Bush und der liebe Gott

Bush und der liebe Gott

Drucken

Schriftgröße

„Du bist wie eine herrliche Rose. Jedesmal, wenn du vorehelichen Sex hast, bricht ein köstliches Blatt von dir ab. Lass doch deinem künftigen Ehemann nicht bloß einen nackten Stängel übrig“
Sinnspruch des größten von der Regierung Bush gesponserten Programms zur Förderung sexueller Enthaltsamkeit

George W. Bush führt nicht nur Krieg gegen den Terror; nicht nur Krieg gegen Drogen; sondern auch Krieg gegen Sex vor der Ehe.

Als er unmittelbar nach dem 11. September 2001 von einem „Kreuzzug“ gegen den islamischen Terror sprach und das Wort Tags darauf zurücknahm, weil es die gesamte islamische Welt gegen ihn aufbringen musste, gab seine Fehlleistung sein innerstes Empfinden preis: George Bush führt Kreuzzüge.

Dass sie ihn nicht nur in Länder voller Heiden, sondern auch in Länder voller Öl führen, tut dieser Zuordnung keinen Abbruch: Es haben ja Europas Christen ihre Kreuzzüge durchaus auch als Beutezüge geführt.

Man kann Bush und die USA nicht verstehen, wenn man nicht ununterbrochen beider fundamentalistisch christliche Wurzeln im Auge hat: Bush kommt aus Texas; Texas ist ein Teil des „Bible Belt“; und der „Bible Belt“ ist der wichtigste Gürtel um die USA.
„Um ein wahrer Bible-Belt-Christ zu sein“, erläutert gleich die erste einschlägige Internetseite, „musst du eine klare Vorstellung davon haben, was du auf keinen Fall tun darfst: rauchen, tanzen, spielen oder in der Öffentlichkeit auftreten, ohne eine Bibel in der Hand zu halten.“

Genau dort ordnen die Bush-Programme auch „Sex“ ein. Er zähle zu den „fünf größten Gefahren“: die Nummer drei nach „Tabak“ und „Alkohol“ vor „Drogen“ und „Gewalt“.
Bush braucht das nicht wissenschaftlich zu begründen, es ist dem Bible-Belter vorgegeben: „Du musst glauben, dass alle deine Handlungen vom Heiligen Geist gelenkt sind und dass es das Wichtigste in deinem Leben ist, Gottes Willen zu erfüllen – ganz gleich, was andere davon halten“ (Bible-Belt-Information im Internet).
Wie soll der Texaner George Bush sich vor irdischen Kritikern fürchten und trotz noch so vieler Rückschläge – wieder 35 Tote bei einem Terroranschlag im Irak – je an der Berechtigung seiner Missionen zweifeln?

Es ist nicht erheblich, ob George Bush ehrlich an alles glaubt, was die Bibel von ihm fordert – erheblich ist, dass seine Wähler es ihm glauben. Es ist nicht einmal erheblich, ob die Wähler noch an alles glauben, was die Bibel von ihnen fordert – erheblich ist, dass gerade angesichts der sich rasch ändernden Zeit ihre Sehnsucht nach „klaren Anleitungen“ à la Bibel noch gewachsen ist. 85 Prozent, so zeigen Umfragen, nehmen unmittelbar an kirchlichen Aktivitäten teil, die großen TV-Prediger sind Quotenstars. Noch vor hundert Jahren sind sie scharenweise durchs Land gezogen, um auf den rechten Weg zu führen – jetzt führt George Bush und weiß genau, wohin es gehen muss. Wie soll ein Volk, das so geprägt ist, an der Berechtigung seiner „Kreuzzüge“ zweifeln?

Nur ein US-Autor konnte den „Krieg der Kulturen“ schreiben: die Unvermeidlichkeit des Zusammenstoßes zwischen fundamentalem Islam und christlich geprägter Welt.
In Wirklichkeit sind nur die USA nach wie vor christlich geprägt – in Europa ist diese Prägung durch die Aufklärung aufgebrochen und vielfach beendet worden. (Einen der wichtigsten Schritte setzte ein Österreicher: Sigmund Freud erkannte „Gott“ nur die Bedeutung eines überhöhten Vaterbildes zu.)

Es gibt nicht nur zwei Kulturen, die aufeinander stoßen, sondern mindestens drei: die christliche, die islamische und die gottlos „aufklärerische“.

Daraus resultiert ein erheblicher Teil des Unverständnisses der Europäer für die Politik der USA.

Nirgends lässt sich der Unterschied von US- und EU-Kultur eindrucksvoller demonstrieren als beim Verhältnis zum Sex.

In Europa forcieren Eltern und Schulen die Aufklärung: Es gibt den Sex-Koffer, Lehrer erörtern ausführlich den Sexualakt, staatliche geförderte Kampagnen werben für den Gebrauch von Kondomen.

In Texas – und von dort ausgehend in den ganzen USA – wird die Sex-Aufklärung mittlerweile genau umgekehrt als Wurzel des Übels gesehen: Durch sie würden die Jugendlichen überhaupt erst darauf hingewiesen, dass Sex vor der Ehe möglich ist. Daher ist seitens der Schulen ganz anders vorzugehen: Sofern sie den Geschlechtsakt überhaupt erläutern, ist die Gefahr der Übertragung venerischer Krankheiten in den Vordergrund zu stellen. Kondome werden in riesigen Werbekampagnen verteufelt: Ihr dünner Gummi schütze weder vor Krankheiten noch vor Schwangerschaften – der einzige wirkliche Schutz sei die totale voreheliche Abstinenz.

268 Millionen Dollar (statt bisher 50 Millionen) will die Regierung Bush im Jahr 2005 in Sex-Abstinenz-Programme stecken.

Charakteristisch der Erfolg dieser Politik: Texas hat die höchste Zahl unehelicher Geburten – die Jugendlichen wissen nicht um den Nutzen von Kondomen –, der Bible Belt hat die höchste Zahl an Ehescheidungen, weil die Menschen mit ihrer Sexualität nicht umgehen können.