Schiffsunglück der „Costa Concordia“

Katastrophe. profil-Reporter Gunther Müller berichtet vom Schiffsunglück vor der toskanischen Küste

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Sonntag 7:30 Uhr abends, toskanische Küste, ein winziger Ort namens Porto Santo Stefano. Ich erwische mit Ach und Krach das letzte Traghetto vom Festland zur Isola del Giglio an diesem Abend. Fahrzeit: Eine knappe Stunde. In der Dunkelheit ist der verunglückte, 170 Meter lange, Luxuskreuzer Costa Concordia kaum zu erkennen. Von hier sieht das Schiff aus wie ein gespenstischer Fels, der rund um die Uhr von der Küstenwache umkreist wird. Außen seilen sich ein paar Feuerwehrleute entlang der Kabinen und leuchten mit ihren Taschenlampen in die winzigen Fenster.

Im Hafen angekommen tummeln sich Feuerwehrleute und Journalisten in den hoffnungslos überfüllten Restaurants und der einzigen Cafeteria am Hafen. Die Opfer der Katastrophe sind längst abgereist, die meisten unversehrt, bislang gibt es angeblich fünf Tote. "15 werden noch vermisst", sagt ein mürrischer Polizist, der vor dem Caffé Ferraro steht und an einer Malboro zieht. "Aber unter uns: Wenn da noch wer an Bord ist, dann haben die kaum noch eine Chance."

Für Journalisten, die um diese Uhrzeit ankommen, beginnt jetzt die verzweifelte Suche nach einem Schlafplatz. Zurück zum Festland kommt man um die Uhrzeit nämlich nicht mehr. Das einzig geöffnete Hotel heißt „Bahamas“. Auf der Terrasse stapeln sich Rettungswesten. „Gestern waren 800 Menschen hier, die meisten haben die Decken aus den Zimmern mitgenommen“, sagt die Dame an der Rezeption. „Kein Problem, gibt es dennoch Zimmer?“

„Keine Chance“ Alles ausgebucht“, antwortet sie und schüttelt resignativ den Kopf. In der Lobby sitzen ein paar italienische Zeitungsjournalisten und sehen sich die Fußballpartie Milan gegen Inter an. Die Hotelbesitzerin ruft indes einige Inselbewohner an, die üblicherweise Zimmer vermieten. „Nein?“ „Nein“. Wieder nichts, alles belegt.

Vor der Osteria am Hafen lerne ich ein sympathisches älteres Ehepaar kennen, die anbieten, die Nacht in ihrem Wohnzimmer zu verbringen – zusammen mit drei weiteren italienischen Journalisten.
Ich nehme dankend an.

Morgen früh stehen zwei Termine an: Ein Gespräch mit Dottore Schiaffino, dem einzigen Arzt auf der 1000-Seelen-Insel Giglio. Die Einheimischen nennen ihn ehrfürchtig „Il cervello di Giglio“ („das Gehirn von Giglio“).Gleich danach: Ein Gespräch mit dem Bürgermeister.


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