Die Festnetzsparte der Telekom leistet sich enormen Luxus

Betrieb im Betrieb: Festnetzsparte der Telekom leistet sich enormen Luxus

Betriebsräte im Privatjet und im Dienstwagen

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Mit der Telekom Austria und ihren Mitarbeitern ist das so eine Sache. Dafür, dass das Unternehmen einen großen Teil von ihnen am liebsten loswerden möchte, haben es die Angestellten nicht so schlecht getroffen. 650 Millionen Euro hat der börsennotierte Konzern im Vorjahr für ein Restrukturierungsprogramm rückgestellt. Für dieses Geld werden 1250 Beamte in den Vorruhestand oder bei vollen Bezügen nach Hause geschickt. Weitere 500 „überzählige“ Beamte könnten zur Polizei wechseln, wo Verwaltungspersonal dringend gebraucht wird. Der Wechsel zur Exekutive wird mit einem Bonus von 6000 Euro pro Jahr versüßt.

Solche Angebote erhält nur, wer eine starke Lobby hat. Auf die Telekom Austria scheint das jedenfalls zuzutreffen. Die Personalvertreter des teilprivatisierten und börsennotierten Unternehmens verfügen auch 2009 über einen Apparat, der in Österreich seinesgleichen sucht. Alleine im Festnetzbereich, also ohne die Tochter Mobilkom und die Auslandsbeteiligungen, leistet sich das Unternehmen rund 100 Betriebsräte, von denen gleich 40 bei vollen Bezügen freigestellt, also gleichsam im Hauptberuf Belegschaftsvertreter sind. Diesen zur Seite stehen noch einmal 20 Personen, im Wesentlichen Sekretärinnen, die den Betriebsratsapparat organisieren. Sie disponieren obendrein über Büros im ganzen Land und eine eigene kleine Dienstauto-Flotte. All das auf Kosten des Unternehmens und seiner Aktionäre – 28,42 Prozent kontrolliert die Verstaatlichtenholding ÖIAG, der Rest verteilt sich auf private und ­institutionelle Anleger aus dem In- und Ausland.

„Ich habe einen 18-Stunden-Arbeitstag und wäre froh, wenn es mehr Leute geben würde, die mich unterstützen“, sagt Michael Kolek. Der 49-Jährige ist Vorsitzender des Zentralausschusses der Telekom Austria. In anderen Worten: Betriebsratschef. Dass es nicht noch mehr vom Dienst freigestellte Personalvertreter in der Telekom-Festnetzsparte gibt, versteht Kolek ohnehin als reines Entgegenkommen. „Wir verzichten seit einigen Jahren auf fünf Freistellungen, die uns vom Gesetz her zustehen würden“, so Kolek.

Für die Telekom-Austria-Mitarbeiter gelten buchstäblich eigene Gesetze. Anders als bei Unternehmen in der Privatwirtschaft werden Personalvertretungswahlen bei Post- und Telekom-Mitarbeitern – dazu zählen Bedienstete von Telekom Austria, Post und Postbus – nach dem so genannten Postbetriebsverfassungsgesetz abgewickelt. Damit ist den Angestellten eine besonders starke Vertretung garantiert. In einem Unternehmen vergleichbarer Größe – der Telekom-Festnetzbereich beschäftigt insgesamt 8000 Mitarbeiter – gibt es laut Arbeitsverfassungsgesetz Anspruch auf vier freigestellte Betriebsräte. Bei der Telekom werden in ­einer komplizierten Wahlarithmetik drei Gremien gebildet: Vertrauenspersonenausschuss, Personalausschuss und Zentralausschuss. Gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten lässt der Telekom-Betriebsrat derzeit 40 Mitglieder bei vollen Bezügen freistellen, dazu kommt noch mehr als ein Dutzend Bürokräfte, die ebenfalls nur für den Betriebsrat arbeiten – insgesamt also 60 Vollzeitkräfte. Für langjährige Personalvertreter, die ihr Mandat verloren haben, findet das Unternehmen gelegentlich auch Aufgaben abseits der üblichen Dienstverwendung. Diese dürfen sich dann beispielsweise hauptamtlich um den Telekom Sozialfonds oder ähnlich drängende Anliegen kümmern. Man schaut aufeinander. Laut Kolek ist der Betriebsrat in jeder Hinsicht ein Spiegelbild der Telekom-Belegschaft. Er selbst spiegelt eher die höheren Etagen wider. Vor seinem Wechsel in den Betriebsrat war Kolek als IT-Leiter zuständig für den Kunden Post, verantwortete Millionenaufträge. Da ein Betriebsrat aus seiner Tätigkeit laut Gesetz keinen Nachteil haben darf, erklimmt er eine virtuelle Karriereleiter. Als Beamter könnte Kolek bei der Telekom höchstens in die Dienstklasse 1S aufsteigen, das bedeutet Gehalt und Zulagen in der Höhe von insgesamt knapp 8000 Euro. Ganz so viel ist es bei Kolek nicht. Aber auch nicht viel weniger: Er wird auf knapp unter 7000 Euro brutto im Monat taxiert.

Dem Betriebsrat steht auch ein Pool von sechs Dienstautos zur Verfügung. Das kommt das Unternehmen billiger, als Kilometergeld zu bezahlen. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass die Nutzung der Dienstautos tatsächlich nur einigen wenigen im so genannten Zentralausschuss, der obersten Betriebsratsebene, vorbehalten ist. Als besonders privilegiert gilt Michael Kolek. Er allein soll zwei der sechs Autos exklusiv nützen. Einen Mittelklasse-Audi quasi als Privatfahrzeug und einen schnittigen BMW X3. Dieser wird gewöhnlich von einem eigens für Kolek abgestellten Chauffeur gelenkt. Der X3 ist obendrein ein ungewöhnliches Fahrzeug in der Telekom-Dienstflotte, die beinahe ausnahmslos aus Volkswagen und Audis besteht.

Der Wagen wurde auf expliziten Wunsch des früheren Finanzvorstandes Stefano Colombo angeschafft. Seit dessen Ausscheiden 2007 steht er der Personalvertretung zur Verfügung. „Welche Autos wir hier bekommen, entscheidet das Unternehmen. Ich bin für unsere Mitarbeiter viel in Österreich unterwegs, halte mich an die vorgegebenen Konzernregeln“, so Kolek.

Sommerfrische. Manchmal treiben seine Dienstreisen Michael Kolek auch über Österreichs Grenzen hinaus. So geschehen im Sommer des Vorjahres. Das ganze Jahr 2008 über hatte es intensive Gespräche zwischen der damaligen Telekom-Führung unter Boris Nemsic und ÖIAG-Alleinvorstand Peter Michaelis gegeben. Dabei wurde klammheimlich nach einem strategischen Investor gesucht, der die Telekom-Anteile des Bundes übernehmen sollte. Im Hochsommer wähnte man sich mit den Vorbereitungen der Privatisierung am Ziel. Mit dem ägyptischen Telekom-Konzern Orascom war ein aussichtsreicher Interessent gefunden worden.

Was dann folgte, wirkt auch in der Nacherzählung durch Michael Kolek etwas geheimnisvoll. „Mir ist aus dem Unternehmen mitgeteilt worden, dass Herr Sawiris von der Orascom mit mir sprechen will“, so Kolek. Von wem genau aus dem Unternehmen diese Einladung ausgesprochen wurde, verrät Kolek auch auf Nachfragen nicht. Auch nicht, auf welcher Basis ein Telekom-Personalvertreter Verhandlungen über die Veräußerung von Republiksvermögen, nämlich der via ÖIAG gehaltenen 28,42 Prozent der Telekom-Austria-Aktien, führen soll oder darf. Kolek erklärte sich bereit, den milliardenschweren Orascom-Gründer und Großaktionär Naguib Sawiris zu treffen. Der Ort der Unterredung: das beschauliche Städtlein Olbia an der Costa Smeralda Sardiniens. Ein mondäner Ort, an dem sich im Sommer Reich & Schön tummeln. In diesem Sommer war dies nicht nur Sawiris, genannt der „Rockefeller Ägyptens“, sondern auch der österreichische Milliardär Martin Schlaff, der für die Beförderung des Telekom-Betriebsratsvorsitzenden fürsorglicherweise seinen Privatjet zur Verfügung stellte. Möglicherweise war Kolek zu überrascht, um sich einige kritische Fragen im Zusammenhang mit seiner plötzlichen Dienstreise zu stellen.

Vielleicht wollte er auch nicht wissen, in wessen Dienst er sich mit dieser Reise stellte. Denn Martin Schlaff hatte selbst ein lebhaftes Interesse, Sawiris Gesprächspartner aus der Telekom zuzuführen. Der in Osteuropa und im Nahen Osten glänzend vernetzte Schlaff hat seine Kontakte bereits mehrfach dem Management der Telekom Austria zur Verfügung gestellt. Und dabei prächtig verdient. Als Dealmaker hätte er auch beim Einstieg von Sawiris ­kräftig zugelangt. Einen Gratisflug, einen Kaffee und ein Mineralwasser. Mehr hat Michael Kolek auf seinem Kurztrip nach eigenem Bekunden nicht konsumiert. „Nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht. Ich war nicht viel mehr als eine Stunde dort. Es war Sommer und ich viel zu warm angezogen. Das war keine wahnsinnig angenehme Situation, aber mir ist es egal, wo und in welchem Rahmen ich mich für das Unternehmen einsetze.“

Und wer sonst noch davon profitieren könnte.
Kolek will bis heute nicht wissen, in wessen Jet er da an die smaragdgrünen Gestade des Mittelmeers geflogen ist. Das ist insofern verwunderlich, als er nämlich sehr genau weiß, „dass weder das Unternehmen noch die Republik Österreich für diesen Flug auch nur einen Cent gezahlt hat“. Dass er in Olbia auch mit Martin Schlaff zusammengetroffen ist, gibt Kolek auch nur auf Drängen zu. An der Optik stößt er sich nicht: „Die Geschichte des Herrn Schlaff in der Telekom ist ja eine lange. Warum soll ich mich da wundern?“ Und überhaupt: „Nach meiner Rückkehr haben wir im Betriebsrat die Standpunkte des Herrn Sawiris diskutiert und uns gegen seinen Einstieg ausgesprochen. Die Sache ist also ohnehin im Sand verlaufen.“

Privatjet, Kaffee mit zwei Milliardären, Verhandlungen über Republiksvermögen – anscheinend business as usual für einen Telekom-Betriebsrat. „Irgendwann werde ich einmal meine Geschichten aus der Telekom aufschreiben. Da werden Sie noch viel Unwahrscheinlicheres lesen.“