Grassers Budget: Abrechnung

Budget: Abrechnung

Die Steuerreform kompensiert kaum

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Donnerstag vergangene Woche im Wiener Rathaus.
Im Stadtsenatssitzungssaal tagen die Landeshauptleute unter dem Vorsitz von Michael Häupl. Im Büro von Gesundheitsstadträtin Renate Brauner sitzen die Gesundheitsreferenten der Länder mit Ministerin Maria Rauch-Kallat zusammen.
Weißer Rauch steigt am Ende des Tages nicht auf.

Die entscheidende Frage, ob es nun Einnahmenerhöhungen im Gesundheitsbereich geben soll und wenn ja, welche, wurde in beiden Gremien ausgespart.

Das ist bemerkenswert. Das vor zwei Wochen geschnürte Belastungspaket in der Höhe von 305 Millionen Euro hatte immerhin einigen Tumult ausgelöst. Ländervertreter von SPÖ und FPÖ hatten dem Paket zugestimmt, die Bundesparteien sind dagegen.

An der Vorgabe des Finanzministers ist allerdings nicht zu rütteln. Karl-Heinz Grassers Deal für den Finanzausgleich sieht Folgendes vor: Er gibt den Ländern mehr Geld für die Spitäler und die Landeslehrer, zusätzlich deckt er einen Teil ihrer Ausfälle durch die Steuerreform ab. Dafür steuern die Länder mehr Geld zur Senkung seines Bundesdefizits bei.

Kranke zur Kassa. Außerdem will sich der Finanzminister noch 305 Millionen Euro vom Steuerzahler holen, um sein Bundesdefizit von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu halten. Das Geld soll durch höhere Rezeptgebühren, Krankenversicherungsbeiträge und Tagsätze in den Spitälern und teurere Zigaretten aufgebracht werden. Verkauft wird das Ganze unter dem Titel „Gesundheitsreform“.

War es nicht das Kabinett Schüssel I, das im Jahr 2000 den damaligen Präsidenten des Hauptverbandes, Hans Sallmutter, seines Amtes enthob, weil er zur Finanzierung der Kassen Beitragserhöhungen vorgeschlagen hatte?

Mit dem jüngsten Vorhaben wählt die Regierung einmal mehr den bequemen Weg: Neue Einnahmen sind allemal einfacher als langwierige Strukturreformen. Schon das viel gelobte Nulldefizit war mehrheitlich über Einnahmen erreicht worden, nicht über Sparmaßnahmen.

Die bisherige Budgetpolitik von Karl-Heinz Grasser ist für den Steuerzahler unter dem Strich ein Verlustgeschäft: Seit dem Jahr 2000 werden die 5,7 Millionen Einkommensbezieher (inklusive Pensionisten) laufend zur Kasse gebeten. Für den ausgeglichenen Staatshaushalt mussten sie tief in die Taschen greifen. Heute ist das Nulldefizit weg, aber die damals ausgeklügelten Belastungen und Verteuerungen gelten immer noch. Sie werden auch durch die Steuerreform, die nächstes Jahr in Kraft tritt, nicht wettgemacht.

Eine Gegenrechnung anhand der Budgetbegleitgesetze macht dies sichtbar.

Rechnet man die Steuererhöhungen, Gebührenanhebungen und Kürzungen im Sozialversicherungsbereich seit 2000 zusammen, flossen allein über die Sparpakete rund zwei Milliarden Euro jährlich ins Budget.

Mit der Steuerreform bekommen Familien und Unselbstständige ab Jänner 2005 allerdings nur 1,5 Milliarden Euro zurück.

Damit bleibt Grasser ein Plus von immerhin fast 500 Millionen Euro. Mit den geplanten Beitragserhöhungen im Gesundheitsbereich fettet er sein Körberlgeld um weitere 300 Millionen Euro auf.

Also: 800 Millionen im Plus. Davon müssen gerechterweise Mehrausgaben für höhere Familienleistungen und einige marginale Steuererleichterungen abgezogen werden. Das summierte sich seit 2000 auf 614 Millionen Euro. Grassers „Trinkgeld“ fürs Budget reduziert sich damit auf rund 200 Millionen Euro.

Doch jetzt kommt noch die Pensionsreform dazu. Niedrigere Renten bei gleichzeitig höherem Pensionssicherungsbeitrag ersparen dem Budget pro Jahr 1,3 Milliarden Euro.

Fazit: Unterm Strich holt sich Grasser von unselbstständig Beschäftigten und Pensionisten – trotz der Ausgaben für die Tarifreform – 1,5 Milliarden Euro mehr Geld.

Vorschuss. Die größte Steuerreform aller Zeiten, lautete der Regierungsslogan. Hunderte Euro mehr sollten in den Börsen der Österreicher bleiben.

Unbestritten wird auf den meisten Gehaltszetteln im nächsten Jahr eine höhere Nettosumme stehen. Aber das ist nur eine teilweise Rückzahlung dessen, was die Arbeitnehmer schon vorgeschossen haben. In den vergangenen vier Jahren haben sich die Realeinkommen wegen der hohen Inflation kaum verbessert, 2001 sind sie sogar gesunken. Auch 2005 werden sie, so die Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts, bloß um 0,3 Prozent ansteigen.

Trotzdem vermehrten sich die Einnahmen aus der Lohnsteuer zwischen 2000 und 2004 um fast drei Milliarden Euro, und das bei Rekordarbeitslosigkeit und schwächelnder Konjunktur.

profil hatte zu Jahresbeginn, als die Steuerreform vorgestellt worden war, vom market-Institut erheben lassen, ob sich die Österreicher einen persönlichen Vorteil aus der Steuerreform erwarteten. Fast jeder Zweite hatte damals zu Protokoll gegeben, er erwarte keinen Profit, ein Viertel hatte sogar Nachteile befürchtet. Nicht ohne Grund, wie sich heute zeigt.

In einer Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern (Mann verdient monatlich 2200 Euro, die Frau 1200 Euro) bringt die Steuerentlastung insgesamt 487 Euro pro Jahr. Die gesetzlichen Belastungen zwischen 2000 und 2005 hingegen belaufen sich für diese Familie auf 496 Euro.

Allein die Anfang 2004 erhöhten Sozialversicherungsbeiträge für Angestellte und Pensionisten brauchen im ungünstigsten Fall den zu erwartenden Steuervorteil auf, wie der Bund der Steuerzahler errechnete.

Oder die Uni-Gebühren: Bei einem Mo-natsverdienst von 3350 Euro brutto schlagen sich zwei studierende Kinder mit 126 Euro monatlich aufs Haushaltsbudget. Obwohl diese Gehaltsstufe am stärksten von der Tarifreform profitiert, kann damit gerade ein Drittel dieser Zusatzkosten gedeckt werden.

Die Steuererhöhungen auf Gas, Strom und Benzin fressen den Großteil der Steuerentlastung auf. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 3500 kWh Strom pro Jahr ist mit einer jährlichen Mehrbelastung von 36 Euro zu rechnen, bei Erdgas (1600 Kubikmeter pro Jahr) mit 84 Euro. Das ist die Hälfte dessen, was ein durchschnittlicher männlicher Einkommensbezieher – 1948 Euro brutto monatlich – an Steuervorteil zu erwarten hat, nämlich 193,66 Euro pro Jahr.

Nun kann Grasser zwar nicht die Schuld am hohen Ölpreis umgehängt werden. Aber auch ohne den Rekordpreis auf Diesel und Benzin wurde Autofahren empfindlich teurer: Allein die Erhöhung bei der motorbezogenen Versicherungssteuer summiert sich beispielsweise für einen 90-PS-Wagen auf 94 Euro pro Jahr, der Vignettenpreis schlägt mit 33 Euro zusätzlich aufs Haushaltsbudget.

Mit einem Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel entkommt man zwar den hohen Treibstoffkosten, nicht aber den Teuerungen: Die Tarife für Bus und Bahn wurden, wie die Arbeiterkammer erhoben hat, um fünf bis acht Prozent erhöht. Eine Jahreskarte für die Strecke Mödling–Wien wurde etwa um 20 Euro, jene für Wiener Neustadt–Wien oder St. Pölten–Wien um 40 Euro teurer.

Die Belastungen treffen vor allem die untersten Einkommensbezieher, die schon jetzt kein Geld ans Finanzamt ablieferten und daher auch von der Steuerreform nicht profitieren werden. Sie spüren die Mehrkosten zur Gänze.

Bei den Arbeitnehmern auf der anderen Seite der Einkommensskala schlagen die Belastungen ebenfalls voll durch. Einkommensbezieher ab 4400 Euro brutto monatlich waren von Beginn an von der Steuerreform nicht begünstigt. Für sie sah das Gesetz Verluste vor.

Neue Grenzen. Nun müssen schon Bruttoeinkommen ab 3700 Euro monatlich einen Verlust erwarten. Mit der geplanten Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung, gepaart mit höheren Krankenversicherungsbeiträgen, wird bereits in dieser Gehaltsstufe der monatliche Effekt der Steuerreform von 18 Euro aufgefressen, wie die Steuerberatungskanzlei BDO Auxilia errechnet.

Als der Finanzminister vor nicht einmal einem Monat in seiner Budgetrede davon sprach, 2008 wieder ein ausgeglichenes Budget vorlegen zu wollen, mutmaßten die Wirtschaftsforscher, dass dies ohne neues Sparpaket kaum möglich sein wird.

Dass dieser Schritt so schnell kommen würde, glaubten wohl nicht einmal die Experten.