Traditionsbruch

Bösendorfer-Fabrik in Wien wird abgerissen

Aktuell. Die Bösendorfer-Fabrik in Wien wird abgerissen

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Von Alexander Bartl

Ein Wiener Bauwerk, das mehr als 150 Jahre überdauert hat, ohne irgendjemanden unter umstürzenden Mauern zu begraben, hat eigentlich Respekt verdient, nicht seinen Abriss. Zumal besagte Immobilie alles andere als einen Schandfleck im Straßenbild darstellt, der dringend wegmüsste. Dennoch soll die vormalige Fabrik des Klavierherstellers Bösendorfer im 4. Wiener Gemeindebezirk bis zum Ende der Sommerferien Geschichte sein. Eine halbe Ewigkeit lang zierte sie die Graf-Starhemberg-Gasse. Doch plötzlich steht sie im Weg - Pech gehabt. Nachdem das Unternehmen Bösendorfer vor zwei Jahren sämtliche Geschäftsbereiche in seinem Wiener Neustädter Quartier gebündelt hatte, verwaiste das Haus. Aufgegeben wurden die Büros, eingestellt der Konzertbetrieb im Bösendorfer-Saal. Es wurde still um die Immobilie.

Doch nun sind die leisen Tage vorbei. Erst kürzlich schreckte Anrainer die Nachricht auf, dass es nebenan demnächst ziemlich laut werden würde. Keine Klaviermusik, sondern Abrisslärm wird sie nun durch den Sommer begleiten. Vorausgegangen war dieser Mitteilung die Veräußerung des Anwesens an die Real Treuhand, eine Tochter der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Der Verkauf im März 2012 besiegelte das Ende der Fabrik. Schließlich investieren Bauträger ungern in die Wahrung historischer Architektur, wenn sie kein profitables Investment verspricht. Ein massiver Wasserschaden habe dem Haus zugesetzt, heißt es seitens der Real Treuhand. Wer wollte angesichts 20 Zentimeter hoher Bodenwellen im Parkett ernsthaft über eine Sanierung nachdenken? Die Real Treuhand jedenfalls nicht. Auf dem leer geräumten Areal wird sie einen Neubau mit Tiefgarage und 80 Wohnungen errichten. Aus einem geladenen Wettbewerb ging das Wiener Büro HuB Architekten als Sieger hervor. Das Tempo, mit dem nun Fakten geschaffen werden, mag überraschen. Immerhin bemühte sich das Bundesdenkmalamt (BDA) nach dem Auszug von Bösendorfer darum, die Immobilie unter Schutz zu stellen.

Dass daraus nichts wurde, hängt auch mit dem früheren Eigentümer zusammen - der nicht eben unprominenten Familie Lauda. Sie legte sich quer, worauf das Kulturministerium, dem das BDA unterstellt ist, im November 2011 zugunsten der Laudas entschied. So darf ein Bauwerk, das Denkmalexperten für schützenswert hielten, umstandslos gefällt werden. Auf profil-Anfrage teilt die Baupolizei lapidar mit, der geplante Abbruch sei ihr "zur Kenntnis gebracht“ worden. Mehr ist nicht nötig, denn gemäß der Wiener Bauordnung ist die Zerstörung eines Hauses ohne Denkmalprädikat "bewilligungsfrei“, sofern es außerhalb der ausgewiesenen Schutzzonen steht wie die Bösendorfer-Fabrik. Weil also alle Beteiligten ihren Vorteil im Rahmen des Rechts betrieben, darf ein Gebäude mit respektabler Historie im Handumdrehen aus dem Straßenbild getilgt werden. Eine Stadt müsse sich architektonisch weiterentwickeln, sie dürfe ihr Herz nicht ans Vergangene ketten, heißt es oft. Mag ja sein, nur leider sieht das Neue in Wien häufig nicht gut genug aus, um den Altbestand dafür leichtfertig zu opfern.