Die Buwog-Affäre

Buwog-Affäre: Wie sich Karl-Heinz Grasser zunehmend in Widersprüche verstrickt

Buwog. Wie sich Karl-Heinz Grasser zunehmend in Widersprüche verstrickt

Drucken

Schriftgröße

Er kam, sah – und spielte einmal mehr jene Rolle, in die er im Laufe der Jahre etwa so hineingeschlüpft ist wie in ­italienische Designerware von der Stange: die des Ahnungslosen. Ortstermin Landesgericht für Strafsachen Wien, 10. März 2010. Um 9.15 Uhr eröffnet Richter Gerald Wagner das von Karl-Heinz Grasser angestrengte Verfahren gegen Michael Ramprecht und profil. Der Finanzminister a. D. hat seinen ehemaligen Kabinettsmitarbeiter wegen „übler Nachrede“ verklagt, von diesem Magazin fordert er wegen „Verbreitung der Äußerungen“ eine „Entschädigung“ sowie eine „Veröffentlichung des Urteils“.

Ramprecht hatte im Oktober des Vorjahres schwere Manipulationsvorwürfe in Zusammenhang mit der 2004 erfolgten Privatisierung der Bundeswohngesellschaften (Buwog) erhoben. Demnach sollen sowohl das Engagement der beratenden Investmentbank Lehman Brothers als auch der Verkauf an das Buwog-Konsortium aus Immofinanz, Raiffeisen Oberösterreich und Wiener Städtische „abgekartet“ gewesen sein. In seiner Beichte belastete Ramprecht vor allem den Wiener Immobilienkaufmann Ernst Karl Plech, damals Aufsichtsratschef der Buwog und ­heute Grassers Geschäftspartner: „Plech hat mir ausgerichtet, was der Minister will. Konkret hat er gesagt: Der Minister will Lehman Brothers“, so Ramprecht damals gegenüber profil. Überdies soll Plech mit Hinweis auf den Buwog-Deal gesagt haben: „Wir haben den Auftrag, wer das werden wird. Es soll die Immofinanz werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die Immofinanz werden“ (profil Nr. 41 und 42/09).

KHG hat die Vorwürfe stets bestritten.
Und dabei bleibt er auch. „Das muss ein Missverständnis sein“, insistierte er am vergangenen Dienstag vor Richter Wagner. Er, Grasser, habe weder zugunsten von Lehman noch der Immofinanz interveniert. „Stets hat die Vergabekommission entschieden, ich selber habe nie Einfluss auf deren Entscheidungen ausgeübt.“ Das geht, vornehm ausgedrückt, an den Tatsachen vorbei. profil-Recherchen belegen: Grasser hatte beim Buwog-Deal das letzte Wort.

Zum besseren Verständnis:
­Anfang 2002 richtete der Minister eine erste elfköpfige Kommission ein, in der unter anderem Plech und Ramprecht saßen. Diese sollte ein Investmenthaus finden, das die Privatisierung vorbereiten und organisieren würde. Die Einrichtung dieses Gremiums und eine internationale Ausschreibung des Mandats waren rechtlich zwingend vorgesehen. Im September schanzte diese – zumindest auf dem Papier autonome – Kommission den zehn Millionen Euro schweren Beratungsauftrag Lehman zu.

Völlig anders verhielt es sich mit der eigentlichen Buwog-Privatisierung. Auch hier setzte Karl-Heinz Grasser eine Kommission ein, in der unter anderem sein ehemaliger Kabinettschef Heinrich Traumüller, das damalige ÖIAG-Führungsduo Peter Michaelis und Rainer Wieltsch sowie die Juristen Rudolf Lessiak und Josef Aicher wirkten. Allein: Dieses Gremium war rechtlich nicht nur nicht zwingend vorgesehen, es hatte vielmehr keinerlei Entscheidungsbefugnis. Der Zuschlag an die Immofinanz-Gruppe war allein Sache des ­Ministers.

In Wahrheit war die im Vorfeld des Verkaufs 2004 installierte Expertenrunde keine „Vergabekommission“, wie Grasser das immer insinuierte, sondern eine „Bewertungskommission“. Der Unterschied ist entscheidend – und war den Mitgliedern dieses Gremiums zu jedem Zeitpunkt auch bewusst. Welche Aufgaben die Buwog-Kommission wirklich hatte, erschließt sich aus einem mit 7. Dezember des Vorjahres datierten Schriftsatz der Wiener Rechtsanwältin Maria Windhager. Sie vertrat die Mitglieder Lessiak und Aicher in einem mittlerweile beigelegten Verfahren gegen profil. Da heißt es wörtlich: „Die Bewertungskommission war eine nach § 8 Bundesministeriengesetz eingesetzte Kommission. Eine solche Kommission hat nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur eine beratende Funktion für den Bundesminister, trifft also keine Entscheidung, schon gar nicht die Entscheidung, an wen die BUWOG verkauft wird“.

Mit anderen Worten: Grasser schob bisher ein Gremium vor, das rein gar nichts zu beschließen hatte – möglicherweise also nur dem Zweck diente, dem Privatisierungsprozess den Schein der Objektivität zu verleihen. Am Dienstag musste er erstmals einräumen, dass er die Entscheidungshoheit hatte.

Knappe Entscheidung.
Tatsache ist, dass das Buwog-Paket im Juni 2004 um 961 Millionen Euro an die Immofinanz-Gruppe ging, weil deren Offert zufällig um eine schlappe Million über dem des vermeintlich aussichtsreichsten Mitbieters CA Immobilien lag.

Tatsache ist auch, dass Grassers Amigos Walter Meischberger und Peter Hochegger im Vorfeld der Entscheidung für die Immofinanz lobbyierten und dafür in Summe 9,6 Millionen Euro Honorar kassierten – schwarz, über einen zypriotischen Briefkasten. Wovon Grasser übrigens auch nichts gewusst haben will.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Meischberger, Hochegger, Plech, Grasser und eine Reihe weiterer Verdächtiger unter anderem wegen Geheimnisverrats, Amtsmissbrauchs und Anstiftung dazu – es gilt die Unschuldsvermutung. Profitiert hat auch ein weiterer Weggefährte des damaligen Ministers: Investmentberater Karlheinz Muhr, seinerzeit aufseiten Lehmans engagiert. Sein „Gesamtberatungshonorar“ (O-Ton Muhr) im Buwog-Deal belief sich auf exakt 433.820 Euro. Dass Lehman und damit Muhr überhaupt zum Zuge kommen konnten, ist ebenfalls besonderen Koinzidenzen geschuldet. Die erste Kommission, die Angebote der Investmenthäuser sondierte, legte sich nämlich in ihrer vorletzten Sitzung im September 2002 auf ein Konsortium rund um die CA-IB fest. Und zwar einstimmig, wie ein Sitzungsteilnehmer gegenüber profil bestätigt. Die Bietergemeinschaft unter Führung der Bank-Austria-Tochter hatte aufgrund eines zuvor detailliert festgelegten Kriterienkatalogs mit Abstand die meisten Punkte erhalten.

Und doch kam alles anders.
Vergangenen Dienstag wiederholte Ramprecht seine Version vor Gericht: Kurz vor der abschließenden Sitzung der Kommission sei Plech an ihn herangetreten und habe erklärt, dass der Minister die Beauftragung von Lehman wolle: „Für mich ist vollkommen klar gewesen, dass ich hier nicht nachzufragen habe.“ Er habe auch keinen Zweifel gehabt, dass er Grassers Wunsch durchsetzen müsse, was ihm auch gegen den Widerstand von drei Mitgliedern der Kommission gelungen sei. Er habe diesen vermitteln können, dass der Minister Lehman Brothers wolle, und sie hätten sich „gefügt“. Einer der Anwesenden, der frühere Abteilungsleiter im Finanzministerium, Wilfried Trabold, hat Grasser daraufhin einen erbosten Brief geschrieben – und nie eine Antwort erhalten.