Leitartikel: Christian Rainer

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Am Freitag vergangener Woche, eher vor acht Uhr morgens als danach, rief mich ein Mitglied der Bundesregierung zwecks Erkundung des dieswöchigen Leitartikelthemas an. Da der Leitartikel um diese Zeit üblicherweise weder geschrieben noch entworfen ist, weil die menschliche Artikulationsfähigkeit in der Morgendämmerung zu wünschen übrig lässt und weil das ohnehin niemanden etwas angeht, blieb man die Antwort schuldig.
Jedenfalls gründete die Anfrage augenscheinlich in der Neugier, ob sich profil in dieser Woche den Verwerfungen innerhalb der Volkspartei widmen würde. Und ich lasse jetzt einmal offen, ob da ein Sozialdemokrat Öl ins Feuer gießen oder ein Schwarzer die Flammen löschen wollte.

Tatsache ist, dass die kleinen Höhepunkte der politischen Sommersaison neben dem Bawag-Prozess doch überwiegend aus dem Bereich der unterschiedlichen ideologischen Positionen innerhalb der Regierung kommen, seien es nun Differenzen zwischen den beiden Großparteien oder Streitigkeiten innerhalb der eigenen Reihen. Mehr und mehr entwickeln sich dabei die Kräfteverhältnisse bei der Volkspartei zu einem echten Renner. Das ist überraschend – aber nur, weil eben noch die Kritik am Obmann der Sozialdemokraten und die daraus resultierenden Zerfallstendenzen der SPÖ ein Hauptthema des innenpolitischen Alltags gewesen waren. Nicht in diesem Sommer, den kann Alfred Gusenbauer in aller Ruhe verbringen.

Im Prinzip wundern die Diskussionen innerhalb der ÖVP aber nicht. Sie haben Tradition, und sie sind eine zwingende Konsequenz aus der eigenartigen bis widersprüchlichen – für manche wohl gottgegebenen – Struktur der Partei. Da gibt es zunächst drei Bünde, die miteinander bisweilen weniger Interessen teilen als die ÖVP insgesamt mit den Sozialdemokraten. Der ÖAAB als Arbeitnehmervertreter wäre ja wohl eher als ein natürlicher Widerpart des Wirtschaftsbundes anzusehen und nicht als Teil desselben Verbandes. Die Bauern wiederum befinden sich in einer durchaus eigenständigen Position. Sie sind Unternehmer, meist daneben aber auch Arbeitnehmer, und sie pflegen überdies ein historisch gewachsenes Missverhältnis zur Industrie, aber auch zu den Beamten, und eine entsprechend andere Sprache. Hinzu kommt die föderale Struktur der ÖVP, die sich in fundiertem Selbstbewusstsein samt Unwucht der Machtverhältnisse äußert. Wer etwa würde behaupten, dass Obmann Wilhelm Molterer in einer Mittelfristbetrachtung mehr Einfluss auf die Parteibefindlichkeit hat als Erwin Pröll?

Konkret sieht die Gemengelage dann am Beispiel der Ausländerfrage so aus: Wirtschaftsbundpräsident Christoph Leitl will jedem legal im Inland lebenden Ausländer eine Arbeitsgenehmigung geben. Den Betrieben, die er vertritt, käme das durchaus zupass. Innenminister Günther Platter hingegen ist strikt gegen jede Öffnung des Arbeitsmarktes. Was wenig wundert, ist er doch zugleich Tiroler ÖAAB-Obmann und will von dieser Position aus Landeshauptmann in Innsbruck werden. (Dass Leitl seine Machtbasis in Oberösterreich hat, hilft da nicht wirklich weiter.) Wenig beruhigend auch die Nachricht, dass von der Steiermark eigene Meinungen ausgehen: Eine offensichtlich recht liberale ÖVP-Perspektivengruppe rund um den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl will allen ausländischen Ehepartnern von Österreichern automatisch eine Arbeitsgenehmigung geben (und statt der Bezeichnung „Migrant“ den Titel „Neu-Wiener“, „Neu-Grazer“ etc.). Der Innenminister findet das nicht gar so lustig. Ähnlich war schon die Diskussion um die Schulreform gelaufen. ÖVP-Bildungssprecher Fritz Neugebauer, langjähriger Beamtengewerkschafter und zudem auch noch ÖAAB-Obmann, hatte sich jede Diskussion über die Gesamtschule verbeten. Bedauerlicherweise fanden die ÖVP-Länderchefs reihenweise Gefallen an derartigen Projekten. Wilhelm Molterer ist wirklich nicht zu beneiden.

Zumal das Entstehen einer weiteren Front zu vermelden sei, wie mein morgendlicher Anrufer am vergangenen Freitag vermeldete: eine Konfliktstellung zwischen den Generationen. Und das mag durchaus so sein. Demnach wäre an der Spitze der parteiinternen Alterspyramide Alt- und Klubobmann Wolfgang Schüssel zu sehen. An der Basis fänden sich Personen wie Josef Pröll oder Andrea Kdolsky. Dazwischen irgendwo Molterer. Kein schlechtes Bild – und vermutlich eine Situation, die weiteren Konfliktstoff bietet: Die Minister Pröll und Kdolsky (oder auch Johannes Hahn) mögen sich selbst als christlich-sozial bezeichnen, Wertkonservativismus findet sich bei ihnen aber weniger in Fleisch und Blut als in Form von Spurenelementen.
Durchaus entsprechend der Logik dieser Analyse übrigens: An der Spitze des ÖVP-Seniorenbundes steht nun Andreas Khol. Er war Wolfgang Schüssels Klubobmann und sein Chefideologe.