Das war doch nicht fad!

Was aus dem Präsidentenwahlkampf zu lernen ist

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Fast alle politischen Journalisten des Landes versichern einander seit gut zwei Wochen, noch nie einen öderen Wahlkampf erlebt zu haben als die diesjährige Präsidentschafts-Kampagne. Anschließend versichern sie dies ihren Lesern.

Dem Jammern wird vom Publikum oft mit Verständnis begegnet: Mit „Vera“-Schicksalen, Moik-„Stadln“ und einer „Barbara Karlich Show“ über Hygieneprobleme von Bauchnabel-Gepiercten kann Benita vs. Heinz tatsächlich nicht mithalten. Aber es hat schon drögere und weniger vornehme Kampagnen gegeben als die laufende.
Der erste Versuch einer Bilanz:

Die größte Überraschung sind die Kandidaten selbst
Die tiefbürgerliche Dentistentochter und der Intellektuelle aus rotem Adel sind eine weit interessantere Paarung als Thomas Klestil und Rudolf Streicher, die Widersacher von 1992. Die unterschiedlichen Politik- und Lebenskonzepte traten bei der TV-Debatte vom vergangenen Donnerstag recht klar zutage. Die Kandidaten erwiesen sich in der Kampagne überdies als äußerst lern- und anpassungsfähig: Die als nervenschwach geltende Ministerin war robust, ihre Kondition hatten viele unterschätzt. Der als scheu und grau verrufene Heinz Fischer überraschte mit einem spektakulären Coming-out selbst jene, die ihn gut kennen: So locker war er schon lange nicht.

Die Kommunikationsprobleme der SPÖ hielten an
Von dem Bravourstück, nach zwei gewonnenen Landtagswahlen in eine tiefe Krise zu stürzen, hat sich die SPÖ noch immer nicht erholt: Die Begleitmusik seiner Partei fiel für Heinz Fischer eher dürftig aus. Der emsige Geschäftsführer Norbert Darabos zerspragelte sich, der Rest schien zu urlauben. Paradebeispiel für die mangelnde Fähigkeit, einer größeren Öffentlichkeit simple Sachverhalte mitzuteilen, ist die „Manner“-Affäre. Es war die ÖVP, die eine lächerliche Klage beim Wahl-Schiedsgericht eingebracht hatte, weil Fischer Schnitten verteilt hatte. Anstatt die Ferrero-Kampagne dem verdienten Gespött preiszugeben, erzählte die SPÖ die Geschichte so patschert, dass der Eindruck entstand, beide hätten geklagt.

Der werbliche Höhepunkt des Wahlkampfes: die Benita-Plakate
Wochenlang spöttelte und rätselte das Land über die 101 Staatsmänner, die eine Präsidentin Benita notfalls in deren Landessprache anreden könnte. Etwas Besseres kann einem Plakat nicht passieren. Die gelungene Werbelinie des Hauses Ogilvy & Mather überdeckte schwächere Einlagen – etwa das ulkige Web-Tagebuch und den nur mäßig witzigen Sloganklau.
Beste politische Werbung seit langem.

Das Wahlkampfärgernis:
die Patriotismuswalze Ferrero-Waldners

Es hatte ohnehin jeder erwartet, dass der angebliche Löwinnen-Kampf gegen die Sanktionen der EU-14 das zentrale Narrativ des Ferrero-Wahlkampfes werden würde. Damit war von Beginn an klar, dass der Wahlkampf etwas schmutzig werden könnte. Das Herausstreichen eigener Großtaten im Angesicht der Großen Europas erforderte ja zwangsläufig das Anpatzen des Gegenkandidaten: hier die Heldin – dort der Unpatriot, der Vernaderer, der vaterlandslose Geselle, der Nestbeschmutzer. Natürlich trug die gesittete Ministerin nicht in dieser Sprache vor. Implizit waren solche unanständigen Vorwürfe aber immer da und brachen beim TV-Duell heraus, als Frau Ferrero Fischer gezählte viermal eins mit der Patriotismus-Keule überbraten wollte – fast so, als sei sie bei Ewald Stadler in die Lehre gegangen. Der Außenministerin – sie ist erst seit neun Jahren in der Politik – scheint nicht bewusst zu sein, auf welch dünnem Eis sie sich bewegt. Das macht besorgt.

… und jetzt steigt Jörg Haider ein
Seit Mitte vergangener Woche steht auch Jörg Haider im Wahlkampf. Zuerst war er gemeinsam mit Benita Ferrero-Waldner einen Tag auf Tour in Kärnten, nannte sie „die künftige Frau Bundespräsidentin“ und stellte sich für possierliche Fotos. Dann gaukelte man ein strenges Hearing vor, das in der Frage gipfelte: „Was finden Sie an Kärnten besonders schön?“ Der erste politische Wahlkampfbeitrag des Haider-Lagers ist allerdings noch absurder: Der Landeshauptmann und seine Schwester Ursula Haubner attackierten Fischer Freitag vergangener Woche in mehreren Aussendungen, weil er 1992 als Nationalratspräsident eine Abstimmung zur Wahl des Rechnungshofpräsidenten wiederholen hatte lassen. Die FPÖ hatte dabei gezinkte Stimmzettel verwendet, um die Botmäßigkeit der eigenen Abgeordneten überprüfen zu können. Klubobmann damals: Jörg Haider. In der TV-Debatte hatte Benita Ferrero-Waldner schon am Donnerstag dieselben Vorwürfe erhoben. Zufall?

Das FPÖ-Hearing mit Fischer am Dienstag in Wien dürfte recht ruppig werden.
Und sage niemand, das alles sei langweilig.