Das Polit-Netzwerk von Josef Pröll

Das Polit-Netzwerk von Josef Pröll: Diskreter Zirkel aus Bankern und Managern

Diskreter Zirkel aus Bankern und Managern

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Von Gernot Bauer

Zwischen öffentlichem Spitzenamt und Leben in relativer Anonymität steht bisweilen nur ein Anruf. Am 24. November war Herbert Paierl, 56, einen halben Tag lang zukünftiger Wirtschaftsminister der Republik Österreich gewesen, als sein Mobiltelefon klingelte. Am Apparat: Josef Pröll, Parteiobmann der ÖVP und designierter Vizekanzler. Prölls schlechte Nachricht für Paierl: Aus dem angebotenen Top-Job werde leider doch nichts. Gescheitert war der frühere steirische Landesrat für Wirtschaft und Finanzen an seinen Parteifreunden in Graz; ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhofer hatte dringend abgeraten. Und in Wien und Linz lobbyierten Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Landeshauptmann Josef Pühringer für ihren – schließlich siegreichen – Kandidaten Reinhold Mitterlehner.

Die offizielle Verantwortung für die österreichische Wirtschaftspolitik mag Herbert Paierl versagt geblieben sein. Doch im Hintergrund bestimmt er nun inoffiziell die Geschicke des Landes in Zeiten von Schrumpf-BIP, Bankendebakel und krachender Staatsteilbetriebe wesentlich mit. Der Steirer ist Mastermind eines ebenso vertraulichen wie exklusiven Zirkels aus Managern, Industriellen, Bankern und Freiberuflern, die regelmäßig zusammentreffen, diskutieren und Konzepte entwerfen. Die gebündelten Gedanken sollen einem zentralen Player der heimischen Krisenbewältigungsmaschinerie als Richtschnur dienen: Finanzminister Josef Pröll.

Zentrale Anlaufstelle des ehrenamtlich und damit unentgeltlich arbeitenden Kreises ist der Management Club – im Selbstbild unabhängiger Think Tank und „Plattform für Leistungsträgerinnen und Leistungsträger“, de facto eine Vorfeldorganisation des ÖVP-Wirtschaftsbunds. Jahrelang diente Michael Ikrath, Generalsekretär des Sparkassenverbands und ÖVP-Nationalratsabgeordneter, als Präsident des Management Clubs. Im November 2007 übernahm Herbert Paierl das Kommando. In den Räumlichkeiten des Clubs in der Kärntner Straße in Wien trifft sich Prölls Beraterrunde alle zwei Wochen, um Themen wie die Kreditklemme oder die von der Industrie geforderten staatlichen Garantien für Unternehmensanleihen zu diskutieren. Bisweilen ist der Vizekanzler selbst anwesend.

Zu der illustren Runde zählen nicht nur deklarierte schwarze Parteigänger wie Paierl selbst. Karl Sevelda, Vorstandsdirektor in der Raiffeisen Zentralbank, galt einst als Förderer des Liberalen Forums. Neben Sevelda gehört ein weiterer Spitzenbanker zum diskreten Beraterkreis: Thomas Uher, Vorstand der Erste Bank in Österreich. Vor seiner Tätigkeit in der Erste Bank war er Direktor für Finanzen und Immobilien bei den Österreichischen Bundesforsten, die Pröll als Landwirtschaftsminister von 2003 bis 2008 politisch beaufsichtigte.

Netzwerk. Die Industrie ist in Paierls Beraterkreis mit dem Chef des Motorradherstellers KTM, Stefan Pierer, prominent vertreten. Auch Pierers Geschäftspartner Rudolf Knünz ist mit von der Partie. Die Steirer Paierl und Pierer kennen einander seit Langem und arbeiten in der Unternehmensbeteiligungsholding UIAG – Paierl als Vorstand, Pierer als Aufsichtsrat und Miteigentümer – eng zusammen. Mit Willi Dörflinger, Aufsichtsrat und Gesellschafter des Leiterplattenherstellers AT&S, zählt ein weiterer in Wirtschaftskreisen prominenter Industrieller zu Prölls Zirkel. Doch auch weniger bekannte Wirtschaftstreibende denken in Paierls Auftrag über neue Modelle in düsteren Zeiten nach: etwa Thomas Kloibhofer, Gründer und Chef des Dienstleisters Competence Call Center, der Linzer Wirtschaftsprüfer Ernst Haidenthaler und Veit Dengler, Manager beim Computerhersteller Dell.

In der Sozio-Logik der ÖVP passen Josef Pröll und Herbert Paierl genau genommen nicht zueinander. Hier der gelernte Bauernbündler mit starkem Instinkt für staatliche Förderungen und selektivem Verständnis von Wettbewerb; da der liberale Wirtschaftsbündler und Anhänger von Freihandel, Deregulierung und Marktwirtschaft. Auf der einen Seite der talentierte Jungpolitiker, der es ohne Schrammen durch das System an die Spitze der Partei schaffte. Auf der anderen Seite Paierl, bekannt für Extravaganzen, der sich vor fünf Jahren gemeinsam mit seinem Erzfeind Gerhard Hirschmann selbst aus der Politik sprengte. Und auch die Provenienz spricht an sich gegen eine wunderbare Freundschaft. Pröll entstammt der niederösterreichischen Volkspartei, die aufgrund des jahrelangen Streits um den Semmering-Basis-Tunnel sogar mit der Wiener SPÖ mehr verbindet als mit den steirischen Parteifreunden.

Es war Karlheinz Kopf, der Josef Pröll und Herbert Paierl einander näherbrachte. Der Vorarlberger war von 2000 bis 2008 Generalsekretär des Wirtschaftsbunds und hatte Paierl als Präsidenten des Management Clubs rekrutiert. Jahrelang galt Kopf als Personalreserve der Volkspartei. Unter dem neuen ÖVP-Regime von Josef Pröll gelang der Karrieresprung. Kopf stieg zum Klubobmann auf. Abseits des Managements der Parlamentsfraktion gilt er auch als einer der wichtigsten innerparteilichen Berater Prölls in wirtschaftspolitischen Fragen.

Als der Neo-Obmann im November vergangenen Jahres bekannt gab, selbst Finanzminister werden zu wollen, regte sich in ÖVP-nahen Wirtschaftskreisen Skepsis. Zwar hatte Pröll als Landwirtschaftsminister einschlägige Erfahrung gesammelt, als Experte für Wirtschafts- und Finanzpolitik galt er freilich nicht. Das Manko soll auch ein Netz aus internen und externen Beratern wettmachen. Neben der Paierl-Gruppe und den Experten in Kabinett und Finanzministerium hört Pröll auf Wirtschaftsforscher, Vertreter von Nationalbank und Industriellenvereinigung sowie einzelne Manager und Unternehmer.

Dass ihr Chef mittlerweile eine wirtschaftspolitische Granate und Konjunkturzampano ist, will das ÖVP-Generalsekretariat den Bürgern nun auch eindrücklich verklickern. Rechtzeitig zum Beschluss der Steuerreform im Ministerrat kommende Woche werden landesweit Pröll-Plakate affichiert. Der neue, bedingt bombige ÖVP-Slogan: „Jetzt richtig handeln.“