Nur durch höhere Investitionen in Innovation kann Europa wieder mehr Wachstum erzielen.

profil: Wird die Affäre um den US-Geheimdienst NSA die Beziehungen EU–USA sowie die Verhandlungen über eine gemeinsame Freihandelszone länger belasten?
Barroso: PRISM ist ein Weckruf. Und Europa antwortet darauf. Die Datenschutz-Reform, die die Kommission im Jänner 2012 vorgeschlagen hat, ist unsere rechtliche Antwort darauf. Die neuen Regeln werden helfen, zu verhindern, dass Firmen oder Behörden die Rechte der Europäer verletzen. Auch haben wir gemeinsam mit den USA eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der Klärung der den Datenschutz betreffenden Fragen beschäftigt, und zwar parallel zu den laufenden Verhandlungen über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen. Wir haben bereits klar gesagt, dass diese Verhandlungen hiervon nicht beeinträchtigt werden sollen, da sie im europäischen Interesse liegen. Gleichzeitig ist klar, dass für den Erfolg von derartig umfassenden Verhandlungen Vertrauen, Transparenz und Klarheit zwischen den Verhandlungspartnern herrschen müssen.

profil: Sie haben in Ihrer Rede in Alpbach erklärt, dass Länder mit besseren Wirtschaftsdaten mehr für die europäische Solidarität beitragen sollten. Heißt das, dass Länder wie Deutschland oder Österreich mehr Beiträge für ärmere Staaten leisten sollen?
Barroso: Staaten mit besseren Wirtschaftsdaten und größerem Haushaltsspielraum haben ja bereits viel Solidarität bewiesen. Um es offen auszusprechen: Einige unserer Mitgliedsländer waren fast bankrott. Ohne Kredite und Maßnahmen, die wir gemeinsam beschlossen haben, wäre die Situation heute für alle weit schlimmer. Leider funktioniert unser Entscheidungsprozess in Krisen zu langsam. Das liegt auch daran, dass wir eine Gemeinschaft von Demokratien sind und Regierungen erst die Unterstützung für schwierige Entscheidungen erringen müssen. Und wir besaßen damals noch nicht die Instrumente, wie sie jetzt zur Verfügung stehen. Wir mussten damals mitten im Sturm erst die Rettungsboote bauen.

profil: Im Wahlkampf in Deutschland spielen Zahlungen für ärmere EU-Länder eine wichtige Rolle. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte, was die Kanzlerin Angela Merkel nicht ansprechen wollte: Dass nämlich Griechenland bald ein drittes Hilfspaket brauchen wird.
Barroso: Bis jetzt hat Deutschland alle Beschlüsse für die Eurozone mit großer Mehrheit getroffen, also auch mit Unterstützung großer Teile der Opposition. Die deutsche Öffentlichkeit ist gegenüber Hilfsmaßnahmen für andere Mitgliedsländer sehr sensibel. Auch weil Deutschland dazu den größten Beitrag leistet.

profil: Sie weichen jetzt der Frage nach einem weiteren Hilfspaket für Griechenland aus.
Barroso: Die Position der EU-Kommission ist klar: Die Implementierung des derzeitigen Hilfsprogramms ist auf Schiene. Wir sind der Meinung, dass die griechische Regierung unter schwierigen Bedingungen substanzielle Fortschritte zur fiskalischen Stabilität gemacht hat, ebenso bei den Reformen zur Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Im vergangenen Juli würdigte die Eurogruppe die Anstrengungen der griechischen Regierung bei den Reformen. Die nächste Überprüfung des Programms wird im Herbst erfolgen.

profil: Also könnte bald ein neuerliches Hilfspaket notwendig werden?
Barroso: Dazu verweise ich auf das Statement der Eurogruppe vom 27. November 2012. Darin steht, dass jede weitere Hilfsmaßnahme nur dann in Erwägung gezogen wird, wenn sie notwendig ist, wenn Griechenland einen jährlichen Budgetüberschuss erzielt und zudem alle das Programm betreffende Bedingungen erfüllt sind. Über eine neuerliche Hilfe für Griechenland will ich deshalb jetzt nicht spekulieren.

profil: Können Sie ausschließen, dass Griechenland oder ein anderes Euromitglied die Eurozone verlässt?
Barroso: Noch vor zwei Jahren haben viele Leute darauf gewettet. In Wirklichkeit sind nicht nur alle Mitglieder weiter in der Eurozone geblieben, sondern wir werden am 1. Jänner 2014 mit Lettland ein neues Euromitglied dazu bekommen. All das zeigt, dass die Widerstandsfähigkeit der Europäischen Union viel größer ist, als von manchen Analysten – vor allem jenen außerhalb Europas – prophezeit wurde.

profil: Wenn alles so gut läuft, warum ist dann die Stimmung in vielen Ländern gegenüber der EU so schlecht?
Barroso: Weil die wirtschaftliche Situation in Europa noch immer nicht zufriedenstellend ist. Wir haben in vielen Ländern trotz positiver Trends weiter eine Rezession. Das beeinflusst die Meinung der Menschen über die Europäische Union, aber auch über nationale Regierungen. Dazu kommt noch die Verunsicherung wegen der Globalisierung. Oft ist die Kritik an der EU unfair. Vergessen wir nicht, dass diese Krise nicht durch Europa ausgelöst wurde, sondern durch unverantwortliches Verhalten, manchmal sogar kriminelle Aktivitäten im Finanzsektor. Dazu kam noch die exzessive Verschuldung durch nationale Regierungen. All das führte dann zur tiefen Krise. Die EU hat darauf reagiert und ist Teil der Lösung. Allerdings hätte ich mir ein rascheres Vorgehen gewünscht.

profil: Viele Bürger haben das Gefühl, dass immer nur der Finanzsektor gerettet wird. Für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gibt es weit weniger Geld.
Barroso: Deswegen arbeiten wir ja an einer Bankenunion. In Zukunft soll der Steuerzahler nicht mehr die Rechnung für die Fehler im Bankensektor begleichen müssen. Das ist entscheidend, weil wir dieses System früher nicht hatten.

profil: Das ist aber noch kein Trost für die vielen Arbeitslosen in der EU.
Barroso: Die EU-Kommission hat die Mitgliedsstaaten aufgefordert, mehr gegen die Arbeitslosigkeit zu unternehmen. Für acht Länder, die besonders von Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, haben wir „Aktions-Teams“ geschaffen. Mit ihrer Hilfe werden Mittel aus dem Strukturfonds umgewidmet, um neue Jobs zu schaffen. Und es gab Zustimmung für unseren Vorschlag einer Jugendgarantie für Beschäftigung oder Ausbildung, nach dem Modell der Erfahrungen hier in Österreich.

profil: Manche Politiker fordern nun, dass die EU einige ihrer Kompetenzen wieder an die Nationalstaaten zurückgeben soll.
Barroso: Wir in der EU-Kommission halten uns an das Prinzip der Subsidiarität. Alles, was auf nationaler oder regionaler Ebene besser aufgehoben ist, sollte auch dort entschieden werden. Aber auch die EU-Gesetzgebung ist notwendig. Wir brauchen Vorschriften für den gemeinsamen Markt, um fairen Wettbewerb für alle zu sichern. Es würde vor allem Unternehmen in kleineren Ländern, auch in Österreich, schwer treffen, wenn sie nicht mehr in größere Märkte exportieren könnten.

profil: Österreichs Europastaatssekretär Reinhold Lopatka forderte, dass die EU alle sozialen Kompetenzen abgeben sollte.
Barroso: Einige der häufig vorgetragenen Kritikpunkte lautet, dass die EU zu wenig im sozialen Bereich aktiv ist. Und jetzt verlangt man, dass wir keine Kompetenzen in sozialen Fragen mehr haben sollen? Wird das die EU populärer machen? Ich glaube nicht.

profil: Aber manche EU-Vorschriften bringen einen beträchtlichen bürokratischen Mehraufwand mit sich.
Barroso: Dann sollten sie abgeschafft werden. Dazu hat die Kommission ja das Programm der „besseren Rechtsetzung“ eingeführt. Alle als exzessiv eingestuften Regelungen, die Unternehmen besonders belasten, haben wir bereits um mehr als ein Viertel reduzieren können. Aber auch nationale Regelungen können eine Belastung darstellen. Der EU-Binnenmarkt benötigt gemeinsame Regeln, sonst funktioniert er nicht. Und Europa braucht mehr Integration, nicht weniger.

profil: Aber muss sich die EU in den Alltag der Bürger einmischen? Warum muss die EU das Anpflanzen alter Obstsorten erschweren oder offene Olivenöl-Fläschchen in Restaurants verbieten?
Barroso: Man muss jeden Fall gesondert sehen. Und manchmal werden auch Fehler gemacht. Aber ich kann Ihnen verraten, dass viele solcher Vorschläge von den nationalen Verwaltungen angeregt oder verkompliziert werden. Schlimmer als die europäische Bürokratie ist für mich die Kombination aus 28 nationalen Bürokratien.

profil: In Österreich lösten neue Pläne der EU zur Förderung von Atomenergie Kritik aus. Warum unterstützt die EU trotz der Katastrophe von Fukushima weiterhin die Kernenergie?
Barroso: Jeder Mitgliedstaat kann seinen Energie-Mix selbst bestimmen. Es geht nicht um die Förderung von Atomenergie. Manche Länder wie Österreich lehnen Atomenergie ab. Das ist legitim und im Sinne von Subsidiarität. Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Regeln über staatliche Beihilfen bereiten wir nun eine Konsultation darüber vor, wie das EU-Beihilferecht auf Atomenergie angewendet wird. Das läuft aber nicht auf die Förderung oder beihilferechtliche Erleichterung von Atomenergie hinaus. Wir wollen lediglich einen verfälschten Wettbewerb zugunsten von Ländern, die Atomenergie nützen, verhindern.

profil: Sie sind seit neun Jahren Präsident der EU-Kommission. Wollen Sie 2014 noch einmal für diese Funktion kandidieren?
Barroso: Ich will nicht über meine eigene Zukunft sprechen, sondern mich bis zum Ende meines Mandats voll auf meine Aufgabe konzentrieren. Die schwierigen Jahre der Krise haben mir sehr viel Energie abverlangt.

profil: Sollten die Bürger über die Besetzung der Position des EU Kommissionspräsidenten mitentscheiden?
Barroso: Schon vor einem Jahr habe ich erklärt, dass es gut wäre, wenn die europäischen politischen Parteien zusammen mit ihren Programmen auch ihre Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission nennen würden. Bisher waren die Europawahlen immer von nationalen Themen geprägt. Die Debatte wurde nun durch die Krise europäisiert. Beim letzten Mal war meine eigene Partei die einzige, die einen Kandidaten, nämlich mich, vorgeschlagen hat. Ich hoffe, dass nächstes Mal zumindest die großen politischen Parteien eigene Kandidaten ins Rennen schicken werden. Das könnte ein weiterer Schritt zur Europäisierung der Politik sein.

Zur Person
José Manuel ­Barroso, 57. Der portugiesische Politiker ist seit 2004 Präsident der Europäischen Kommission. Seine zweite Amtsperiode läuft im Herbst 2014 aus. Der konservative Politiker, der als Student Mao­ist war, absolvierte ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität in Genf und spezialisierte sich auf internationale Politik. Von 1992 bis 1995 war er Portugals ­Außenminister und setzte sich für den EU-Beitritt Österreichs ein. Von 2002 bis 2004 war er Premierminister und unterstützte damals die US-­Militäroperation im Irak. In seine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission fiel die Euro-Krise. Ende August besuchte Barroso das „Europäische Forum Alpbach“ in Tirol und nahm dort gemeinsam mit dem Staatspräsidenten von Tansania, Jakaya Kikwete, Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer und hochrangigen UN-Vertretern an einem Seminar über faire Globalisierung teil.

Foto: Thomas Böhm/TT für profil