Das Fest der Erleuchtung

Das Fest der Erleuchtung

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Demnächst kommen die mündigen Zeiten – oder verkaufts mei Gwand, i fahr in Himmel.

Wenn nach diesem europäischen Wahlkampf auf Lügen und Erbrechen in allen Väter-Ländern, in dem die bereits arrivierten Abgeordneten zum EU-Parlament stolz ihre gestammelten Werke vorlegten und die potenziellen Neulinge das Beste (aus „Reader’s Digest“) versprachen, in dem gefeilscht, gefightet und gefeiert wurde, sodass nur noch die Fetzen (nach Brüssel) flogen – wenn nach diesen heroischen Wochen nicht Wesentliches Platz greift, werde ich ein Volksbegehren zur Einführung des passiven Watschenrechts initiieren.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt: Europäischer Wahlkampf auf Österreichisch heißt, den kleinsten gemeinsamen Nenner von Ideologie und Intelligenz auf das größte gemeinsame Vielfache von Pathologie und Präpotenz auszuwalzen.
Und wie Recht hatte ich damals.

Gewiss, noch liegen zwei köstliche Wochen voll gedanklichem Esprit und politischem Niveau vor uns, noch schrillen Mütter Courage und berserkern Heldenbarden um die Oscars für die beste Verantwortungsbewusstseins-Darstellung, noch wird angedacht, mitgelacht, nachgemacht.

Noch ist es an uns, aus dem Spreu der Bewerber den Weizen zu wählen, aber es ist nicht ganz leicht: Wir Wahlvieh sind auf uns selbst gestellt.

In anderen Ländern, etwa der Bundesrepublik Deutschland, laufen seit Wochen Informationssendungen aller wahlwerbenden Parteien zu den Europa-Wahlen. Im ORF läuft „Klingendes Österreich“ oder „A Gaudi muaß sein“. Wir haben zwar neuerdings entdeckt, dass wir in der Mitte des neuen Europa liegen, aber deshalb muss unser staatliches Informationsangebot noch lang nicht der Nabel der Welt sein. Wenn wir zur Presse greifen, entdecken wir, dass die großen Blätter selbstredend alle staatstragend dafür sind, dass möglichst viele von uns wählen gehen, denn dies stelle uns ein gutes demokratisches Zeugnis aus; wer das ausstellt, wird nicht geschrieben, und was uns das bei der Verteilung von Schlüsselpositionen einbringen könnte, auch nicht, weil niemand die Arroganz der großen Staaten einschätzen kann (und schon gar nicht mag). Vom hermetischen Trieb der neuen Länder zum Futtertrog, der demokratiepolitische Beachtungen gar nicht erst in irgendeine Waagschale fallen lässt, wird verständlicherweise ganz geschwiegen, ebenso von der nicht unerklärbaren Animosität mancher Länder einem Österreich gegenüber, dessen Sozialdemokraten sogar unter jede für sie aufgeschlagene Bettdecke kriechen.

Und einem Österreich gegenüber, dessen Bewohner im Grunde alles wollen, was das gesamte Europa nicht will: eigene Bauern mit massenhaft Zeugs, das es überall massenhaft gibt, plus schlechtem Vertriebssystem; weniger befahrene Durchzugsstraßen; hybrid erweiterte Fremdenverkehrs-Kapazitäten; nur wenige, aber hochtalentierte Fremde im Land; arbeitsplatzintensive Industrieansiedlungen; internationaler, aber intoleranter Treffpunkt ohne kulturelle Beeinflussung und ohne Kriminalität.

Dafür müssen unsere Damen und Herren Nominierten Stimmung machen, aber möglichst ohne Spesen, sonst meckern die Martin-Brothers (Hans-Peter & Wolf). Weil sie das müssen, gehen sie mit einem aufklärerischen Feldzug durch die Lande, um deren Tiefgang sie jedes Floß beneidet. Und versprühen ein Fluidum an Feuergeist, das jede seit Pompeji erloschene Lava zum Atomreaktor stempelt. Wo anfänglich selbst der verkniffenste Eigenbrötler eines behaglichen Schmunzelns nicht ermangeln konnte, machte sich alsbald eine Ödnis breit, die die Gobi zum Gähnen gebracht hätte. Nicht einmal das Vokabular war wüst. Nur manche Argumentierende waren am Sand.

Wählet in Scharen, „damit unsere Stimme in Europa gehört wird“. Aber welche? Das beim Wahlkampfauftakt der ÖVP brünstige Blöken der Ursula Stenzel? Den entschlossen nationalen Andreas Mölzer, der sich zu Rassismus bekennt? Den eingestanden desillusionierten Voggenhuber, den in Unterausschüssen unbedankten Swoboda? Auf die RAI-Journalistin Lilli Gruber der Liste Prodi bin ich neugierig, auf Leo Gabriel nicht.

Die große Dürre unserer Parlamentarier – damit ist nicht Pallas Athene gemeint – macht durstig nach rhetorischem Raffinement, nach spezifischen Strategien; aber nur dabei sein ist ein olympischer Gedanke, kein politischer, man kann Eulen nach Athen tragen und Wappler nach Brüssel, aber Auserwählte, die mit Kreuzbravheit geschlagen und Schmähstadheit gesegnet sind, kampieren im EU-Parlament als Dilettantenstadl: Farce pro toto.

Der nächste Weihnachtsmann kommt bestimmt, aber muss er immer wie Franz Fischler ausschauen? Müssen wir so bieder sein, dass uns alle mit Wonne meier machen? Muss unser Aufgebot immer dermaßen zusammengestampert werden, dass es sowohl für eine Bauernhochzeit als auch für ein Begräbnis zweiter Klasse geeignet scheint? Wüsste ich nicht genau, dass der Wahlkrampf von Fritz von Fessl-Orlando und Johann Nepomuk Imas inszeniert wurde, wär’s um mich geschehen. Aber so freu ich mich auf unseren Triumphzug nach Europa.
Denn dort kommen demnächst die mündigen Zeiten.