BZÖ: Ordentliche Beschäftigungspolitik

Die quälende Suche nach einem Spitzenkandidaten

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Kleine Gesten machen Freude und sorgen noch Jahre später für eine gute Nachrede. So gesehen hat sich Mathias Reichholds Akt der Höflichkeit ausgezahlt. Von allen Verkehrsministern – Michael Schmid, Monika Forstinger, Reichhold, Hubert Gorbach –, die von der FPÖ seit der Wende 2000 verbraucht wurden, war der frühere Kärntner Landesrat der einzige, der zum Antrittsbesuch in der Zentrale der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Asfinag) in der Rotenturmstraße 5–9 im ersten Wiener Gemeindebezirk nahe dem Stephansdom vorbeischaute.

Am 1. Juli kommt der freundliche Herr Reichhold, der in den vergangenen drei Jahren als „Vice President“ für „Special Projects“ in Frank Stronachs Magna-Konzern tätig war, wieder in die Büros der Asfinag in der Rotenturmstraße. Und diesmal nicht nur für einen Tag, sondern für fünf Jahre. Denn nun ist Reichhold selbst einer von drei Vorstandsdirektoren der im Eigentum der Republik Österreich stehenden Straßenfinanzierungsgesellschaft.

In der öffentlichen Bewertung der Personalentscheidung bestimmte der Standort den Standpunkt. Was für Vizekanzler Hubert Gorbach eine „gute Entscheidung“ für einen „hoch qualifizierten“ Kandidaten war, beschrieben SPÖ und Grüne als „Versorgungskarussell“ und „übelsten Postenschacher der Regierung Schüssel“.

Der Bundeskanzler dürfte die optisch nicht überwältigende Entscheidung – Verkehrsminister hievt Amtsvorgänger und Parteifreund in 230.000-Euro-Job – mit Sekpsis abgenickt haben. Schließlich liefert Gorbachs Besetzungsaktion der SPÖ mitten in der Bawag-ÖGB-Krise rare Gelegenheit zum Gegenschlag.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser war von der teuren Aufstockung des Asfinag-Vorstands von zwei auf drei Direktoren wenig angetan. Und auch Aufsichtsratspräsident Johann Quendler hatte sich intern stets gegen Gorbachs Pläne gewehrt. Vergeblich – bei der Vergabe lukrativer Jobs an Freunde und Bekannte kennt der Vizekanzler und Verkehrsminister weder Fantasie- noch Geschwindigkeitsbeschränkungen.

Doch nicht nur (Ex-)Politpersonal der ersten Ebene wird derzeit emsig befördert. Auch in der zweiten und dritten Reihe gibt es treue Mitarbeiter, die einen besseren als ihren bisherigen Job verdienen. Und die Zeit drängt. Schließlich ist mehr als fraglich, ob das BZÖ nach der Nationalratswahl noch etwas zu bestellen hat.

Treue Dienste. Arnold Schiefer etwa, Ex-Sektionschef für Straßenbau im Infrastrukturministerium, war schon Anfang 2006 zum interimistischen Geschäftsführer der Brenner-Basistunnel Gesellschaft (BBT SE) ernannt worden und ist außerdem Sonderbeauftragter für den Wiener Zentralbahnhof sowie Asfinag-Aufsichtsrat. Jetzt soll er Vorstand der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG werden. Für Schiefers bisherigen Job bei der BBT SE sind drei alte Bekannte aus der österreichischen Innenpolitik im Gespräch: Gilbert Trattner (früher FPÖ-Finanzsprecher und jetzt Chef der ÖBB-Infrastruktur), Monika Forstinger (Ex-Infrastrukturministerin) und Ernst Strasser (Ex-Innenminister).

Sozialministerin Ursula Haubner weiß treue Dienste für die Partei ebenfalls zu belohnen. Sie hat Ende 2005 die Familie und Beruf Management GmbH gegründet. Leiterin des Teilbereichs Familie und Beruf ist seit Kurzem die Wiener BZÖ-Funktionärin Heike Trammer. Herbert Haupt, Haubners Vorgänger im Sozialministerium, übernahm Anfang des Jahres einen Job, den er einst selbst erfunden hat: Er bekam ohne Ausschreibung das Amt des Behindertenanwalts. Irene Slama, Haubners Kabinettschefin, könnte Sozialattaché in Kroatien werden – das ist jener Job, der seinerzeit für Reinhart Gaugg vorgesehen war.

Erst am vergangenen Mittwoch wurde der 42-jährige Hans Rinnhofer zum Geschäftsführer des Austrian Research Centers (ARC) in Seibersdorf gekürt. Rinnhofer ist zwar nicht Politiker, dafür aber Mitglied der Burschenschaft Olympia. Er war Wunschkandidat des ebenfalls einer schlagenden Verbindung angehörenden Andreas Reichhardt, der wiederum in Rekordzeit vom Vizekabinettschef im Infrastrukturministerium zum Sektionschef aufgestiegen war. Geschäftsführer des ARC Business Service ist Martin Graf, ein ehemaliger FP-Abgeordneter, der flugs seinen Parteifreund Alfred Wansch zum Prokuristen ernannte.

Weitere Blitzkarrieren im Dunstkreis von BZÖ und FPÖ: Beate Hartinger, einst FP-Abgeordnete, wurde Vizegeneralin im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Georg Fürnkranz war Büroleiter von Hubert Gorbach, bevor er zum Geschäftsführer der Schienencontrol GmbH avancierte. Martin Santer, verdienter Mitarbeiter der Minister Reichhold und Gorbach, wurde mit der Geschäftsführung in der Schienen-Dienstleistungsgesellschaft belohnt.

Zorn wächst. In BZÖ-Kreisen stieß die Beförderung Reichholds durch Gorbach auf beschränkte Zustimmung. Im Gegenteil: Der Zorn auf den geschäftsführenden BZÖ-Obmann droht zu eskalieren. Schließlich müssen die noch verbliebenen orangen Funktionäre potenziellen Wählern erklären, warum die einstige Anti-Privilegien-Partei nun ihrerseits fröhliche Pfründeverteilung betreibt. Das Parteimanagement hat Gorbach ohnehin weit gehend vernachlässigt. Orange Vorstandsmitglieder klagen, schon seit Wochen hätte keine interne Sitzung mehr stattgefunden. Für eine Ablösung Gorbachs vom Vizekanzleramt, wie sie Jörg Haider monatelang ohne Erfolg betrieb, ist es mittlerweile beinahe zu spät.

Der Kärntner Landeshauptmann will bis rund um den 20. Mai endgültig einen Spitzenkandidaten für die Wahl gefunden haben und den Hoffnungsträger bei einer verspäteten BZÖ-1-Jahres-Feier in Salzburg präsentieren. Die Endlossuche und vor allem die Hinhaltetaktik des orangen Wunschkandidaten Peter Westenthaler wird für die Funktionäre zur nicht enden wollenden Qual. Dennoch bleibt der frühere Klubobmann Favorit für den an sich undankbaren Job. Sollte Westenthaler ultimativ absagen, wird wohl Klubobmann Herbert Scheibner in die Pflicht genommen werden. Inhaltliche Auseinandersetzungen, die sich zu einem Richtungsstreit entwickeln könnten, wären programmiert. Scheibner und die orange Wiener Landesgruppe arbeiten daran, das BZÖ als wirtschaftsliberale Mittelstandspartei zu positionieren. Haider setzt dagegen mit Anti-Ausländer-Rhetorik auf seine einst bewährte, mittlerweile von FPÖ-Boss Heinz-Christian Strache gekaperte „Kleine Leute“-Strategie.

Für eine Niederlage samt Verlust sämtlicher oranger politischer Ämter dürfte Scheibner gewappnet sein. Seit Jahren pflegt der frühere Verteidigungsminister – in einem Leben nach der Politik vermarktbare – Beziehungen in den arabischen Raum. Seit knapp einem Jahr ist Scheibner überdies Regierungsbeauftragter für den Nahen Osten, wo er für Österreichs Ambitionen auf einen Sitz im UN-Weltsicherheitsrat im Jahr 2009 wirbt. In seine frühere Profession in der Versicherungsbranche wird der Berufspolitiker Scheibner im Falle einer Auslöschung des BZÖ wohl nicht zurückkehren (siehe Kasten).

Justizministerin Karin Gastinger scheint die Hoffnung noch nicht aufzugeben, ihren Ausflug in die große Politik verlängern zu können. Diskret ließ sie bei den Großparteien vorfühlen, ob die Variante einer parteifreien Justizministerin Gastinger eine Denkmöglichkeit wäre.

In ihrer eigenen Partei gilt die Quereinsteigerin mittlerweile als Unguided Missile. Ohne auf die Befindlichkeiten ihrer Partei Rücksicht zu nehmen, kündigte Gastinger an, ihre geplanten Reformen im Justizbereich wie ein ausgeweitetes Besuchsrecht auf eigene Faust durchzuziehen. Der Groll in der Partei ob des Alleingangs war hoch. Teamunfähige Einzelspieler à la Haider und Gorbach gibt es in der Partei ohnehin genug. Gastingers Entschuldigung: „Das Ganze ist zu früh in die Medien gekommen. Daher konnte ich mich mit meiner Justizsprecherin, Helene Partik-Pablé, die eine andere Haltung zum Strafvollzug hat als ich, nicht mehr rechtzeitig abstimmen.“

Kein Geld, kein Know-how. Die Finanzierung des orangen Wahlkampfs ist noch immer nicht gesichert. Zu den Liquiditätsproblemen kommt ein Know-how-Defizit. Seit Gernot Rumpolds Abgang als BZÖ-Werber im Juni vergangenen Jahres fehlt der Partei schlicht ein Kampagnenprofi. Jörg Haider ist – zumindest nach außen – dennoch hochoptimistisch. In internen Umfragen würde das BZÖ in Kärnten bei rund 30 Prozent liegen. Und obwohl Realität und Wahrscheinlichkeit dagegen sprechen, gibt das Haider-Büro eine äußerst selbstbewusste Parole aus. Wahlziel sei es nicht mehr, ein Grundmandat in Kärnten zu erreichen, sondern mehrere.

Der Politologe Fritz Plasser will nicht ganz ausschließen, dass das BZÖ den Klassenerhalt vielleicht doch noch schafft. Sein Resümee nach einem Jahr BZÖ fällt allerdings fast bemitleidend aus: „Fortune hat das BZÖ keine. Schon seit dem Gründungskonvent begleitet sie Murphy’s Law, dass eben alles schief geht, was schief gehen könnte.“

Von Gernot Bauer und Rosemarie Schwaiger

Mitarbeit: Otmar Lahodynsky