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Bush in der Defensive

Bush in der Defensive

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George W. Bush weiß es. Und seine Wahlstrategen wissen es. Mit so genannten Soft-Themen wie Wirtschaft und Soziales gibt es für den amtierenden amerikanischen Präsidenten nichts zu gewinnen. Die Lage am Arbeitsmarkt ist zu mies, das explodierende Defizit zu schockierend. Und so setzen seine Spin-Doktoren seit langem auf eine sehr einfache und eingängige Message: „Wir haben die Welt sicherer gemacht.“

Die Amerikaner glauben es. Als Kriegsherr ist Bush nach wie vor populär. Was Steuern und Gesundheitspolitik, was Erziehung und Ökonomie betrifft: In all diesen Bereichen halten die US-Bürger John Kerry, den demokratischen Herausforderer, für kompetenter. Nur in einem Punkt vertrauen sie ihrem Präsidenten wirklich. Beim Krieg gegen den Terrorismus. Da ist er Spitze – meinen sie.

Dick Clarke meint das ganz und gar nicht: Gerade beim Krieg gegen al-Qa’ida und Konsorten habe Bush Mist gebaut. Vergangenen Montag veröffentlichte der frühere Terrorismusbekämpfer des Präsidenten – er schmiss seinen Job 2002 hin – sein Buch „Against All Enemies“, in dem er Vorwürfe erhebt, die es in sich haben: Bush und seine Leute hätten von Anfang an die Gefahr von al-Qa’ida nicht begriffen und geradezu obsessiv – schon lang vor dem 11. September 2001 – auf einen Krieg gegen den Irak hingearbeitet. Dann, nach dem Sieg über das Taliban-Afghanistan, hätte Washington sofort begonnen, die militärischen und geheimdienstlichen Ressourcen in Richtung Golf umzuleiten, um den „falschen Krieg“ zu führen: den Irak-Krieg, der dann zwar gewonnen wurde, aber ein „unnötiger und kostspieliger Krieg war“ und zudem die terroristisch-islamischen Fundis nicht geschwächt, sondern „weltweit gestärkt hat“.

Minutiös schildert Clarke, wie die Regierung und Bush selbst die Geheimdienste drängten, das herauszufinden, was es nach Einschätzung aller Experten nicht gab: eine Verbindung zwischen Saddam Hussein und al-Qa’ida. Und Clarke meint, dass die Anschläge vom 11. September möglicherweise zu verhindern gewesen wären, hätte Bush das Problem des islamistischen Terrors so ernst genommen wie zuvor die Regierung von Bill Clinton.

Gewiss ist diese Kritik nicht neu. Aber sie kommt diesmal von einem absoluten Insider. Clarke diente schon unter Ronald Reagan, dann avancierte er zum ersten Anti-Terror-Mann unter George Bush Vater, unter Clinton und schließlich unter George W. selbst. Clarke Glaubwürdigkeit abzusprechen ist nicht leicht. Bei der vergangenen Mittwoch live übertragenen Anhörung vor der Kongresskommission – die untersucht, wie es zum großen Terror in New York und Washington kommen konnte – versicherte er: Bei der vergangenen Präsidentenwahl war er registrierter Republikaner. Auf den Versuch des Weißen Hauses, ihn als frustrierten Beamten zu diskreditieren, der mit seinem Buch sich nur ein Eintrittsbillet in eine mögliche Regierung Kerry verschaffen wolle, antwortete er cool: „Ich stehe unter Eid, und ich sage hier, ich werde keine Position in einer Regierung Kerry, sollte es eine solche geben, annehmen.“

Bush hat Pech. Schon sein ehemaliger Finanzminister Paul O’Neill warf dem Präsidenten im Jänner vor, seit seinem Amtsantritt den Sturz des früheren irakischen Machthabers geplant zu haben. Dann war es Bushs Chefwaffeninspektor im Irak, David Kay, der zurücktrat und spektakulär verkündete: „We were all wrong“ – was den offiziellen Kriegsgrund, die Massenvernichtungswaffen Saddams, betrifft. Und jetzt kommt Clarke, der den Präsidenten als Versager im Terrorkampf darstellt.

Das Bush-Lager wird nervös. Nicht nur ist die Popularitätsrate des Präsidenten stark gesunken. Seit Anfang dieses Jahres zeigen sich auch die Eliten des Landes über den Kurs des Weißen Hauses zunehmend beunruhigt, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass sich mehr und mehr ehemals enge Weggefährten des Präsidenten gegen ihn wenden.

Auch stramm rechte Ideologen in den Medien, Einpeitscher der rechten Agenda, beginnen sich abzusetzen. Wie etwa Bob Nowak, der seit Jahrzehnten als Talkshow-Star und Zeitungskommentator gegen alles, was irgendwie liberal im Land ist, wettert und jetzt sichtbar auf Distanz zur Bush-Administration geht. Oder auch Bob O’Reilly. Dieser konservative Anchor-Man des Fernsehsenders Fox, der vor Kriegsbeginn täglich für den Waffengang am Golf getrommelt hatte, entschuldigte sich Mitte Februar bei seinen Zusehern. Es tue ihm Leid, dass er der US-Regierung geglaubt habe, als sie mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddams den Angriff auf den Irak rechtfertigte.

Zu allem Überdruss macht George W. Bush noch seine Biografie zu schaffen. Die Berichte darüber, wie der junge Bush sich mithilfe des Daddy vom Militärdienst in Vietnam drücken konnte, kontrastieren so recht mit dem Bild des strahlenden Oberbefehlshabers heute, der die Nation mit seinen tapferen Soldaten vor dem Bösen auf der Welt rettet. Da tut sich eine Glaubwürdigkeitslücke auf. Vor allem wenn er John Kerry als Herausforderer gegenübersteht – einem veritablen Kriegshelden, der in Vietnam mehrfach verwundet und mit Orden behängt wurde.

Bush ist jedenfalls in der Defensive. Hoffnung gibt ihm die offensichtliche Tatsache, dass seine Landsleute nicht so vif sind wie die Spanier: Die haben innerhalb von nur drei Tagen begriffen, dass ihre Regierung sie täuscht (als sie ihnen weismachen wollte, die baskische ETA stecke hinter den großen Attentaten in Madrid und nicht islamische Terroristen). Die Amerikaner aber glauben nach wie vor in ihrer überwältigenden Mehrheit, dass Saddam Hussein persönlich den 11. September inszeniert hat.