„Das sind doch keine Fußballfans!“

Hickersberger über die Extremisten im Stadion

Drucken

Schriftgröße

profil: Wie haben Sie nach dem Wiener Derby Ihrer Frau erklärt, was sich dort abgespielt hat?
Hickersberger: Sie wollte eigentlich nur wissen, wann ich endlich heimkomme, nachdem das Spiel erst mit Verzögerung begonnen hat.
profil: Sie und Kapitän Steffen Hofmann haben den Ordnern geholfen, die Feuerzeuge und Schlüsselanhänger, die von den Rapid-Fans aufs Spielfeld geworfen wurden, aufzusammeln – ein symbolischer Akt?
Hickersberger: Ich bin zum Fansektor, um die Anhänger zu beruhigen. Aber das war chancenlos. Dann hab ich halt aufräumen geholfen, bis es mir zu blöd war. Bei den Fans konnte ich nichts mehr erreichen. Also bin ich zurück zu meiner Mannschaft, um sie auf die Situation einzustellen. Es war absehbar, dass der Schiedsrichter jedes Foul hart ahnden würde, damit nicht der kleinste Funke Aggressivität vom Spielfeld wieder auf die Fans überspringen kann.
profil: Würden Sie als Trainer sagen: „Danke, aber solche Fans brauchen wir nicht!“
Hickersberger: Selbstverständlich. Das sind doch keine Fußballfans! Das sind Extremisten. Und ich bezweifle, dass das wirkliche Rapid-Fans sind.
profil: Sind Stadionverbote eine Möglichkeit, so etwas in den Griff zu bekommen?
Hickersberger: Ich bin davon überzeugt. Die Rädelsführer müssen alle registriert und mit Stadionverboten bestraft werden. Bei den Engländern hat’s auch gewirkt. Das ist der einzige Weg, um Sicherheit in unsere Stadien zu bringen.
profil: Ein Plädoyer für den gläsernen Fußballfan?
Hickersberger: Wir sind heutzutage doch ohnehin alle schon durchsichtig, ob Fußballfan oder nicht.
profil: Warum ist Fußball der einzige Sport, wo es regelmäßig zu solchen Ausschreitungen kommt?
Hickersberger: Das hängt auch mit der Fanszene zusammen. Beim Fußball geht es durch die Emotionalität des Spieles schon anders her als beim Basket- oder Baseball – oder beim Golfen. Aber dennoch, ich finde schwer Erklärungen dafür. Ich habe als Trainer in Düsseldorf einmal mit den Fans diskutiert, die sich nach einem Spiel wüste Schlägereien lieferten. Und die haben mir klipp und klar gesagt: Trainer, halten Sie sich da raus. Der Platz ist Ihre Spielwiese, was nachher abgeht, ist unser Match. Das verstehen Sie nicht. Und es geht Sie nichts an!
profil: Und an diesen Tipp haben Sie sich gehalten?
Hickersberger: Ja, denn den Ehrenkodex, nach dem das abläuft, hab ich nie durchschaut.
profil: Warum jubeln eigentlich Frauen bei Europa- und Weltmeisterschaften begeistert im Stadion, aber selten im Klubfußball?
Hickersberger: Es sind jetzt schon mehr als vor 20 oder 30 Jahren. Aber es sind eben solche Vorfälle wie jene beim Derby, die viele Frauen dann wieder davon abhalten zu kommen. Wobei ich sagen muss, ich kenn mich mit weiblichen Fans nicht so aus.
profil: Haben Sie keine?
Hickersberger: Nicht, dass ich wüsste. Ich bin ja kein David Beckham – kein so genannter Metrosexueller, wie man jetzt sagt, der das Interesse der Frauen auf sich und damit auf den Fußball zieht.
profil: Die Fankurven sind in Österreich nicht sonderlich dicht besiedelt. Wird das Nationalteam bei der EM 2008 einen Heimvorteil haben?
Hickersberger: Davon geh ich aus. Entscheidend wird sein, dass wir eine Mannschaft haben, die guten Fußball spielt und die es im Vorfeld der EM schafft, die Hoffnung zu wecken: Da ist was möglich. Dann können sich die Österreicher mit ihr identifizieren.
profil: Das bedarf aber einer gewaltigen PR-Offensive.
Hickersberger: Natürlich, ein paar Vorbereitungsspiele sind dafür zu wenig. Wir müssen unsere Protagonisten richtiggehend inszenieren – auch außerhalb des Spielfelds. Das muss der ÖFB schaffen.
profil: Mit ihrem Outing als Sticklers Wunschkandidat unmittelbar vor dem Champions-League-Spiel gegen Juventus Turin hat der ÖFB-Chef seine Managementqualitäten ja nicht gerade unter Beweis gestellt.
Hickersberger: Ich war vom Datum, höflich gesagt, nicht besonders begeistert. Aber er hat mir erklärt, dass er so handeln musste. Ich kann das nicht beurteilen, ich war in der Sitzung nicht dabei.
profil: Hatten Sie mit Hans Krankl seither Kontakt? Hat er Ihnen Glück gewünscht?
Hickersberger: Nein. Ich weiß, wie schwer ihn seine Ablöse getroffen hat – vor allem die Art und Weise. Da hab ich auch genug Mitgefühl, um nicht um jeden Preis ein Gespräch zu suchen, zu dem er keine Lust hätte.
profil: Sie wollen für 2008 ein junges Team aufbauen. Wenn man in Wien über den Gürtel fährt, sieht man sehr viele ...
Hickersberger: Prostituierte.
profil: Auch, aber sehr viele junge Talente, oft Migrantenkinder, die dort in den Sportkäfigen kicken. Finden die auch den Weg in die Vereine?
Hickersberger: Ich glaube schon, dass die meisten Vereinsspieler sind. Wir haben auch schon einige im Team: Muhammet Akagündüz zum Beispiel oder zuletzt gegen England Yüksel Sariyar.
profil: Können Sie es dann verstehen, wenn die Österreicher einem Akagündüz oder Sariyar zujubeln, dass die Strache-FPÖ mit einem Ausländer-Wahlkampf in Wien 15 Prozent einfährt?
Hickersberger: Na ja, das ist für mich befremdlich. Dass man mit ausländerfeindlichen Parolen so viele Stimmen bekommt, ist ein österreichisches Phänomen. Es muss hier wirklich viele ausländerfeindliche Menschen geben, sonst wäre der Prozentsatz bei der Wahl nicht so hoch gewesen. Viele davon glauben sicher auch, sie seien es gar nicht. Aber wenn sie sich an der Urne so entscheiden, spricht das für sich. Es wäre schön, wenn der Einsatz von Spielern nicht österreichischer Abstammung dazu führen würde, dass solche rechtsextremen Positionen weniger Unterstützung finden.
profil: Bei welchem Spiel aus Ihrer ersten Ära als Teamchef werden Sie Ihren Spielern sagen: So sollten wir es wieder machen, um bei der EM 2008 Erfolg zu haben!
Hickersberger: Das 3:2 gegen Holland vor der Weltmeisterschaft 1990, wo wir schon 3:0 geführt haben. Damals habe ich gehofft, dass die Holländer noch Tore schießen, damit wir nicht als Co-Favorit zur WM fahren. Aber es kam dann ohnehin anders. Bei der EM wollen wir diesmal die Gruppenphase überstehen und das Achtelfinale erreichen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Aber wenn man sich seine Ziele nicht hoch steckt, kann man auch nicht scheitern.

Interview: Josef Barth