Bier, Oida!

Pop. Die Vamummtn sind Österreichs erstaunlichste HipHop-Gruppe

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Aus dem verdunkelten Erdgeschoß dringt ein Schnäuzen auf die Terrasse, ein Husten und "Oiiida“-Stöhnen. Dann: Bierdosenknacken. "Geht schon wieder?“ - "Na sicher.“ Vier Rapper werden langsam munter, es ist vier Uhr nachmittags, Köpfe und Beine sind noch ein bisschen zittrig, die Sprüche aber eh schon wieder locker. Im Vamummtn-Heimstudio in einer gepflegten Wiener Umlandgemeinde herrscht ungepflegtes Chaos, zwischen Schnapsflaschen quellen Aschenbecher über, CDs stapeln sich auf Laptops, Videospiele ragen aus einer stattlichen Anhäufung von Party-WG-Paraphernalien. Die Vamummtn wissen zwar noch nicht ganz, wo ihnen der Kopf steht, erklären aber gern, warum das alles genau so sein muss, wie es ist.

Vier beharrlich postpubertäre Anfangdreißiger, die sich öffentlich nur mit Maske zeigen und als Ansa, Zwara, Dreia und Viera angesprochen werden wollen, erleben gerade eine der erstaunlichsten Karrieren der jüngeren österreichischen Popgeschichte. Mit spontan aufgenommenen, billig produzierten Mixtapes, in Mundart gehaltenen Party-Rap-Hymnen und einer Serie handgestrickter YouTube-Videos haben sich die selbst ernannten "Slangster“ ein veritables Massenpublikum erspielt. Auf Facebook haben sie über 80.000 Fans, im wirklichen Leben den Gasometer aus dem Stand ausverkauft; ihre erste echte Single ("Krocha-Hymne“) wurde gleich für einen Amadeus Award nominiert, live spielen sie regelmäßig vor mehreren tausend Fans. Dabei kommt ihr erstes reguläres Album ("Rap is (k)a Ponyhof“) erst dieser Tage in den Handel. Stolz zeigen sie Handyfotos von Fan-Körperteilen mit großflächigen Vamummtn-Tätowierungen. "Unglaublich, oder?“

Stimmt. Dabei war doch alles nur ein Gag.
Er begann vor fünf Jahren mit einem ganz normalen Bubenabend: "Wir sind halt so fett da herumgesessen und haben uns zigmal dieses YouTube-Video ang’schaut.“ Der Clip stammte von einer nicht weiter bemerkenswerten Rap-Gruppe aus Wien, die sich ihr Wohnviertel als Ghetto und ihren Alltag als Gangsta-Lifestyle zurechtfantasierte und gnadenlos an den eigenen (US-)Vorbildern scheiterte. "Na, und dann haben wir den Track auf Mundart umgetextet und das Video nachgestellt - mit Plastiktrompete statt Puff’n und Welpen statt Kampfhund.“ Und weil sich die Original-Gangsta hinter Halstüchern versteckten, war man im Antwortvideo eben auch vermummt beziehungsweise: vamummt. Das Video wurde online zum Selbstläufer, es folgten zahlreiche weitere, ein Genre war geboren: Slangsta-Rap.

Es besteht im Wesentlichen aus elektrifiziertem HipHop im Geist von Deichkind, nachdrücklich formulierten, durchwegs in Mundart gehaltenen Aufforderungen zum Feiern, Ficken und Nintendo-Spielen sowie deftigen Angriffen auf alle, die das nicht so lustig finden, also die "Wappler“ beziehungsweise "Beidl“ beziehungsweise "Wichser“. Welchen Nerv sie damit treffen, können die Vamummtn leider selbst nicht so genau sagen, sie vermuten, dass es wohl irgendwie an der Publikumsnähe liegt: "Die Nummern, die am besten ankommen, sind eigentlich die, die im Rausch entstanden sind. Damit kann sich jeder identifizieren.“ Gut, aber wie lautet nochmal die Botschaft? "Die Botschaft lautet: Rap is ka Ponyhof. Nein, im Ernst: Jeder empfindet Musik anders. Was sollen wir da mit einer Botschaft? Wir sind weder politisch noch religiös noch auf einen Fußballverein festgelegt. Wir machen halt Musik für uns. Das Konzept entsteht im Nachhinein.“

Die Vamummtn mögen die Spontanität zum Arbeitsprinzip erklären und das Scheißmirnix zur Grundhaltung - über die eigentliche Qualität ihrer Tracks können sie damit freilich nicht ganz hinwegtäuschen. Diese sind zwar nicht besonders feinsinnig und auch weltanschaulich eher zweifelhaft, aber eben auch randvoll mit guten Einfällen, gelungenen Pointen und großartigen Beats - herrlicher Blödsinn, eindeutig auf "herrlich“ betont. Mit "Rap is (k)a Ponyhof“ wird sich das auch jenseits ihrer Facebook-Fangemeinde herumsprechen. Wohin das dann alles noch führen soll, wissen die Vamummtn jetzt aber beim besten Willen nicht. Immer schön langsam. Es ist ja noch früh. Vielleicht noch ein Bier, Oida?

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.