Das letzte Aufgebot

Das letzte Aufgebot

Drucken

Schriftgröße

Irgendjemand hat einmal eine goldene Regel der Innenpolitik formuliert, wonach neuen Regierungsmitgliedern hundert Tage Schonfrist einzuräumen seien. Zwar hatte sich nie eine Partei daran gehalten – beschworen wurde dieser Grundsatz aber immer wieder.

Im aktuellen Fall der Übertragung des Justizministeriums an die Leiterin der Wasserrechts-Abteilung der Kärntner Landesregierung, Frau Karin Miklautsch, drängt einen schon menschliches Mitgefühl dazu, sich Selbstdisziplin aufzuerlegen. Natürlich soll Frau Miklautsch mit einem fairen Vorschuss an Vertrauen ans Werk gehen können, natürlich hat sie das Recht, an ihren ersten Taten gemessen zu werden und nicht an der bloßen Vermutung, Kenntnisse über das Kärntner Quell- und Abwasserwesen seien vielleicht nicht die beste Berufsvoraussetzung für das Amt der Justizministerin.

Man kann nur rätseln, woher die Klagenfurterin das Selbstvertrauen bezog, diesen Posten – einen der schwersten in Österreichs Politik – ohne viel Bedenkzeit anzunehmen. Daher bleibt auch unklar, ob ihr bewusst ist, wie schwer es eine neue Ministerin hat, die weder die Finten der Bürokratie noch die Strapazen der Bundespolitik auch nur ansatzweise abschätzen kann und die das Parlament vielleicht nur von einer Wien-Woche im Unterstufen-Gymnasium kennt.
Dass die neue Justizministerin in ihrem Haus den besten Beamtenapparat aller Ressorts vorfindet, könnte sich als Scheinvorteil entpuppen: Spitzenkönner – und das sind die Sektionschefs des Justizministeriums – geben sich nur ungern mit blutigen Amateuren ab.

Es ist Frau Miklautsch auch im Interesse des Landes zu wünschen, dass sie alle diese Hürden eleganter nimmt als ähnlich quer in die Bundesregierung eingestiegene FPÖ-Damen. Sozialministerin Elisabeth Sickl und Infrastrukturministerin Monika Forstinger waren bei ihren Gastspielen in der Regierung ja wahrlich glücklos geblieben. Und damit nicht der Eindruck entsteht, hier würde bloß die Arbeit von Politikerinnen in trübem Licht dargestellt, sei hinzugefügt: Auch der Kurzauftritt des ersten FPÖ-Justizministers Michael Krüger war nicht unbedingt eine Erfolgsstory.

Die Personalentwicklung in der FPÖ-Regierungsriege ist nicht nur in qualitativer, sondern auch in statistischer Hinsicht interessant: Auf sieben Ministerrücktritte haben es die Freiheitlichen seit ihrem Regierungseintritt im Februar 2000 bislang gebracht. Angesichts von drei der FPÖ zustehenden Ministerien bedeutet das eine zweimalige Runderneuerung. Oder anders gerechnet: Rein statistisch wird das Team alle eineinviertel Jahre komplett ausgewechselt.
So viel zur Stabilität der Regierungspartei FPÖ.

Nun scheint allerdings eine neue Qualität in deren Niedergang erreicht zu sein: Sie findet einfach nicht mehr genügend Personal, um die ihr zufallenden Posten auch nur einigermaßen vertretbar zu besetzen. Gewiss: Hubert Gorbach und Ursula Haubner nehmen ihre Regierungsämter recht anständig wahr. Aber fällt jemandem ein neuer freiheitlicher Infrastrukturminister ein, sollte FPÖ-interne Giftmischerei auch Gorbach dahinraffen?

Es ist ja kein Zufall, dass der ehemalige Parlamentssekretär Josef Moser auf den dritten Job innerhalb weniger Monate hoppen muss: Diese Partei hat ihre wenigen Talente systematisch verschlissen, und es kommt nichts mehr nach. Warum sollte auch jemand in ordentlichem Anstellungsverhältnis seinen Job aufgeben, um für die FPÖ in eine Regierung einzuziehen, wenn die durchschnittliche Verweildauer fünfzehn Monate beträgt?

Nur Beamte können das riskieren, weil sie leichter wieder in ihren Beruf zurückkehren können. Es erscheint also folgerichtig, wenn eine Beamtin der Wasserrechts-Abteilung der Kärntner Landesregierung den Justizminister-Job übernimmt. Der Chef wird sie im Fall der Fälle sicher zurück ins Amt lassen.

Diese Rekrutierungsprobleme der FPÖ sind nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung ein bloß innerparteiliches Problem. Vertreter dieser Partei sitzen heute an entscheidenden Schaltstellen der Republik. Deren Bürger haben – das hat uns gerade Jörg Haider immer wieder eingebläut – ein verbrieftes Recht darauf, vom politischen Establishment ordentlich vertreten zu werden. Das ist bei den meisten Positionen, die heute von FPÖ-Politikern besetzt werden, nicht mehr gewährleistet.
Im konkreten Fall kommt noch die Art dazu, wie sich freiheitliche Politiker die Malaise schönreden: Eine „frauenpolitische Ansage“ sei die Bestellung der neuen Ministerin, erklärte FPÖ-Obfrau Ursula Haubner – so, als ob bei der Führung des heiklen Ressorts eine justizpolitische Ansage nicht angebrachter gewesen wäre.
Den Vogel schoss freilich wieder einmal der Kärntner FPÖ-Chef Martin Strutz ab, der beunruhigenderweise selbst immer wieder für hohe Ämter auf Bundesebene genannt wird. Er sehe, so Strutz, durch die Bestellung von Frau Miklautsch „die Position Kärntens in Wien gestärkt“.
Das ist ja wohl die Hauptsache.

Holt uns endlich wer aus diesem schlechten Film heraus?