Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Geht Österreich pleite?

Geht Österreich pleite?

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Intensiver als die Frage, ob sich der ORF-Generaldirektor oder der Papst länger im Amt halten wird, diskutiert ­Österreich derzeit bloß eine Causa: Geht die Republik den Bach hinunter? Wenn das so wäre, würden wir uns tatsächlich weder um das Fortkommen der örtlichen Rundfunkanstalt kümmern müssen noch um die theoretische und praktische Expertise des heimischen Klerus in Angelegenheiten der gleichgeschlechtlichen Liebe. In diesem Szenario spielt dann allenfalls eine Rolle, wer am Küniglberg das Licht abdreht und ob jeder von uns seine irdischen Angelegenheiten fachgerecht für das individuelle Jenseits erledigt hat.

Eine Woche der Erkundigungen in der Causa Staatsbankrott. Die profil-Redakteure kommen zu einem eindeutigen Ergebnis, das sich in der Titelgeschichte niedergeschlagen hat. (Nein, die Republik fällt nicht in den Bach.) Der profil-Herausgeber wiederum sah sich selbst mit Fragen konfrontiert und mit überraschenden Informationen am Rande.

So ist erfreulich zu vermerken, dass auch an oberster Stelle Meinungen eingeholt werden: zwar nicht im erzbischöflichen Palais („Meinung“ ist angeblich ein Straftatbestand des kanonischen Rechts), aber in der weltlichen Wiener Hofburg. Der Bundespräsident hatte vergangene Woche eine Hand voll Journalisten eingeladen, unter anderem um deren Bewertung der Wirtschaftskrise einzuholen. Einige Erkenntnisse: Einen Staatskollaps hält niemand für wahrscheinlich. Dennoch fürchten alle ernsthaft um ihr eigenes Geld. Was fehlt, ist eine zentrale Anlaufstelle, die Überblick und Handlungsspielraum hat. Das könnte in Österreich am ehesten Notenbankgouverneur Ewald Nowotny sein: Er vereint in seiner Vita die seltene Expertise von Wirtschaftsprofessor, Banker und Politiker.

Einen Tag später und einige Straßen von der Hofburg entfernt, im Café Korb, treffe ich einen der erfolgreichsten österreichischen Ost-Investoren. Er kennt jeden Politiker und jedes Unternehmen zwischen Kiew und Prag. Ich will wissen, was er von der Gefährdungslage hält. Zwei Dinge bleiben in Erinnerung. Erstens eine Randbemerkung: Er erzählt, dass viele der österreichischen Top-Banker doppelt gestraft sind. Sie haben nicht nur Megatroubles im Job zu bewältigen; sie haben darüber hinaus oft einen Großteil ihres Geldes verloren, das in Aktien des eigenen Unternehmens angelegt war. Zweitens: Mein Ost-Investor ist überzeugt, dass Rumänien (dort liegt das Hauptrisiko der Erste Bank) nicht zusammenbrechen wird, da dies bei einem EU-Mitglied undenkbar sei. Aber auch für die Ukraine (da liegen die Tretminen von Raiffeisen) ist er optimistisch. Er erinnert an die lange zurückliegende Zahlungsunfähigkeit von Polen: Die habe auch nicht zum Ende des Staates geführt, sondern – klug verhandelt – zu langfristigen Kohle-Geschäften mit Österreich. Sein Wort in Gottes Ohr.

Zweihundert Meter vom Café Korb, im Café Europe am Graben, spreche ich am selben Tag mit einem Unternehmer, der von mir wissen will, wie er auf die Krise reagieren soll. Das kann ich nicht beantworten. Bei seinen eigenen Beobachtungen geht es nicht um die Finanzkrise, er berichtet von den Folgen. Die Nobelhotels in Wien seien in wesentlich größerem Ausmaß betroffen als bisher bekannt, die Auslastung eine Katastrophe. Alle Groß­events von Firmen würden abgesagt. Beides führe – anders als die Darstellung in den Medien – zu einem Desaster der Tourismusbranche. Überdies sei die Lage der AUA wesentlich dramatischer als öffentlich zugegeben. Die Passagierzahlen befänden sich im freien Fall, nicht um minus zehn Prozent, vielmehr um gut 20 Prozent. Der Rest unseres Gesprächs dreht sich um die Tatsache, dass die AUA so tut, als könne sie mit dem derzeitigen Personalstand über die Runden kommen. Und um die Frage, ob Werner Faymann (und die „Kronen Zeitung“) den Konkurs der AUA mit viel Geld verhindern wird oder ob er eine brutale Neugründung im Sinne der Swiss-Lösung zulässt.

Ein letztes Gespräch der vergangenen Tage, von dem ich berichte, fand bei einer Premierenfeier statt. Thema Elsner. Wie mein Gesprächspartner bin ich der Meinung, dass die fortgesetzte Untersuchungshaft des ehemaligen ­Bawag-Chefs ein Skandal ist. Allerdings ist meine Begründung eine andere: Helmut Elsner war wegen Fluchtgefahr in Haft genommen worden, weil er sich durch Vortäuschung einer Krankheit in Frankreich dem Prozess in Wien entziehen hätte wollen. Jene angeblich vorgetäuschte Krankheit war freilich so lebensbedrohend, dass sie mit einer komplizierten Herzoperation behandelt werden musste. Helmut Elsner ist noch immer in Haft. Die Begründung ist weiterhin Fluchtgefahr, der wahre Grund ist aber die öffentliche Meinung im Falle einer Enthaftung. Elsners Richterin ist jetzt übrigens Justizministerin und sein Staatsanwalt ihr Kabinettschef. (Eine allfällige Begnadigung von Elsner durch den Bundespräsidenten kann übrigens nur auf – richtig – Vorschlag der Justizministerin erfolgen.)

Mein Gesprächspartner hatte ein anderes Argument, und das führt noch einmal zurück zur Krise: Elsner habe doch nichts anderes ­getan als alle anderen Banker auch. Das freilich ist kein Skandal. Das ist Unsinn.

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