Neue Vorwürfe im Buwog-Skandal

Buwog: Wie Grassers Belastungszeuge zum Schweigen gebracht werden sollte

Wie ein Zeuge zum Schweigen gebracht werden sollte

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Karl-Heinz Grasser tat genau das, was von einem Mann in seiner Situation zu erwarten war. Er badete in Eigenlob – „das war ein superprofessioneller Deal“ –, betrieb Seelenstriptease – „ich habe ein supersauberes Gewissen“ – und polierte sein Spiegelbild – „ich bin ein Opfer der schiefen Optik“. Vergangene Woche war Grasser unablässig damit beschäftigt, in Pressekonferenzen, Fernsehauftritten und Telefoninterviews die Ereignisse rund um den Verkauf der Bundeswohngesellschaften 2004 zu seinen Gunsten umzudeuten. Nicht ganz freiwillig, wohlgemerkt. Die Rückkehr ins grelle Rampenlicht verdankt der Finanzminister a. D. einem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter: Michael Ramprecht.

Der heute 49-Jährige hatte in profil – anonym – schwere Vorwürfe gegen seinen früheren Vorgesetzten formuliert. Der von Grasser verantwortete Buwog-Verkauf sei ein „abgekartetes Spiel“, der Zuschlag an das Konsortium um die Immofinanz-Gruppe ausgemachte Sache gewesen.
Karl-Heinz Grasser ging sofort in die Offensive. Er lüftete umstandslos die Identität des Informanten, diskreditierte Ramprecht als „Lügner“ und „Erpresser“; unterstellte ihm „berufliche Verfehlungen“ und „späte Rache“; zudem kündigte er „Klagen“ gegen profil und den Informanten an.

Blöd nur: Ramprecht hatte seine Aussage bereits am Sonntag, wenige Stunden nach Drucklegung dieses Magazins, beim Wiener Staatsanwalt Norbert Haslhofer unter Wahrheitspflicht wiederholt und bestätigt. Am Montag legten die Grünen mit einer Anzeige gegen Grasser und andere mutmaßlich Involvierte unter anderem wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und Untreue nach – bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Nun steht Aussage gegen Aussage. Doch Grassers Anwürfe halten einer Überprüfung nicht stand. Geht es nach KHG, so will er Ramprecht 2006 unsanft aus seiner Funktion als Geschäftsführer der staatlichen Bundesbeschaffungs­gesellschaft entfernt haben, nachdem dieser nebenher private ­Immobiliengeschäfte unsauber abgewickelt hatte (siehe Kasten). ­Seltsam nur: 2005 hatte sich Grasser genau zu diesem Sachverhalt vor dem Parlament rechtfertigen müssen – und sich damals noch schützend vor seinen Vertrauten gestellt. Die von der Opposition vorgebrachten Vorwürfe gegen Ramprecht quittierte der Minister im Rahmen einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom 14. Jänner 2005 so: „Einmal mehr möchte ich festhalten, dass so, wie sich der Sachverhalt jetzt für mich darstellt, wieder einmal von der Opposition Medienberichte ungeprüft zum Gegenstand von unterschwelligen Anschuldigungen … gemacht werden.“

Tatsächlich aber sah Grasser damals keinen Grund, Ramprecht vorzeitig aus seinem Vertrag zu entlassen – dieser lief 2006 plangemäß aus und wurde nicht verlängert. Was gilt nun? Entweder hat Grasser damals gegenüber dem Parlament die Unwahrheit gesagt – oder er tut es heute in der Öffentlichkeit. Es liegt auf der Hand, dass die von Ramprecht behaupteten Kungeleien rund um den Buwog-Verkauf nicht ohne Weiteres durch handfeste Beweise zu untermauern sind – sinistre Absprachen werden prinzipiell nicht protokolliert oder mit Brief und Siegel testiert.

Es ist aber eine unverrückbare Tatsache, dass der Verkauf der 60.000 Bundeswohnungen 2004 nur um Haaresbreite entschieden wurde. Das nicht ganz eine Milliarde Euro schwere Angebot des so genannten Österreich-Konsortiums mit der Immofinanz-Gruppe an der Spitze war nur um lächerliche 1,19 Millionen Euro besser als jenes der unterlegenen CA Immobilien AG. Grassers früherer Mitarbeiter hat mit seiner Aussage letztlich einen Verdacht genährt, der den Buwog-Deal vom ersten Tag an umwehte: Ein kleines Grüppchen von Vertrauten des damaligen Ministers – allesamt Leute, die er selbst in entscheidende Positionen gehievt hatte – soll beim Verkauf der Bundeswohnungen auch eigene Interessen verfolgt haben. Michael Ramprecht, Mitinitiator der Privatisierung, belastete dabei nicht nur Grasser, sondern auch dessen Adlatus Ernst Karl Plech.

Der Wiener Immobilienmakler ist spätestens seit der profil-Enthüllung von vergangener Woche auf Tauchstation. Plech war von seinem Freund und späteren Geschäftspartner Grasser im Jahr 2000 an der Spitze des Buwog-Aufsichtsrats installiert und 2002 in jene erste Kommission berufen worden, die eine Investmentbank zur Abwicklung der Privatisierung finden sollte. Laut Aussagen von Ramprecht war Plech „Grassers Sprachrohr“. Demnach soll sich just vor der entscheidenden Sitzung im September 2002 – aus der Lehman Brothers als Sieger hervorgehen sollte – Folgendes zugetragen haben: „Plech hat mir ausgerichtet, was der Minister will. Konkret hat er gesagt: ‚Der Minister will Lehman Brothers.‘“ Pflichtschuldig überzeugte Ramprecht nach eigener Darstellung die anderen Kommissionsmitglieder, obwohl Lehman Brothers ein teureres Angebot als der Mitbewerber CA IB gelegt hatte. Wochen später, aber lange bevor die Buwog-Privatisierung überhaupt ausgeschrieben war, hatte Ramprecht Plech deswegen zur Rede gestellt. „Bist du naiv?“, soll Plech gefragt haben. „Wir haben den Auftrag, wer das werden wird. Es soll die Immofinanz werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die Immofinanz werden.“

Doch das ist nur die halbe Geschichte. profil konnte vergangene Woche Teile der umfangreichen Aussage aus rechtlichen Erwägungen nicht veröffentlichen. Doch mittlerweile hat der Zeuge auch bei der Staatsanwaltschaft einen weiteren schwerwiegenden Vorwurf zu Protokoll gegeben: Plech habe ihm, Ramprecht, Ende 2002 Schweigegeld angeboten – und zwar rund 700.000 Euro. Ramprecht wörtlich: „Plech hat gesagt: ‚Es wird auch nicht zu deinem Nachteil sein. Du bekommst zehn Millionen Schilling, wenn du da mitspielst.‘ Plech hat gesagt, Vermittlungsprovisionen sind bei so einem Deal normal. Das sei geschäftsüblich.“

Ramprecht lehnte ab. Mehr noch: „Ich habe gesagt, ich zeige euch an, weil das ein abgekartetes Spiel ist.“ Der ministerielle Geheimnisträger war offenbar auf dem besten Wege, ein Problem zu werden. Er drohte einem amtierenden Finanzminister und dessen Lieblingsmakler offen mit der Staatsanwaltschaft. Daraufhin soll auch Ernst Karl Plech eine härtere Gangart angeschlagen haben: „Er hat gesagt: ,Ich habe so viel Geld, dass ich dich vernichte, dich und deine Familie.‘“

Ernst Karl Plech hatte dazumal eine Reihe von Trümpfen in der Hand. Er hatte der Familie Ramprecht eine Wohnung vermittelt, als diese nach Grassers Amtsantritt 2000 nach Wien übersiedelte. Er machte Ramprechts Gattin, einer Pharmazeutin, in weiterer Folge ein Jobangebot, das sie nicht ausschlagen konnte. Ramprecht zu profil: „Plech hat sich wohl gedacht: Da vermittle ich ihm eine Wohnung, und dann tut der auf unkooperativ. Der war sauer auf mich.“ Tatsache ist, dass Ramprechts Frau ihren Job bei Plech wenige Wochen nach dem Gespräch verlor.

Plech wollte sich schon vorvergangene Woche nicht zu Ramprechts Wahrnehmungen äußern. Auch auf den nunmehr erhobenen Bestechungsvorwurf geht er nicht näher ein. Über seinen Medienanwalt Michael Rami, der übrigens auch Karl-Heinz Grasser vertritt, lässt Plech auf profil-Anfrage ausrichten: „Mein Mandant, Herr Ernst Karl Plech, weist diese neuen Behauptungen Ihres Informanten auf das Entschiedenste zurück. Aufgrund der österreichischen Rechtslage hat mein Mandant bedauerlicherweise keine wirksame Handhabe, die Verbreitung solcher Behauptungen rasch zu unterbinden, weshalb zunächst jeder Ruf- und Kreditschädigung Tür und Tor geöffnet ist. Ihrem Informanten wird aber demnächst Gelegenheit geboten werden, die Wahrheit seiner Behauptungen vor Gericht zu beweisen.“

Ob gegen Grasser und Plech ein Ermittlungsverfahren wegen der behaupteten Manipulation der Buwog-Privatisierung eingeleitet wird, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Staatsanwaltschaft Wien prüft noch. Dessen ungeachtet wird bereits gegen die Lobbyisten und Grasser-Freunde Walter Meischberger und Peter Hochegger wegen des Verdachts auf Abgabenhinterziehung im großen Stil ermittelt. Die im Immobiliengeschäft leidlich beschlagenen Herren wollen die Immofinanz während des Buwog-Bieterverfahrens 2003/2004 mit „sachkundigen Analysen“ über die Immobilienbranche im Allgemeinen und die Mitbewerber im Besonderen versorgt haben – wofür sie schließlich mit Verspätung fürstlich entlohnt wurden: 9,6 Millionen Euro flossen zwischen 2006 und 2007 auf Konten einer zypriotischen Briefkastengesellschaft. Hochegger kassierte 1,9 Millionen Euro, Meischberger, geistiger Vater des Konstrukts, den erklecklichen Rest. Steuern lieferte keiner der beiden beim österreichischen Fiskus ab.

Karl-Heinz Grasser beteuert weiterhin, von den Umtrieben seiner beiden Amigos in und um die größte Immobilientransaktion der Zweiten Republik nichts gewusst zu haben. Schließlich sei alles „superprofessionell“ abgelaufen. Auch dafür sorgten Grassers Kumpel: Immobilienmakler Ernst Karl Plech saß für Grasser im Buwog-Aufsichtsrat und war Mitglied der ersten Vergabekommission zur Auswahl der Investmentbank Lehman Brothers. Plech soll diese Funktionen nach Aussage von Michael Ramprecht auch dazu verwendet haben, das Verfahren in Richtung Immofinanz zu drehen. Er bestreitet die Vorwürfe und will den Informanten klagen.

Investmentberater Karlheinz Muhr hatte Grasser im Vorfeld der Privatisierung eine Liste „führender Investmenthäuser auf internationaler Ebene“ genannt. Durch eine glückliche Fügung erhielt schließlich Lehman Brothers von der Republik den zehn Millionen Euro schweren Privatisierungsauftrag. Da traf es sich gut, dass Muhr für die (2008 kollabierte) US-Investmentbank bereits als Konsulent tätig war und folglich auch beim Buwog-Verkauf mitmischen durfte. Sein „Gesamtberatungshonorar“, finanziert aus Steuergeldern, beziffert er heute mit 433.820 Euro. Auch er kommuniziert mittlerweile nur mehr über den Rechtsweg. Muhr ließ profil vergangene Woche unaufgefordert eine Stellungnahme seines Wiener Rechtsanwalts Werner Suppan übermitteln: „Im Falle unwahrer, ehrenrühriger und kreditschädigender Berichterstattung behält sich mein Mandant naturgemäß sämtliche rechtlichen Schritte vor.“

Heinrich Traumüller diente Grasser zwischen 2000 und 2002 als Kabinettschef, ehe er später vorübergehend in der Chefetage der Finanzmarktaufsicht landete. Traumüller war zwar nicht für die Auswahl von Lehman Brothers verantwortlich, hatte aber Sitz und Stimme in der zweiten Vergabekommission, die schließlich den Buwog-Verkauf an die Immofinanz 2004 absegnete. Auch Traumüller ließ profil eine Stellungnahme zugehen, ohne darum gebeten worden zu sein. Und auch er wird von Karlheinz Muhrs Rechtsvertreter Werner Suppan beraten. Traumüller im O-Ton: „Der Privatisierungsprozess wurde auf Verkäuferseite von allen damit befassten Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums mit höchstem Engagement, Sorgfalt und Präzision abgewickelt. Unzulässige Informationsweitergaben an Dritte haben mit Sicherheit nicht stattgefunden. Sollten Sie gegenteilige Behauptungen in Bezug auf meine Person aufstellen, werde ich meinen Rechtsanwalt, Mag. Werner Suppan, beauftragen, gegen Sie sämtliche möglichen strafrechtlichen, zivilrechtlichen, schadenersatzrechtlichen und medienrechtlichen Schritte zu ergreifen, die die österreichische Rechtsordnung vorsieht.“ Traumüller dürfte demnächst Gelegenheit haben, auch dem Staatsanwalt seine Sicht der Dinge darzulegen. Die grüne Abgeordnete Gabriela Moser hat ihn zusammen mit Grasser, Meischberger, Hochegger und dem früheren Immofinanz-Chef Karl Petrikovics angezeigt. Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

Walter Meischberger, Grassers Trauzeuge, und Peter Hochegger, Grassers ehemaliger Geschäftspartner, gingen zum Zeitpunkt der Buwog-Privatisierung im Finanzministerium ein und aus; Hochegger soll die Immofinanz mit Informationen versorgt haben, die dafür ein Erfolgshonorar von besagten 9,6 Millionen Euro springen ließ; beide haben mittlerweile Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen erstattet.
Bei all dem bunten Treiben rund um den Buwog-Verkauf erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass KHG heute, fünf Jahre danach, Mühe hat, den Anschein der Mauschelei wegzuargumentieren. Seine Version: Die Privatisierung sei total korrekt abgelaufen – und sollte daran etwas faul gewesen sein, so habe er halt nichts davon gewusst.

Da wird Grasser auch die nächste Koinzidenz wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen: Ausgerechnet sein väterlicher Freund Herbert Kofler hatte in der fraglichen Zeit eine gewichtige Funktion im Konzern des späteren Bestbieters Immofinanz. Der Klagenfurter Universitätsprofessor war seinerzeit Betreuer von Grassers Dissertation, die dieser freilich nie fertig stellte. Dessen ungeachtet machte der Minister Kofler schon knapp nach Amtsantritt zum Vorsitzenden der hausinternen „Steuerreformkommission“, setzte ihn an die Spitze der reorganisierten staatlichen Fördereinrichtung Austria Wirtschaftsservice und platzierte ihn im Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank. Zufall oder nicht: Am 9. Oktober 2003, also gut acht Monate vor dem Buwog-Verkauf, dockte Professor Kofler auch noch im Aufsichtsrat der Immofinanz-Tochter Immoeast an. Das ist unter anderem deshalb bemerkenswert, weil es damals Koflers einziges Aufsichtsratsmandat bei einer börsennotierten Gesellschaft war. Und: Über den Teilkonzern Immoeast wurden 2006 und 2007 die Millionenprovisionen für Hochegger und Meischberger Richtung Zypern abgewickelt.

Herbert Kofler ist der Immofinanz-Gruppe bis zum heutigen Tage verbunden. Seit Ende 2008 fungiert er auch als Aufsichtsratspräsident der gleichfalls börsennotierten Konzernmutter Immofinanz, bei Immoeast stellt er nunmehr den stellvertretenden Vorsitzenden des Kontrollgremiums. Kofler verweist gegenüber profil jedwede Verwicklung in die Buwog-Affäre ins Reich der Fantasie. „Ich war zu keinem Zeitpunkt mit dem Thema Buwog befasst und habe auch mit Grasser oder anderen nie ­darüber gesprochen.“ Er sei damals unter anderem auf Vorschlag von Ex-Wiener­berger-General Erhard Schaschl, selbst ein Kärntner, in das Immoeast-Kontrollgremium eingerückt.

Dass die zeitliche Nähe seines Avancements im Lichte der jüngsten Erkenntnisse zumindest Fragen aufwirft, gesteht Herbert Kofler dann doch zu: „Man mag da eine schiefe Optik erkennen, aber das eine hatte mit dem anderen wirklich nichts zu tun.“ Schöner hätte das Karl-Heinz Grasser auch nicht sagen können.