Männer über Frauen. Briefe an Göttinnen

Briefe an Göttinnen: Die Liebeserklärungen prominenter Männer an große Filmdiven

Prominente Männer über die Filmdiven

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Die in unterschiedlichen Jahrhunderten lebenden Schriftsteller Oscar Wilde und Truman Capote waren sich darüber einig, dass die unerfüllten Lieben in der Nachbetrachtung zu den intensivsten gehören. Dass Leinwandbegegnungen durch die unüberwindbare Distanz eine besondere Art der Intimität hervorzurufen imstande sind, liegt in der Natur der Sache. Der Schriftsteller Robert Menasse begründet die Anziehungskraft, die Romy Schneider auf ihn ausübte, mit „der Verdopplung des Traums“: „Sie löste nicht nur Bewunderung aus, sondern auch die Sehnsucht, sie zu erlösen.“ Mit der traurigen Erkenntnis, daran zu scheitern, wurde Menasse für immer „Witwer im Kino“. Es mag kein Zufall sein, dass ausgerechnet Romy Schneider von den für das Buch „Frauen, die wir liebten“ um persönliche Beiträge gebetenen Herren (siehe folgenden Vorabdruck) viermal zur Projektionsfläche einer unstillbaren Sehnsucht gewählt wurde. Die Österreich-Flüchtige, die im September ihren 70. Geburtstag begangen hätte, markiert einen Wendepunkt in der Historie der Starfrauen. Am zeitlichen Schnittpunkt zwischen Wirtschaftswundermief und feministischen Befreiungstheorien erhob sie sich zum Subjekt, indem sie mit nahezu selbstzerstörerischer Konsequenz die berufliche Selbstbestimmung lebte, aber gleichzeitig die Spielregeln, die zur Job-Description eines weiblichen Objekt-Status gehörten, erfüllte. Das machte sie so schön wie traurig. „Sie verführte fast schon zwanghaft“, erzählte Schneiders jahrelanger Seelenfreund Jean-Claude Brialy in einem profil-Interview. „In der Einforderung von Liebesbeweisen war sie gnadenlos.“ Gnadenlos war die Schneider auch gegen sich selbst. Der für alle nachlebbare Nachweis eines Privatlebens auf der Rasierklinge steigerte die Dimension ihrer tragischen Aura um ein Vielfaches. Die Kulturhistorikerin Elisabeth Bronfen beschreibt das System Diva so: „Sie verkörpert nicht nur Glamour, sondern auch einen Schmerz: Der reale Leib in seiner Versehrtheit hat am verführerischen Spiel immer teil.“ Marilyn Monroe, die Sexikone der Popkultur mit der größten Strahlkraft, konnte sich eine Generation vor Romy Schneider den Luxus der Systembefreiung noch nicht erlauben. Sie musste sich dem Image der dümmlichen Kindfrau zeitlebens bedingungslos unterwerfen – einer Kindfrau, die Männer zwar in den Wahnsinn treiben, aber ihnen am Abend trotzdem kulleräugig einen Teller Suppe reichen kann. In ihrem letzten Interview, eine Woche vor ihrem Tod, sagte die MM: „Das Elend ist, dass ein Sexsymbol zu einem Ding wird. Und ich hasse es, ein Ding zu sein.“

Die Monroe verkörperte ihrerseits einen Paradigmenwechsel in der Star-Rezeption. Während die Diven der goldenen Ära wie die Garbo und die Dietrich zu Göttlichkeit und Rätselhaftigkeit verdonnert worden waren, durfte die MM mit ihrer Tablettensucht und den wechselnden Ehemännern das Publikum zu voyeuristischen Teilnehmern einer Glaubensgemeinschaft machen. Ein Prinzip, das auch Stars wie Liz Taylor und Hildegard Knef, deren schauspielerische Fähigkeiten allein nicht für die Unsterblichkeit ausgereicht hätten, einen Platz auf dem Glamour-Olymp sichert. „Kein Publikum der Welt ist das eigene Leben wert“, erklärte die Knef knapp vor ihrem Tod, fügte aber im selben Atemzug nicht ohne Stolz hinzu: „Bei mir ging es immer sehr pompös zu.“ Das Starsystem ist mittlerweile durch einen Celebrity-Zirkus abgelöst worden, der vor allem durch die Lust am Geheimnisverrat am Laufen gehalten wird. Die ideale Berühmtheit des 21. Jahrhunderts definiert sich durch ein möglichst schillerndes Set an Funktionsstörungen und die Bereitschaft, diese ausbeuten zu lassen. Britney Spears, Lindsay Lohan und Mischa Barton heißen die austauschbaren Lolitas, die vorrangig durch das Tragen keiner Unterhosen und alkoholbedingte Kollapse in diversen Nachtklubs Eindruck hinterlassen. Klassische Starqualität inmitten dieser Starlet-Armada besitzt nur noch Scarlett Johansson, im Buch vom Künstler Jonathan Meese gewürdigt. Denn sie haben keine „Augen, in denen man sich verlieren kann“, wie Udo Kier über die Taylor schreibt, und die „Leuchtkraft des Verderbens“ (Ostermaier über die Bardot) ist ihnen fremd. Von der Diva mit der größten Klappe der Hollywood-Geschichte, Bette Davis, würden sie allenfalls ein scharfes „Life should be bigger than life!“ um die Ohren gepfiffen kriegen.
Von Angelika Hager

Otto Waalkes über Marilyn Monroe
Irgendwie kommt es selten vor, dass jemand schön ist und komisch sein kann. Ich weiß auch nicht, woran das liegt: Die Mona Lisa kann man schön finden, sie lächelt – aber komisch ist sie deswegen noch lange nicht. Wenn Marilyn Monroe lächelte, war sie schön und komisch zugleich, im selben Augenblick. Das ist sehr, sehr selten. Das wusste ich damals noch nicht: Zum ersten Mal sah ich ihr Gesicht auf einem Sammelbildchen. Die gab es damals – ich rede von meiner Volksschulzeit Ende der fünfziger Jahre – in Zigarettenschachteln. Sie lächelte, und ihre Schultern waren nackt. Deswegen habe ich zeichnen gelernt, bei dem Versuch, diese nackten Schultern zu ergänzen, nach unten natürlich. Die Ergebnisse sind nicht mehr der Rede wert: Sie waren komisch, aber nicht schön. Doch immerhin habe ich dabei gelernt, Ottifanten zu zeichnen. Dass Marilyn Monroe komisch sein konnte, das sah ich später. Sie blieb schön und machte das bezaubernd, egal, wer ihr Partner war: Cary Grant, Richard Widmark, Robert Mitchum, Clark Gable, Yves Montand, Joseph Cotton und natürlich Tony Curtis in „Some Like It Hot“. In keinem Film war sie schöner, in keinem komischer. Ich musste früh einsehen, dass ich als Partner nicht infrage kam, doch auch dieses Problem habe ich gelöst: Meine Frau ist schön, und sie kann komisch sein. Im selben Augenblick. Und das ist sehr selten, wie gesagt.

Marilyn Monroe ist das Sexsymbol des 20. Jahrhunderts. Sie starb 1962 im
Alter von 36 Jahren in Los Angeles.

A. Otto Waalkes, 60, ist Deutschlands erfolgreichster Komiker, sowie Cartoonist und Autor.

Robert Menasse über Romy Schneider
Ich habe nie eine Filmgöttin angebetet. Das Mädchen aus der Parallelklasse, die Frau im Café am Nebentisch, die unbekannte ­Passantin auf dem Boulevard waren mir fern genug. Die Traumwelt des Films hat die alte Traumwelt der Märchen auf den Kopf gestellt. Im Märchen kann ein Frosch durch einen Kuss zum Prinzen werden – das war Fantasie, aber es bedurfte keiner Fantasie, um zu wissen: Komme ja nicht in Kussnähe zu einer Film­ikone: Sie wird sofort zum Frosch! Der Film macht aus Schauspielern andere, als sie sind, aber aus den Zuschauern nur Frösche, die nicht einmal mehr Prinzen sein wollen, sondern Ministranten: die anbeten wollen und Weihrauch schwenken. Darum habe ich nur einmal in meinem ­Leben eine Schauspielerin geliebt: Romy Schneider. Bei ihren Filmen (nach der „Sissi“, die sie selbst verachtete) hatte ich das Gefühl, sie seien mit versteckter Kamera aufgenommen. Es schien in jeder Sekunde so, als spielte sie nicht, als sei sie wirklich so. Sie war in der Traumwelt die Frau, die einen Traum diesseits der Traumwelt vorführte: die Sehnsucht nach dem wirklichen Glück im wirklichen Leben. Die Sehnsucht nach einer Liebe, die ihr in der Traumwelt keiner geben konnte, weil sie echt sein sollte. Sie projizierte von der Leinwand genau den Traum in die Wirklichkeit, der in Wirklichkeit auf die Leinwand projiziert wird. Diese Verdopplung des Traums bewirkte ihre eigentümliche Au­thentizität – das war, glaube ich, ihr Kniff: Sie löste nicht bloß Bewunderung aus, sondern auch die Sehnsucht, sie wirklich zu erlösen. Ich habe fantasiert, dass ich das könnte. Ich habe sie nie kennen gelernt, konnte sie also nicht retten. Seitdem bin ich im Kino Witwer.

Romy Schneider war Österreicherin und die tragische Diva des französischen Films. Sie starb 1982 im Alter von 43 Jahren in Paris.

Robert Menasse, 54, ist österreichischer Schriftsteller. Zuletzt erschien sein Roman „Don Juan de La Mancha oder Die Erziehung der Lust“.

Das Buch
Sehnsuchts-Deklarationen von berühmten Männern an ihre Lieblingsstars „Frauen, die wir liebten – Filmdiven und ihre heimlichen Verehrer“ Hrsg. von Freddy Langer. Mit zahlreichen Fotos, 160 S., EUR 25,50.
Elisabeth Sandmann Verlag