Dauerauftrag

Blaulichtfunk: Innenministerium sicherte Motorola Abnahmegarantie

Blaulichtfunk. Motorola hat eine Liefergarantie bis 2043

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Wer „Tetron“ sagt, weckt viele Assoziationen. Diese wären ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Blaulichtfunk; Ernst Strasser, Ex-Minister; Christoph Ulmer, Berater; Alfons Mensdorff-Pouilly, Lobbyist; der Elektronikkonzern Motorola; mutmaßliche Schmiergeldzahlungen; fragwürdige Berateraufträge; U-Ausschuss; Staatsanwaltschaft; Unschuldsvermutung.
Nun fügt sich ein weiteres Wort in die Gedankenkette: Dauerauftrag.
Anders lässt sich die Vereinbarung, welche zwischen der Betreibergesellschaft Tetron und dem Innenministerium 2004 geschlossen wurde, nicht beschreiben. Diese sichert Motorola eine monopolähnliche Stellung bei der Lieferung von Funkgeräten an die Blaulichtorganisationen zu – und das jedenfalls bis zum Jahr 2043. Dieser bisher unbeachtete Passus gerät nun in die Kritik von Konkurrenzunternehmen, weil ihnen dadurch der Marktzugang für ihre Produkte erschwert wird.

Es darf eigentlich nicht mehr überraschen. Die Digitalisierung des Behördenfunks, ein Projekt, das bereits vor der Jahrtausendwende begonnen worden war, war von Beginn an von Ungereimtheiten
begleitet. Zunächst wurde das ursprünglich beauftragte Konsortium wegen „technischer Probleme“ gefeuert und dennoch mit 30 Millionen Euro entschädigt; dann kassierte der Lobbyist Mensdorff-Pouilly von der schlussendlich nominierten Bietergruppe Motorola/Alcatel/Telekom Austria in Summe vier Millionen Euro für Beratungsaufträge; letztlich gestaltet sich der Roll-out des Systems in den Ländern bis heute zäh und so kostspielig, dass das Innenministerium Tetron bereits finanziell unter die Arme greifen musste.

Wettbewerbsrechtliches Unikat
Tetron, das ist jene Betreibergesellschaft, welche also den digitalen Netzausbau vorantreibt und Endgeräte zertifiziert und liefert. Die GmbH steht im Eigentum von Alcatel (35 Prozent) und Motorola (65 Prozent). Als 2004 der Vertrag zwischen Tetron und Ministerium fixiert wurde, fand
darin eine Leistungsvereinbarung mit weit reichenden Konsequenzen seinen Niederschlag: Länder und Einsatzbehörden können bei Tetron jederzeit Funkgeräte ohne Ausschreibung anfordern; allerdings nur jene Gerätenamen, welche 2004 im Zuge des Vergabeverfahrens angeboten worden waren – davon sind heute nur noch Motorola und, in einer kleinen Nebenrolle, Cassidian (eine EADS-Tochter) übrig. Wer Geräte anderer Hersteller will, muss zwingend ausschreiben. Nun hat es schon eine gewisse Logik, dass eine Gesellschaft, welche zu 65 Prozent im Eigentum von Motorola steht, vorzugsweise Motorola-Geräte an die Einsatzkräfte bringen will.

Aber dieser Zeitrahmen?

Die Klausel gilt 25 Jahre ab Vollausbau des Behördenfunks – und nachdem dieser frühestens 2018 erreicht sein wird, kann sich der US-Hersteller jedenfalls bis 2043 entspannt zurücklehnen.

Die Erstausstattung Österreichs mit rund 40.000 Endgeräten spielt geschätzte 20 Millionen Euro ein. Nach fünf bis sieben Jahren müssen die Teile erneuert werden, woran sich wieder Millionen an Einnahmen knüpfen.
Eine im Grunde unhaltbare Regelung in einem Marktsegment, welches in rasantem Tempo technischen Veränderungen unterworfen ist; und ein wettbewerbsrechtliches Unikat, das möglicherweise europäischem Recht zuwiderläuft, wonach für Güter mit überschaubarer Haltedauer Rahmenverträge mit drei- oder fünfjähriger Laufzeit abzuschließen sind.
Bisher hat lediglich der Autobahnbetreiber Asfinag im Vorjahr eine Ausschreibung durchgeführt. Hier setzten sich die Endgeräte von Sepura Systems durch. Das britische Unternehmen wird auf der Website von Tetron zwar gelistet, dessen Geräte dürfen aber nur über den Weg einer Ausschreibung beschafft werden.

Anders eben Motorola: Tirol, Niederösterreich, Wien und das Burgenland, ebenso die Blaulichtbehörden dieser Länder, entschieden sich für Motorola und konnten dessen Produkte umstandslos bei Tetron bestellen. Mit dem durchaus logischen Argument: 2004 sei ohnehin eine Ausschreibung erfolgt, also wozu jetzt, fast ein Jahrzehnt später, noch eine?

Das Innenministerium hält auf Anfrage von profil fest: „Es bleibt jedem Bedarfsträger unbenommen, ein eigenes Vergabeverfahren durchzuführen. Das Ministerium kann jedoch keine Anordnung oder Empfehlung an die Länder aussprechen.“ Dem Hinweis, wonach Motorola den Marktpreis diktieren könnte, wird eine „Marktevaluierung des Systembetreibers“ – also von Tetron und somit Motorola – entgegengehalten, welche „die Marktkonformität der Preise bestätigt“ habe. Logische Konsequenz: An eine Vertragsänderung wird nicht gedacht.

Somit werden auch die Innenminister der nächsten sechs Legislaturperioden mit Motorola leben müssen.