Das patscherte Leben des Peter W.

Ein Politiker am Ende der Fahnenstange

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Natürlich ist er jetzt aufgewühlt: Ihm drohe ein „Polit-Prozess“, der Staatsanwalt handle „im parteipolitischen Auftrag der SP֓, man wolle ihn wegen seiner Gegnerschaft zum Rauchverbot und zum EU-Vertrag ausschalten. „Das ist genau der Stoff, aus dem Verfolgung gebastelt wird“, klagte BZÖ-Klub-obmann Peter Westenthaler vergangenen Dienstag, nachdem die Staatsanwaltschaft Wien die gegen ihn erhobene Anklage wegen falscher Zeugenaussage verlautbart hatte. In solchen Situationen dürfen Worte nicht zu genau gewogen werden: Hier steht ein Mensch unter Stress. Nur darum wohl argwöhnt er etwas verwirrt, der gesamte Staatsapparat verfolge den Chef einer Partei, die in Niederösterreich soeben 0,7 Prozent erreicht hat – und zwar deshalb, weil er kein Rauchverbot im Wirtshaus will. Na ja.

Peter Westenthaler ist vierzig, er hat Familie, ein kleines Haus und schlechte Karten, sollte ihn der Richter, dem er bald gegenüberstehen wird, tatsächlich verurteilen. Natürlich würde dann nicht der ganze Strafrahmen – drei Jahre unbedingt – zur Anwendung kommen. Nur fünf Prozent der wegen dieses Delikts Verurteilten müssen ins Gefängnis, zwei Drittel werden zu bedingten Haftstrafen verurteilt, der Rest kommt mit einer Geldstrafe davon.
Vorbestraft wäre er dann dennoch. Und könnte sich eine ohnehin ständig ums Überleben ringende Partei auch noch einen vorbestraften Obmann leisten? Peter Westenthaler fühlt sich jedenfalls als Opfer. In gewissem Sinn stimmt das sogar. Es war ja wieder so eine typische Geschichte: Am Wahlabend des 1. Oktober 2006 hatten die dank des famosen Kärntner Ergebnisses noch einmal davongekommenen BZÖ-Granden in der Wiener Zentrale gefeiert und sich dann in ein Tschocherl in der Liechtensteinstraße verfügt. Leider saß dort bereits Christoph Pöchinger, Pressesprecher von Justizministerin Karin Gastinger, die wenige Tage vor der Wahl wegen Westenthalers schrillen Wahlkampfs aus dem BZÖ ausgetreten war. Die Stimmung zwischen Westenthaler und Pöchinger war entsprechend. Als Erster merkte Jörg Haiders ehemaliger Mann fürs Grobe, der mit Westenthaler angerückte Gernot Rumpold, es könnte ungemütlich werden, und ging. Rumpold verfügt nach Differenzen in einer Gmundener Disco in Sachen Handgreiflichkeiten schließlich über eine gewisse Expertise. Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner, auch er in Westenthalers Gefolge, sollte später aussagen, er habe im Lokal (Größe: 30 Quadratmeter) mit anderen Leuten gesprochen und erst am nächsten Tag erfahren, was dort vor sich gegangen war. Andere Begleiter gaben an, sie seien in den entscheidenden Minuten auf der Toilette gewesen.

Und wer war der Einzige, der sich laut Zeugen wieder einmal nicht vor der Drecksarbeit gedrückt haben soll? Peter Westenthaler, eh klar. Glaubt man diesen Zeugen, deren Aussagen nun zu seiner Anklage führten, habe er seinen inzwischen zu vier Monaten bedingt verurteilten Leibwächter Sigi K. milieugetreu angewiesen: „Hauts de Oaschlöcher ausse!“ Daraufhin habe K. den Gastinger-Sprecher Pöchinger (1,82 Meter, 66 Kilogramm) in den in einschlägigen Kreisen gebräuchlichen Schwitzkasten genommen, ihn vor die Tür gezerrt und dort auf eine Weise belehrt, die zu Hämatomen an Unterarmen und Hüfte sowie zehn Tagen Krankenstand führte. Ein Herr, den sie „Peter“ nannten, sei, den Schläger anfeuernd, ­daneben gestanden, gab eine durch den Lärm geweckte Augenzeugin aus dem Nebenhaus an.
Dumm nur, dass Westenthaler im Prozess gegen Leibwächter K. Unaufgefordert als Zeuge auftrat und zu Protokoll gab, es sei gar nichts passiert, man habe bloß „einen sehr, sehr fröhlichen Abend“ verbracht. So sehr genoss er den großen Auftritt vor Gericht, dass ihn die wiederholte Warnung des Staatsanwalts, er müsse jetzt nicht weiterreden, nicht stutzig machte. „Ich möchte mich auch jetzt nicht der Aussage entschlagen“, warf sich Westenthaler mit offener Brust ins Zeug. Leibwächter K. erzählte ein paar Monate später der Illustrierten „News“, er habe sich während Westenthalers Aussage gedacht: „Was bin ich für ein Trottel, dass ich mich für den verurteilen lasse, der sich gerade selbst um Kopf und Kragen redet.“

An Menschen, die aus großer Höhe abstürzen, zieht angeblich innert Sekunden noch einmal das ganze Leben vorbei. Mag sein, dass sich jetzt auch Peter Wes­tenthaler an jenen Samstag im September 1986 erinnert, an dem er verkühlt in der elterlichen Wohnung in Wien-Favoriten lag und im Fernsehen verfolgte, wie ein Politiker namens Jörg Haider den Parteiobmann stürzte. Die Partei, die FPÖ, war Westenthaler völlig fremd. Er selbst stammt aus einer erzroten Familie, Freiheitliche gab es im Bezirk kaum. Aber Haider, das war sein Mann. Der um 17 Jahre ältere Politiker fand Gefallen an dem Adoranten, der ihm kurz darauf vorgestellt wurde. Und ein paar Jahre später lobte er: „Der Peter ist eine unserer besten Personalreserven, ich will ihn nicht verheizen.“ Westenthaler war ein Taschenträger der besonderen Art: fleißiger als die anderen, konzentrierter, wissbegieriger, hingebungsvoll bis zum Irrwitz. Anfang der neunziger Jahre etwa verhinderte er als von Haider eingesetzter FPÖ-Jugendobmann den ersten Unterwanderungsversuch durch Rechtsextremisten, die von einem gewissen Heinz-Christian Strache angeführt wurden. Zeitgleich verteidigte Westenthaler, der mit Nazis nie etwas am Hut hatte, bis zur Selbstaufgabe das Haider-Lob für die alten SS-Deppen in Krumpendorf. 1999 verlangte er den Rücktritt von SPÖ-Innenminister Karl Schlögl, weil dieser dem irakischen Vizepremier eine Spitalsbehandlung in Österreich ermöglicht hatte. Wenige Monate später beschimpfte er Kritiker des Haider-Besuchs bei Saddam Hussein. „Khol ist die Undemokratie in Person“, befand er 1999 über den damaligen VP-Klubobmann. „Khol ist der Grand Sir des Parlaments, er ist halt ein Elder ­Statesman“, hieß es ein Jahr darauf, als die FPÖ in ­Koalition mit der ÖVP regierte.

Westenthaler war tüchtig: Im tiefroten Wahlkreis Favoriten/Simmering rang er der SPÖ ein Grundmandat ab. In der Wahl der Mittel nie zimperlich, warf er einmal einem örtlichen SP-Mandatar vor, sich auf einer Mülldeponie an einem Jugendlichen vergriffen zu haben. Der völlig unschuldige (inzwischen verstorbene) Politiker hatte schwer zu kämpfen, den Makel loszuwerden, obwohl Westenthaler öffentlich widerrufen musste. In Haiders legendärer Buberl-Partie spottete man manchmal über ihn. Das zum Generalsekretär avancierte Ex-Buberl Walter Meischberger führte dann in lus­tiger Runde vor, wie Westenthaler Klubobmann Norbert Gugerbauer, seinen ersten Chef in der FPÖ, bis hin zum Lacher imitiert habe. Wenn es ungemütlich wurde, schob man Westenthaler schon damals gern vor. Nach dem nicht im Sinne der FPÖ verlaufenen EU-Referendum im Juni 1994 kamen die Generalsekretäre Herbert Scheibner, Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger erst gar nicht in die Parteizentrale und ließen Pressesprecher Westenthaler mit den Journalisten allein. Mag sein, dass er immer etwas zu lange geblieben ist. Walter Meischberger etwa, der frühere Tankstellenpächter, besitzt längst eine durch keine Aktivitäten auffallende Agentur namens „zehnvierzig“ und konnte sich dennoch eine Luxus-Designervilla in teuerster Lage ­Wiens leisten. Die Meinls wohnen gleich ums Eck.

Gernot Rumpold, einst Installateur im Gurktal, nennt eine „100% Communications“-Agentur sein Eigen, die einen fetten 6-Millionen-Euro-Auftrag des Eurofighter-Herstellers EADS ohne rechte Gegenleistung einheims­te. Allein für die Ausrichtung einer Pressekonferenz stellte Rumpold – frech bis zum Abwinken – 93.000 ­Euro in Rechnung. Karl-Heinz Grasser hat reich geheiratet und baut gerade einen Dachboden an der Ringstraße aus, gleich gegenüber der Hofburg. Selbst der biedere Herbert Scheibner führt nun eine „Scheibner Business Developement GmbH“ mit Innenstadtbüro. Seit einiger Zeit ist er mit einem Ex-Model zugange und läuft auf den Anwesenheitslisten der Society-Seiten als „Herbert Scheibner mit seiner schönen Ivetta“. Peter Westenthaler hat die Partei geerbt, einen morschen Kahn, der nicht mehr viele Häfen anlaufen wird. Er verdient 14.000 Euro im Monat und hat einen Dienstwagen mit Chauffeur. Das ist mehr, als in einem Favoritener Bubentraum Platz hat. Dafür muss er nach vorne, wenn’s wieder einmal eng wird. So ist das in der Welt des Peter Westenthaler.