Bawag-Affäre: Wenn Millionen Flöttl gehen

Die Meinl-Connection: Flöttls diskrete Konten

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Fast hätte er einem leidtun können. Wann immer Wolfgang Flöttl in den vergangenen Monaten Auftritte in Österreich zu absolvieren hatte, gab er, gewollt oder nicht, ein Bild des Jammers ab. Hängende Schultern, fahrige Bewegungen, belegte Stimme, leerer Blick. Der einst gefeierte Investmentbanker, ein Schatten seiner selbst.

Und immer wieder die gleiche Leier, gegenüber den Behörden ebenso wie gegenüber den Medien: Seit den ersten verlustreichen Bawag-Spekulationen 1998 sei er, Flöttl, „so gut wie mittellos“.

Im Mai vergangenen Jahres erst bezifferte er sein Restvermögen im Zuge einer polizeilichen Einvernahme mit gerade einmal 500.000 Euro. „Ich habe im Jahr 1998 den größten Teil meines privaten Vermögens verloren, und mir verblieb nur noch wenig an meinem privaten Vermögen“, diktierte er den Beamten des Bundeskriminalamts damals etwas umständlich ins Protokoll.

Nun mögen 500.000 Euro für Durchschnittsverdiener zwar eine durchaus anständige Summe sein. Für den einst bestens situierten Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Kunstsammler, Mäzen, geachtetes Mitglied der New Yorker Upper Class, ist das freilich kaum mehr als ein Bettel.

Ab Juli wird sich der 51-Jährige für seine Rolle im größten Finanzskandal der Zweiten Republik vor Gericht verantworten müssen. Mit ihm werden acht weitere Personen wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs rund um die verlustreichen Karibik-Spekulationen der Bank (Schaden: 1,5 Milliarden Euro) angeklagt – darunter die früheren Generaldirektoren Helmut Elsner und Johann Zwettler sowie der ehemalige Bawag-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzchef Günter Weninger. Daneben hat das amtierende Bawag-Management Flöttl und Elsner auf Schadenersatz geklagt.

Für alle Beteiligten gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Flöttl wird zur Hauptverhandlung wohl als freier Mann anreisen. Im Gegensatz zu Helmut Elsner hat die Justiz in monatelangen Investigationen keinerlei Anhaltspunkte gefunden, welche die Verhängung der Untersuchungshaft rechtfertigten.

Der Filius des legendären Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl ist zu ausnahmslos allen Einvernahmeterminen in Wien erschienen und soll sich gegenüber den Ermittlern durchwegs „kooperativ“ gezeigt haben.

Dennoch dürfte er wesentliche Antworten schuldig geblieben sein.

Unveröffentlichte Dokumente belegen, dass Wolfgang Karl Flöttl entgegen seinen Beteuerungen offenbar doch nicht seines gesamten Reichtums verlustig gegangen ist.
Ganz im Gegenteil.

Bis ins Jahr 2006 hinein wurden über bislang unentdeckte Flöttl-Konten millionenschwere Transaktionen in der Karibik abgewickelt. Und zwar ausgerechnet über die piekfeine kleine Wiener Meinl Bank AG, deren Eigentümer und Vorstand bis zum heutigen Tage amikale Kontakte zu Flöttl junior pflegt: Julius Meinl V., seinerseits Intimfreund von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Drei Herren also, die im Jahr 2005 anlässlich eines privaten Törns in der nördlichen Adria gemeinsam auf dem Deck von Meinls Yacht promenierten (profil berichtete).

Die geheimen Zahlungsflüsse zwischen der Bank und Flöttl sind penibel dokumentiert. In einer mit 18. Mai 2006 datierten und von Bankier Meinl persönlich unterfertigten „Mitteilung“ an die Finanzmarktaufsicht (FMA).

Die Behörde hatte die Bank im Zuge der Aufarbeitung des Bawag-Skandals am 4. April 2006 angewiesen, „Engagements der Meinl-Gruppe gegenüber Dr. Flöttl bzw. ihm nahe stehenden Gesellschaften und Personen“ darzustellen. Daneben wurden auch sonstige geschäftliche Aktivitäten der Bank in der Karibik abgefragt. Diese stehen jedoch mit der Affäre in keinerlei Verbindung.

Die Antwort der Meinl Bank umfasst insgesamt acht Seiten und liegt profil vor.

Demnach hat Flöttl zwischen 19. Dezember 1994 und 19. Jänner 2006 über insgesamt fünf Meinl-Konten Millionenbeträge in verschiedenen Währungen hin und her bewegt. Das Bemerkenswerte daran: Die Transaktionen gingen mit zwei Ausnahmen nach 1998 über die Bühne.

Zu einer Zeit also, da Flöttl eigentlich kein Geld mehr hätte haben dürfen, weil ihn der Bawag-Vorstand nach den ersten Fehlspekulationen im Oktober 1998 angeblich gepfändet hatte. Doch selbst diese zwei frühen Transaktionen erscheinen im Rückblick mehr als aufklärungswürdig:

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Am 12. August 1998 tilgte die auf den Bermudas registrierte Capper Ltd., eines von Wolfgang Flöttls zahlreichen Investmentvehikeln, einen Kredit (Kontonummer 100484823), den sie dreieinhalb Jahre zuvor bei der Meinl Bank aufgenommen hatte. Summe: 17,25 Millionen Dollar. Zweck: der Ankauf eines Businessjets vom Typ Gulfstream IV-SP, zugelassen unter der Kennung VR-BOT. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte der Flieger formell der auf den Bermudas eingetragenen Meinl-Tochter Geojet Ltd., Flöttls Gesellschaft trat als Mieterin auf. In dem FMA-Dossier ist dazu vermerkt: „Zur Sicherstellung der Mietforderung der Geojet Ltd. an die Capper Ltd. diente die persönliche Haftung von Herrn Dr. Wolfgang Flöttl … Diese Finanzierung wurde am 12.08.1998 zurückgeführt. Ein Wertberichtigungsbedarf war nicht gegeben.“

Warum und vor allem wie der Kredit so plötzlich getilgt wurde, geht aus dem Dokument nicht hervor. Mehr noch: Anfang des Jahres 2000 wurde der Flieger gleichsam ein zweites Mal bezahlt. Die Bawag überwies Flöttls Capper Ltd. dafür annähernd exakt 18 Millionen Dollar. Im Karibik-Prüfbericht der Oesterreichischen Nationalbank vom Frühjahr 2006 heißt es: „Mit diesem Kredit wurde offenbar eine Leasingfinanzierung, die Flöttl in Zusammenhang mit seinem Privatjet aufgenommen hatte, durch die Bawag abgelöst.“

Das Fluggerät ging übrigens nie in den Besitz der Bawag über. Es landete später unter ungeklärten Umständen beim Hewlett-Packard-Konzern in den USA.

Fakt ist: 1998 war das Jahr, in dem Wolfgang Flöttl die erste von drei Tranchen der Bawag-Millionen in den karibischen Sand setzte. Zwischen 1. und 16. Oktober 1998 soll er nicht weniger als 760 Millionen Dollar verspekuliert haben. In weiterer Folge zog die Bank sein Vermögen, hauptsächlich Kunstgegenstände und Liegenschaften im Wert von angeblich 400 Millionen Dollar, ein. Darunter auch eine Immobilie am berühmten Londoner Eaton Place. Auch hier spielte Julius Meinls Privatbank laut Dossier keine ganz unbedeutende Rolle:

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Bereits am 14. April 1997 hatte das Institut Flöttl über das Kreditkonto mit der Nummer 486191 eine auf sieben Jahre angelegte „Immobilienfinanzierung“ über 8,5 Millionen britische Pfund (heute umgerechnet 12,5 Millionen Euro) gewährt und im Gegenzug ein Pfandrecht im ersten Rang erhalten.

Auch in diesem Fall brauchte Meinl nicht lange auf sein Geld zu warten: Der Kredit wurde bereits am 30. Oktober 1998 vorzeitig zurückgeführt. „Ein Wertberichtigungsbedarf war nicht gegeben“, hält die Bank gegenüber der FMA ausdrücklich fest. Kein Wunder: Das Geld zur Kredittilgung kam damals direkt von der Bawag. Sprecher Thomas Heimhofer: „Ich kann bestätigen, dass die Bawag damals in eine offene Finanzierung gegenüber der Meinl Bank eingetreten ist.“ Dies sei erforderlich gewesen, um sich den Zugriff auf Flöttls Londoner Refugium – Marktwert damals 14 Millionen Pfund ohne Einrichtungsgegenstände – zu sichern.

Bleibt aber auch hier die Frage: Wo sind jene 8,5 Millionen Pfund abhandengekommen, welche die Meinl Bank Wolfgang Flöttl eineinhalb Jahre zuvor geborgt hatte?

Der Investmentbanker selbst war nicht zu erreichen, sein Wiener Anwalt Herbert Eichenseder sagt lediglich: „Ich kenne diese Sachverhalte nicht, kann sie daher auch nicht kommentieren.“ Die Frage nach Flöttls gegenwärtigen Vermögensverhältnissen pariert Eichenseder nonchalant: „Das tut nichts zur Sache.“ Eichenseder gilt als einer der renommiertesten Strafverteidiger des Landes – und ist damit naturgemäß nicht ganz billig. Wie Flöttl des Advokaten Honorare begleicht? Eichenseder wird ungehalten: „Was soll diese Frage?“

Auch Julius Meinl V. will die Geschäftsbeziehungen zu Wolfgang Flöttl öffentlich nicht erläutern. Über seinen Vertrauensmann Francis Lustig lässt der Bankier ausrichten: „Wir können keine Stellungnahme abgeben. Es müssen jene gefragt werden, die unter Bruch des Amts- und Bankgeheimnisses Unterlagen weitergeben.“

Lustig hält zudem ausdrücklich fest, dass Julius Meinl V. zu keinem Zeitpunkt über Flöttls Kalamitäten orientiert gewesen sei. Wohl auch deshalb, weil dieser seinen privaten Zahlungsverpflichtungen mit kleineren Abstrichen stets brav nachgekommen ist.

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Am 12. April 2001 etwa gewährte die Meinl Bank dem Investmentbanker erneut eine Finanzierung – über gleich sieben Millionen Dollar. Als Kreditnehmer trat diesmal die von Flöttl kontrollierte Technical Arbitrage Investments Ltd. mit Sitz auf den Cayman Islands in Erscheinung. Die Finanzierung sollte ursprünglich bis 10. April 2003 laufen, wurde später aber bis März 2006 verlängert. Als Besicherung erhielt die Meinl Bank Aktien der ebenfalls von Flöttl kontrollierten Technical Arbitrage Ltd.

„Als weitere Sicherstellung wurde von Herrn Dr. Flöttl eine ‚Continuing Guaranty‘ abgegeben“, heißt es in der Mitteilung an die Finanzmarktaufsicht wörtlich.

Das ist bemerkenswert: Zum Jahresende 2000, nur wenige Wochen vor diesem Meinl-Kredit, hatte der vorgeblich bereits mittellose Wolfgang Flöttl die dritte und letzte Tranche der Bawag-Gelder in der Karibik versenkt. Und verfügte dennoch über ausreichend Vermögen und Bonität für einen Millionen-Dollar-Kredit bei der Bank seines Freundes Julius Meinl V.

Der Kredit wurde schließlich am 20. März 2006 mit Ausnahme der aufgelaufenen Zinsen in der Höhe von 339.952 Euro getilgt. Zitat aus dem Meinl-Dossier: „Für den Fall, dass von der Gesellschaft (Technical Arbitrage Investments Ltd., Anm.) die Zinsen nicht bezahlt werden, und auch Herr Dr. Wolfgang Flöttl seiner Zahlungsverpflichtung aus der ‚Continuing Guaranty‘ nicht nachkommt, wurde für diesen Betrag eine allfällige Wertberichtigung reserviert.“

In Summe hat Wolfgang Flöttl laut der internen Aufstellung zwischen 1994 und 2006 bei der Meinl Bank Kredite im Ausmaß von insgesamt 34 Millionen Euro – in alter Währung immerhin 468 Millionen Schilling – aufgenommen und diese bis zum Sommer vergangenen Jahres auch brav zurückgezahlt. Zum Zeitpunkt der Mitteilung an die FMA, im Mai 2006, stand er bei der Meinl Bank mit gerade einmal 1,46 Millionen Euro in der Kreide – ein Betrag, den selbst ein kleines Bankhaus mühelos verkraften kann.

Seltsam: Die Bawag erlitt im Gefolge von Flöttls Transaktionen einen Schaden von rund 1,5 Milliarden Euro und riss den Alleinaktionär ÖGB beinahe mit in den Abgrund. Das Bankhaus von Flöttls Spezi Julius Meinl dagegen überstand die Karibik-Phase ohne nennenswerte Ausfälle.

Noch seltsamer: Es lässt sich heute nicht präzise sagen, zu welchem Zweck die Finanzmarktaufsicht die sensiblen Daten der Meinl Bank überhaupt angefordert hat – und was damit geschehen ist. FMA-Sprecher Klaus Grubelnik will dazu mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis nichts sagen. So ist beispielsweise unklar, ob Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser das Papier während seiner Amtszeit zu Gesicht bekommen hat. Als oberster Bankaufseher hatte er jedenfalls Gelegenheit dazu – und als Mitglied der lustigen Yacht-Partie um Meinl und Flöttl möglicherweise sogar gesteigertes Interesse daran.

Der Justiz wurde das Dossier bis heute nicht übermittelt. Ein in die Bawag-Ermittlungen eingebundener Staatsanwalt gegenüber profil: „Dieses Dokument befindet sich nicht in den Akten. Ich kenne es nicht.“

Von Michael Nikbakhsh