Bawag-Deal: „Benya wäre einverstanden“

Bawag-Deal: „Benya wäre einverstanden“ Nach zähem Ringen und beinhartem Lobbying

Endphase des Verkaufs- prozesses verlief turbulent

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Die Träne im Knopfloch blieb gut verborgen, als die ÖGB-Granden am Freitag, dem 15. Dezember, antraten, um öffentlich Abschied von ihrer Gewerkschaftsbank Bawag zu nehmen. Für elf Uhr waren die Medien zu einer Pressekonferenz in die Zentrale der Bank geladen. Die bisherigen Bawag-Eigentümer enthielten sich dort in ihren Reden so gut wie aller Hinweise auf die ruhmreiche Geschichte der Arbeiterbewegung samt ihrem Geldinstitut. Rudolf Hundstorfer, Gewerkschaftschef und oberster Bawag-Verkäufer, absolvierte die auf die historische Stunde bezogene Passage seiner Darstellung gleich zu Beginn der Pressekonferenz. Er tat es mit Anstand („Wir verabschieden uns heute auch von einem Teil unserer Geschichte“), aber so kühl, dass die historische Bedeutung dieser Stunde für einen Uninformierten kaum erkennbar gewesen wäre. Schon in seiner Wortwahl enthielt sich Hundstorfer jeglicher Sentimentalität: „Die Geschichte der Bawag war über weite Strecken eine ganz, ganz tolle Erfolgsstory, und genau das wird sie in Zukunft auch wieder werden.“

Als der einzige Podiumsteilnehmer bei dieser Pressekonferenz, der die Melodie der historischen Stunde aufnahm, erwies sich Neo-Bawag-Aktionär Hannes Androsch. Androsch erklärte am Schluss seiner Ausführungen: „Erlauben Sie mir abschließend eine persönliche Bemerkung: Dieser Tag ist für mich nicht ohne Sentiment. Immerhin wurde diese Bank von Karl Renner gegründet. Und ich bin überzeugt, dass mein väterlicher Freund Anton Benya mit dem einverstanden wäre, was wir jetzt tun.“

1922 hatte der damalige sozialdemokratische Staatskanzler Karl Renner die „Arbeiterbank“ gegründet, die 1963 in „Bank für Arbeit und Wirtschaft“, kurz Bawag, umbenannt wurde. Anton Benya, verstorben 2001, führte als Präsident den ÖGB von 1963 bis 1987 – also während der Blütejahre der österreichischen Sozialpartnerschaft; Benya galt im Land als „mindestens ebenso mächtig“ wie Bundeskanzler Bruno Kreisky. Für Hannes Androsch, den Benya-Intimus und tief in der Partei verankerten Vizekanzler der goldenen Kreisky-Jahre, waren die Nachkriegsjahrzehnte der SPÖ erlebte Geschichte. Geschichte, die er von seiner Kindheit an, im prononciert sozialdemokratischen Elternhaus, in sich aufsog. Geschichte, die er auf zahlreichen Sonntagsspaziergängen mit Adolf Schärf, dem Onkel seines Schwiegervaters, einem (allerdings um zwanzig Jahre jüngeren) Zeitgenossen Karl Renners, mit Engagement diskutierte.

Schärf war der erste SPÖ-Vorsitzende nach dem Krieg, gründete 1945 gemeinsam mit Renner die SPÖ als „Sozialistische Partei Österreichs“ neu und wirkte von 1957 bis 1965 als österreichischer Bundespräsident. So wie Renner und Schärf zählte man auch Androsch während dessen politisch aktiver Zeit zum pragmatischen Flügel der SPÖ.

Im Konflikt zwischen Kreisky und Androsch stand nicht nur Anton Benya, sondern die überwiegende Mehrzahl sämtlicher Gewerkschafter auf Androschs Seite. Auch fanden sich viele Gewerkschafter unter jenen SPÖ-Funktionären, die nach dem Abgang Viktor Klimas Richtung Südamerika nach einem Parteivorsitzenden Hannes Androsch riefen.

Gute Idee. Diese Verankerung in Partei und Gewerkschaft brachte denn auch den Investmentbanker Thomas Marsoner, dessen Familie seit Jahrzehnten eng mit Androsch befreundet ist und der im Bawag-Verkaufsprozess als lokaler Repräsentant des Cerberus-Konsortiums agierte, auf die Idee, Hannes Androsch als einen Repräsentanten der Bietergruppe mit an Bord zu holen. Ein Schachzug, der sich als gnadenlos erfolgreich erwies: Androsch vermochte die Affinität des ÖGB-Vorstands zur Cerberus-Variante signifikant zu steigern. Die von ihm im Bieterwettrennen vorgeschlagenen taktischen Tipps hatten Hand und Fuß, und auch die Argumentationshilfen, mit denen der mittlerweile 68-jährige alte Fuchs seine Konsortialpartner versorgte, sollen nicht von schlechten Eltern gewesen sein. Auf der Pressekonferenz übernahm Androsch dann auch den Part, sich bei Ewald Nowotny, dem Krisen-Generaldirektor der Bawag, ausdrücklich zu bedanken und ihn namens des siegreichen Konsortiums zu ersuchen, als Bankchef dauerhaft an Bord zu bleiben. Androsch: „Du hast in schwierigsten Zeiten die Bank übernommen und sie erfolgreich aus den Problemen geführt. Jetzt ist es uns äußerst wichtig, dass du bereit bist, diese Funktion langfristig auszuüben.“ (Nowotny selbst übrigens stellte in seinen Dankesworten an diverse Unterstützer seiner Bemühungen ebenfalls eine Person besonders in den Vordergrund: Er bedankte sich insbesondere beim OeNB-Präsidenten Klaus Liebscher, der sich während der Krisenmonate als „ein wahrer Fels in der Brandung“ erwiesen habe.)

Dass Ex-Finanzminister Androsch – so wie der gegenwärtige Cerberus-Präsident und ehemalige US-Finanzminister John Snow – nun eingeladen wurde, in den Aufsichtsrat der Bawag einzuziehen, dürfte dem roten Industriellen durchaus schmeicheln. Herbert Cordt, Androschs ehemaliger Sekretär im Finanzministerium, war während der vergangenen Monate für den im Rennen um die Bawag mit Cerberus konkurrierenden US-Fonds Lone Star als vor Ort agierender Lobbyist unterwegs. Für Cordt dürfte jener Moment, in dem sich Androsch als Cerberus-Partner outete, einer der weniger erfreulichen gewesen sein. Sein bislang sehr freundschaftliches Verhältnis zu dem früheren Chef soll darunter einigermaßen gelitten haben.

Post-Engagement. Die Österreichische Post, ein gewissermaßen natürlicher Partner für jeden letztlich siegreichen Bawag-Käufer, hatte sich, ziemlich überraschend, nicht erst nach der Verkaufsentscheidung zum Offenlegen ihrer Karten entschieden. Schon am Mittwoch der Vorwoche schlug sie sich auf die Seite der Cerberus-Gruppe und schloss sich ihr als Konsortialpartner an. Bis dahin war man stets davon ausgegangen, dass der siegreiche Bieter, wer auch immer es sein möge, die Post erst nach dem Kauf zur Beteiligung einladen wird. Der Grund für die nun von Post-Chef Anton Wais gewählte Vorgangsweise dürfte in der Preisdifferenz zwischen einem Einstieg post festum (zu einem relativ hohen Kaufpreis für die Anteile) und einem Vorwegbekenntnis zu einer Bietergruppe (das für die Post einen spürbar günstigeren Einstiegspreis bedeutete) gelegen sein. Für die Cerberus-Gruppe bedeutete die Unterstützung durch die Post einen finalen Schub im Entscheidungsprozess. Die Höhe der Kaufpreisersparnis für die Post würde zwar nicht bekannt gegeben, sie soll aber beträchtlich sein.

Das Versicherungsgeschäft in der künftigen Bawag-Finanzgruppe wird von Generali wahrgenommen werden. Deren scheidender Österreich-Chef Karl Stoss saß bei der Freitag-Pressekonferenz mit am Podium. Stoss wechselt per Anfang Jänner als Generaldirektor zu den Casinos Austria, die ihrerseits als Favoriten für die Übernahme der wertvollsten Bawag-Beteiligung, nämlich des 30-prozentigen Anteils an den Österreichischen Lotterien, gelten. Namens Generali unterstrich Stoss am Freitag die Tatsache, dass es sich bei den österreichischen Cerberus-Konsorten durchwegs um „strategische Investoren“ handle. Sie alle hätten Interesse, bei einem (in frühestens fünf Jahren vorstellbaren) Börsengang der Bawag ihre Anteile aufzustocken. „Ironischerweise“, so Stoss, habe er selbst vor neun Jahren, damals als Vorstandsdirektor der P.S.K., jenen Vertrag mit der Österreichischen Post ausverhandelt, der nun die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Bawag-P.S.K. und der börsenotierten Post bildet. Diese Kooperation bleibt also bestehen. Auf die Frage, ob eventuell die Kommunalkredit (sie war Teil des Lone-Star-Konsortiums) nun bei Cerberus andocken und von der Bawag-P.S.K. das Geschäft mit der öffentlichen Hand übernehmen könnte, antwortet Stoss mit einem klaren „Nein“: „Dieses Geschäft ist für die Bawag-P.S.K. sehr wichtig. Sie wird es auch künftig behalten.“

Namens des Cerberus-Konsortialpartners Wüstenrot wird übrigens nicht Susanne Riess-Passer, sondern Wolfgang Radlegger in den Bawag-Aufsichtsrat einziehen – gemeinsam mit einem noch nicht öffentlich bekannten Repräsentanten der Österreichischen Post. Generell sei nun „auf fünf Jahre gesichert“, dass die Bawag als unabhängige Bank erhalten bleibe, betonte Bankchef Nowotny am Freitag.

Und fünf Jahre – das sei im Finanzleben „eine halbe Ewigkeit“.

Von Liselotte Palme