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Clubs der Reichen

Privatbanken verwöhnen nur die Vermögendsten

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Ein Kriminalpsychologe hätte keine Schwierigkeiten, den Gesuchten präzise zu beschreiben: fast immer männlich, älter als 30 Jahre, auffallend gut gekleidet, ausgezeichnete Umgangsformen. „Er pflegt ein ordnungsgemäßes Erscheinungsbild“, sagt Constantin Veyder-Malberg, Vorstand der Capital Bank, „und er zeichnet sich durch einen hohen emotionalen und sozialen Quotienten aus.“ Er habe „geschliffene Manieren, die über das richtige Halten von Messer und Gabel eindeutig hinausgehen“, weiß Ernst Traun, Vorstand der Anglo Irish Bank. „Er ist ein fachlicher Tausendsassa“, meint Bernhard Ramsauer von Sal. Oppenheim Österreich. „Er kann Wort halten und ist theoretisch rund um die Uhr erreichbar“, definiert Monika Jung, Managerin bei der Raiffeisen Centrobank (RCB).
Das derart skizzierte Persönlichkeits-profil passt auf eine ganz spezielle Gruppe von Finanzberatern: jene, die besonders wohlhabende Klienten betreuen – gelegentlich im Rahmen so genannter Family Offices, einer Art De-luxe-Variante des Kundencenters. Jene Institute, die sich vielfach als Privatbanken bezeichnen, wollen dem Geldadel, wie es in Eigenpräsentationen heißt, „individuellste Betreuung“ und „Lösungen für höchstpersönliche Kundenbedürfnisse“ bieten. „Wir behandeln jeden, als ob er unser einziger Kunde wäre“, sagt Norbert Gertner, Vorstand der Constantia Privatbank (CPB), und macht den Eindruck, als ob er seinen routiniert vorgetragenen Werbesprüchen auch tatsächlich Glauben schenkt.

Exklusiver Kreis. Die potenzielle Klientel für derartige Services wächst jedenfalls beständig: 304 Milliarden Euro an privatem Vermögen haben die heimischen Haushalte laut Oesterreichischer Nationalbank angehäuft – um 14 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2002. Dabei bringen es dem jüngsten „World Wealth Report“ zufolge allein die 60.000 wohlhabendsten Österreicher auf ein Gesamtvermögen von 163 Milliarden Dollar. Sie gehören zum exklusiven Kreis der weltweit 7,7 Millionen so genannten „High Net-Worth Individuals“ – jenen Menschen, die in der Lage sind, umgerechnet zumindest eine Million Dollar zu veranlagen. Parallel dazu hat sich auch die Zahl jener, die Sparguthaben und Geldvermögen von zumindest 70.000 Euro (ehemals eine Million Schilling)
besitzen, innerhalb von nur zehn Jahren auf rund eine Viertelmillion Menschen verdoppelt.

Rund zwei Dutzend so genannte Privatbanken bemühen sich in Österreich um diese feine Klientel – wobei sich selbst Fachleute mitunter nicht ganz einig sind, was genau eine Privatbank ausmacht. „Zur Definition des Private Banking könnte man ganze Dissertationen schreiben“, sagt Bernhard Ramsauer, Vorstand der Österreich-Dependance des 1789 gegründeten Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim.
Die Palette der angebotenen Services reicht jedenfalls von „Vermögensberatung und Depotverwaltung für gehobene Privatkunden im engeren Sinn“ – die Definition von Wiens ältester Privatbank Schelhammer & Schattera – über Privatstiftungsgründungen, Abwicklung komplexer Finanzierungen, Beratung bei Immobilientransaktionen bis zur Erfüllung höchst privater Wünsche wie der Beschaffung von Festspiel- oder Theaterkarten. „Auch die Liquiditätsplanung gehört dazu“, sagt Jürgen Danzmayr, Vorstand der Schoellerbank, einer Tochtergesellschaft der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA). „Diskretion und Vertrauen sind in diesem Geschäft zweifellos das Um und Auf“, so Constantia-Vorstand Gertner.
Viele Kunden sind gleichzeitig Unternehmer, und so ergeben sich fallweise Überschneidungen zwischen der privaten Vermögensverwaltung und dem so genannten Investment Banking, etwa der Beratung beim Kauf oder Verkauf eines Unternehmens. „Auf jeden Fall handelt es sich um komplexe Serviceleistungen, die sämtliche Aspekte der privaten Vermögensstrukturierung umfassen“, sagt Ruth Iwonski-Bozo, Vorstandsmitglied der BankPrivat AG, einer Tochtergesellschaft der Bank Austria Creditanstalt.

Definitionsfrage. Grob gesagt, lässt sich Private Banking in zwei Segmente unterteilen: Zum einen gibt es Töchter und Abteilungen von Großbanken und Versicherungen, die neben dem konventionellen Geschäft einer betuchten Klientel besondere Dienstleistungen offerieren (siehe auch „All exclusive“, Seite 68). Dazu zählen etwa Erste Bank und Raiffeisen Centrobank, die Alpenbank (mit Raiffeisen Tirol als Mutter), die Capital Bank (Grazer Wechselseitige), Kathrein & Co (Raiffeisen), Krentschker & Co (Steiermärkische Sparkasse) oder Privat Bank (Raiffeisen OÖ). Auf der anderen Seite finden sich jene Institute, die im Familienbesitz oder im Einflussbereich von Investorengruppen stehen – die klassischen Privatbanken, bei denen ursprünglich die Eigentümer mit ihrem Privatvermögen solidarisch und uneingeschränkt gehaftet haben, auch wenn diese Gesellschaftsform in Europa inzwischen rar geworden ist. Die meisten agieren unter der Rechtsform der Aktiengesellschaft, was „eine heute durchaus legitime Konstruktion“ sei, wie Wolfgang Samesch, Vorstand des Bankhauses Samesch, meint.

Zu den „echten“ Privatbanken zählen beispielsweise das von Heinrich Spängler geführte Bankhaus Carl Spängler & Co, die zur Turnauer-Stiftung gehörende Constantia Privatbank AG, die Bank Gutmann AG (Familie Kahane), die M&A PrivatBank AG, (Familien Wlaschek, Egger, Scherb, Fries), die Meinl Bank AG oder das Bankhaus Samesch & Cie. AG.
Diese sehen sich gerne als die Anbieter des „wahren“ Private Banking und glauben, die Erwartungshaltungen der speziellen Kundschaft tendenziell besser erfüllen zu können als die Private-Banking-Einheiten der Großbanken. Sal.-Oppenheim-Vorstand Ramsauer etwa ortet einen prinzipiellen Widerspruch zwischen Private Banking und dem Konzept einer Universalbank mit breiter Produktpalette. „Das ist eine andere Kultur“, so Ramsauer, bei Großbanken sei schlicht vieles zu normiert. Eine Ansicht, die von jenen Bankern, die für Institute tätig sind, die letztlich im Eigentum großer Bankkonzerne oder Genossenschaftskonglomerate stehen, naturgemäß nicht geteilt wird. „Wir sind eine kleine wendige Einheit mit der Sicherheit einer Großbank im Hintergrund, vielen Produktmöglichkeiten und eigenem Wertpapier-Research“, hält Monika Jung dagegen, Managerin des Bereiches Private Banking bei der zum Raiffeisensektor zählenden RCB.

Feine Nuancen. Die Unterschiede zwischen den Geldhäusern werden zumeist in feinen Nuancen offenbar – zum Beispiel in der Mindesthöhe des Vermögens, das ein Neukunde dem Institut zur Veranlagung anvertrauen muss. Um breitere Kundenkreise anzusprechen, senken immer mehr Privatbanken das Einstiegslimit. Einige in der Branche gehen allerdings auch bewusst den umgekehrten Weg: Die Anglo Irish Bank hat, bedingt durch internationale Ausrichtung und die Orientierung an angelsächsischen Gepflogenheiten, den Basisbetrag von 50.000 auf 100.000 Euro angehoben. Akribisch genau nimmt diese Limits aber fast keine Bank. Als Richtschnur für so genannte diskretionäre, also individuelle Vermögensverwaltung gilt aber jedenfalls ein Betrag um die 300.000 Euro.

Auch das unternehmerische Selbstverständnis soll der Unterscheidbarkeit der Institute dienen. Während das ebenfalls zur Raiffeisengruppe zählende Bankhaus Kathrein sich als „die Privatbank für Unternehmer“ zu positionieren versucht, streicht das Bankhaus Krentschker – recht untypisch für derartige Häuser – klassische Investitions- und Betriebsmittelfinanzierungen hervor. Die M&A PrivatBank will unter anderem mit effizienter Kostenkontrolle überzeugen. Die Schoellerbank wiederum lässt ihre Mitarbeiter eine „Markenverfassung“ unterschreiben und ist stolz auf die hohe Zahl so genannter CFAs – Certified Financial Planner nach internationalem Ausbildungsstandard.

Auf Kontinuität pocht indes die Spängler Bank. „Manche Familien betreuen wir bereits in der zweiten oder dritten Generation“, sagt Werner Zenz, Geschäftsführer des Family Office des Bankhauses Spängler. Die Mitarbeiter seien im Schnitt 13,5 Jahre bei der Bank und verfügten über durchschnittlich 16,5 Jahre Berufserfahrung.
Und für Georg Wolf-Schönach von der Krentschker Bank ist Private Banking ein Synonym dafür, dass die Bank selbstverständlicher Teil der Privatsphäre des Kunden ist. Zum Du ist es dann oft
nicht mehr weit. „Das geht in beide Richtungen“, sagt Monika Jung, „oft werden gute Freunde Kunden oder Kunden Freunde.“

Ausgefallene Wünsche. Angesichts derart oftmals enger Beziehungen wundert es auch nicht, welche Dienste Privatbanken mitunter für ihre Kunden verrichten. Der möglichst einträgliche Verkauf eines Picasso-Gemäldes kann ebenso dazu zählen wie die Hilfestellung bei der Verpachtung von Jagdgründen.
Auch den einen oder anderen Spleen darf sich die erlauchte Klientel leisten: So erinnert sich ein Private-Banking-Betreuer an einen Kunden, der partout nach Anleihen verlangte, die noch als typische Wertpapiere gedruckt wurden und bei denen man – wie früher üblich – den Kupon abschneiden kann. Grund: Der Mann bastelte Collagen daraus.

Intensive Betreuung auch bei kleinen, privaten oder alltäglichen Wünschen fördert nicht zuletzt tragfähige und dauerhafte Geschäftsbeziehungen – für Privatbanken nicht minder notwendig wie für andere Institute. Denn Umfeld und Wettbewerb werden auch in dieser Branche härter, und einige Marktteilnehmer haben sich jüngst aus Österreich wieder zurückgezogen – darunter Institute wie ABN Amro und Merrill Lynch.

Gezielte Ansprache. Jene, die indes weiter Kunden akquirieren, wissen in der Regel recht präzise über die potenzielle Klientel Bescheid: „Für jeden Standort werden Wunschkunden definiert und der Kontakt dann gezielt gesucht“, erklärt Schoellerbank-Vorstand Jürgen Danzmayr. Dafür bieten sich etwa Veranstaltungen, Vorträge im kleinen Kreis oder der exklusive Rahmen eines Golfturniers an.
Auch wenn Deals wie die Übernahme eines größeren Familienunternehmens über die Bühne gehen, „muss man dann dran sein“, so Constantin Veyder-Malberg von der Capital Bank. Denn Aktionäre, die im Wege von Übernahmen zu Barvermögen gelangen, stellen naturgemäß eine potenziell interessante Zielgruppe dar. „Der Kuchen ist allerdings mehrheitlich schon verteilt“, glaubt Veyder-Malberg.
Und wo dies noch nicht der Fall ist, eilen einige bereits hin: nach Osteuropa beispielsweise. „Die Region könnte sehr interessant werden“, meint Raiffeisen-Bankerin Jung. Das Bankhaus Samesch ist mit der kürzlich gegründeten SPB Holding Rt. schon in Budapest vertreten. „Das Kapital dort ist noch kaum fix gebunden, die haben echten Bedarf“, so Veyder-Malberg.
Größere Vermögen werden in der Mehrheit der Fälle eher konservativ veranlagt. „Je mehr Geld da ist, umso mehr zählt der Werterhalt“, konstatiert Ramsauer. Auffallend sei in dem Zusammenhang auch der Trend zu einer immer höheren Professionalisierung der Kunden. „Wir stehen alle extrem auf dem Prüfstand“, sagt Jung. „Viele Kunden sind topinformiert über Produkte aus dem In- und Ausland.“ Ramsauer: „Da sind echte Experten darunter, mit denen wir zweimal täglich telefonieren.“

Ein weiterer Trend: Hedgefonds sind als Teil einer Veranlagungsstrategie kaum mehr wegzudenken und machen im Schnitt mindestens fünf, fallweise bis zu 20 Prozent der Depots aus – auch wenn sich nicht alle Vermögensverwaltungsbanken vollinhaltlich mit derartigen Produkten identifizieren wollen. Die Schoellerbank beispielsweise thematisiert Hedgefonds zumindest nicht aktiv, so Vorstand Danzmayr: „Hier sehen wir die völlige Transparenz nicht erfüllt.“ Stattdessen werden für größere Kunden individuelle Fonds kreiert. Neben der sehr individuellen Betreuung bieten viele Institute drei bis fünf oder auch mehr standardisierte Muster-Portfolios, die sich vor allem im Aktienanteil voneinander unterscheiden.

Familienplanung. Privatstiftungen sind ebenfalls ein wesentliches Instrument bei der Betreuung großer Vermögen. Die Palette der angebotenen Services reicht dabei von der Analyse der vorhandenen Vermögenswerte über die Stiftungsgründung, das Stellen von Stiftungsräten, das Controlling bis zur Vermittlung geeigneter juristischer Beratung.

Im Hinblick auf den steigenden Professionalisierungsgrad der Kunden wird naturgemäß auch auf penibles Berichtwesen Wert gelegt. „Der Kunde kann sich alles wünschen“, sagt Constantia-Vorstand Gertner. Zins- und Dividendenbewegungen, Währungsstruktur, Einstandskurse, Vermögenszuwachs oder Marktwert werden so oft wie gewünscht auf Knopfdruck oder via Internet geliefert. Ein eigenes Steuerreporting wiederum soll Steuerberatern die Arbeit erleichtern.

Derartige Dienste haben freilich ihren Preis – sei es in Form einer Pauschalgebühr, gestaffelt nach dem Volumen oder auch erfolgsabhängig. Bei den meisten Instituten gibt es mehrere Varianten, wobei im Regelfall gilt: je höher das Volumen, desto besser die Konditionen.
Mitunter werden zuverlässige Berater jedoch auch unkonventionell belohnt: Eine Finanzbetreuerin erinnert sich an einen Klienten, der einst bei ihr zum Essen eingeladen war – und anschließend darauf bestand, ihr sein Rezept für Marillenknödel auszuhändigen, weil er meinte, das bessere zu besitzen.