Finanzen: Budget- ziele "nicht erreicht"

Budgetziele "nicht erreicht": Scharfe Rechnungshof-Kritik an den Ländern

Scharfe Rechnungshof- Kritik an den Ländern

Drucken

Schriftgröße

Von Eva Linsinger

Es ist Galgenhumor, der sich dieser Tage in den Couloirs des Parlaments breitmacht. Ein Minister weiß vom einem Bankvorstand zu berichten, der heuer bereits zum vierten Mal sein Budget für 2009 neu berechnen musste: „Und wir hier wollen uns jetzt auf ein Doppelbudget für die Jahre 2009 und 2010 festlegen?“ Jedem Regierungsmitglied ist bewusst, dass noch kein Finanzminister bei der Budgeterstellung so im Dunkeln tappte wie ­Josef Pröll. Die Koalition errichtet ihren Budgetpfad auf einer Defizitprognose von 0,5 Prozent, mittlerweile sind die Wirtschaftsforscher pessimistischer. Wie dramatisch sich die Wirtschaftskrise auswirken und welche Steuerausfälle sie zur Folge haben wird, kann niemand vorhersagen – schon für das Jahr 2009 nicht, für 2010 noch viel weniger. Pröll hält dennoch ein Doppelbudget für sinnvoll. „Es würde doch keinen Sinn machen, jetzt das Budget für 2009 und im Herbst das für 2010 zu verhandeln. Damit würden wir Zeit verlieren“, argumentiert er.

Im Budget ist, wie jedes Jahr seit 2000, ein deutliches Plus in den Haushalten der Bundesländer einkalkuliert, das die Länder an den Finanzminister abliefern sollen. Diese Rechnung behübscht zwar das Defizit am Papier, beruht aber ausschließlich auf dem Prinzip Hoffnung. Denn schon in den Jahren der Hochkonjunktur waren die satten Überschüsse, zu denen sich die Bundesländer laut dem so genannten innerösterreichischen Stabilitätspakt verpflichtet hatten, reine Schimäre: Ein Rohbericht des Rechnungshofs über die Haushalte der Bundesländer (außer Wien), der profil vorliegt, listet genau auf, dass die Bundes­länder notorisch schummeln und ihre Haushalte aus dem Ruder geraten sind.

„Die Stabilitätsziele wurden von den Ländern rückblickend vom Jahr 2007 bereits seit fünf Jahren nicht erreicht. Unter Anwendung der international üblichen Berechnungsmethoden (ESVG) wären diese Ziele in den Jahren 2002 bis 2007 von den Ländern noch deutlicher verfehlt worden“, heißt es in dem Rechnungshof-Rohbericht. Im Jahr 2006 etwa hätten die Länder Überschüsse in der Höhe von 0,48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abliefern sollen – produzierten aber ein Defizit von 0,21 Prozent des BIP. Diese Differenz kommt auch daher, weil die kreative Buchhaltung der Länder vor dem Rechnungshof keine Gnade fand. Tricks wie die Auslagerung von Spitälern in Gesellschaften wurden von der Prüfinstanz nicht anerkannt.

Länderschulden wachsen. Und es kommt noch dicker: In den wirtschaftlich guten Jahren zwischen 2002 und 2007 sank die Schuldenquote des Gesamtstaats von 66 auf rund 60 Prozent. Die Maastricht-Schulden der Länder hingegen stiegen deutlich an – von fünf Milliarden Euro im Jahr 2002 auf 8,2 Milliarden im Jahr 2007. Der statistische Schuldenberg jedes Kärntners wuchs laut Rechnungshof von 724 Euro im Jahr 2002 auf 1560 Euro 2007, jeder Niederösterreicher ist pro Kopf mit 1425 Euro verschuldet. Reserven für die wirtschaftlich schwierigen nächsten Jahre wurden da nicht angesammelt, im Gegenteil.

Die Stellungnahmen der Länder an den Rechnungshof stehen noch aus. Wenn die Länder schon in der Hochkonjunktur die Stabilitätsziele meilenweit verfehlten, werden sie in der Wirtschaftskrise noch weiter neben dem Budgetpfad liegen. Denn nun belasten die eigenen Länder-Konjunkturpakete, mit denen von Wien bis Bregenz die regionale Wirtschaft aufgefangen werden soll, die Finanzlage zusätzlich. Selbst für Oberösterreich, dessen Haushaltsbilanz im Vergleich zu anderen Ländern rosig ist, sieht Ökonom und Landesrat Hermann Kepplinger keine Möglichkeit, Geld an den Bund abzuliefern: „Dass wir jetzt Überschüsse produzieren könnten, ist völlig aus der Luft gegriffen.“

Solchen Aussagen kann Finanzminister Pröll wenig abgewinnen. „In der Krise müssen alle zusammenhelfen, auch die Länder“, will er Beiträge einfordern. Denn obwohl der Budgetplan einem Blindflug gleicht, die Maastricht-Defizitgrenze gilt für Pröll auch jetzt. Ein Dutzend der 27 EU-Staaten weist 2009 ein Defizit oberhalb der Dreiprozentgrenze aus. Der Gruppe will sich Pröll nicht anschließen: „Es wäre ein kapitaler Fehler, die Grundlagen des EU-Stabilitätspakts über Bord zu werfen. Trotz aller Konjunkturprogramme dürfen wir aufs Sparen nicht vergessen. Sonst kommt irgendwann der Zahltag.“ Wirtschaftsforscher wie Markus Marterbauer vom Wifo halten den Zeitpunkt für knappe Budgets für schlecht: „Eine Wirtschaftskrise ist sicher keine Phase, wo Budgetkonsolidierung möglich ist.“

Pröll plant dennoch, das Defizit mit 2,4 Prozent zu begrenzen. Das wird nicht leicht: Die Steuereinnahmen sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, und damit klettern auch die Sozialausgaben in die Höhe, zusätzlich schlagen Konjunktur- und Bankenpakete mit Milliarden zu Buche. Als Ausgleich verordnet Pröll den Ministerien einen strengen Sparkurs.

Diese unangenehme Botschaft folgt immerhin dem neuen konzilianten Koalitionsklima. Prölls Vorgänger Wilhelm Molterer hatte den Koalitionspartner im Allgemeinen und ihm ideologisch unangenehme Projekte wie die Gesamtschule im Besonderen in strenge Budgetgrenzen zu pressen versucht. Pröll hingegen ärgert schwarze und rote Minister gleichermaßen: In den Budget-Kuchenstücken, die er vergangene Woche verschickte, sind das Außen- und das Verteidigungsministerium als die großen Verlierer vorgesehen. Das Außenamt soll sein Budget um rund zwei Prozent abspecken, und Verteidigungsminister Norbert Darabos kann sich nach dem Budgetvorschlag von geplanten Investitionen wie dem Kauf neuer Trainingsjets als Ersatz für die schrottreifen Saab 105 verabschieden. Aber selbst in den Ministerien, die vergleichsweise gut aussteigen, gibt es lange Gesichter. Forschung etwa ist an sich von Kürzungen ausgenommen, Pröll hat auch mit 2,3 Milliarden Euro jährlich mehr Geld als in den vergangenen Jahren avisiert. Bloß: Eigentlich war im so genannten Forschungspfad der Regierung eine wesentlich deutlichere Erhöhung vereinbart, zwischen Prölls Zusage und dem Pfad klafft eine Lücke von rund einer Milliarde Euro pro Jahr.

Druck für Forschungsgelder. „Viel zu knappe Budgetmittel“ – so lautet das vernichtende Urteil von Spitzenmanagern über die geplanten Forschungsgelder. Auf Initiative der Industriellenvereinigung haben 15 führende Unternehmer, von Boris Nemsic für die Telekom über Wolfgang Eder für die Voest bis Brigitte Ederer für Siemens und Markus Posch für Philips, einen Protestbrief an den Finanzminister unterschrieben, in dem sie vehement mehr Mittel fordern. „Die Regierung spart zu sehr“, begründet Mitunterzeichner Hannes Androsch den Aufstand.

Die Detailverhandlungen mit den einzelnen Ministerien beginnen Ende Februar. Der Finanzminister will die Ermessens­ausgaben um bis zu zwölf Prozent kappen, also die Gelder, die nicht für Personal oder andere Fixposten gebunden sind. Kurz: die Mittel, mit denen die Minister ihre Politik akzentuieren. Das Gesundheitsministerium fördert mit den Ermessensausgaben etwa die Aidshilfe, das Umweltministerium Bio-Marketing-Kampagnen. Im Außenministerium fallen Beiträge an das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, unter Ermessensausgaben, im Sozialministerium sind es Förderungen an Seniorenvereine, im Infrastrukturministerium etwa die Befreiung von Telefongebühren für Geringverdiener und im Frauenministerium Frauenprojekte. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek schreit schon jetzt auf und verlangt mehr statt weniger Geld.

Als ewiger Hoffnungsträger bleibt Pröll aber immer noch die Verwaltungsreform. Hier sind, wieder einmal, Milliardeneinsparungen geplant. Zumindest auf dem Papier.