Dem Land Würde geben

Aufgabe für Heinz Fischer wird es sein, genau das zu tun, von dem Benita Ferrero-Waldner sagte, sie könne es besser.

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Mit Heinz Fischer hat nicht der schlechtere Kandidat gewonnen: Er kann genau das besser, womit Benita Ferrero-Waldner sich im Wahlkampf ein wenig penetrant gebrüstet hat. Denn er und nicht die Außenministerin genießt höheres Ansehen im Ausland. Und über die Funktion des Bundespräsidenten das internationale Ansehen Österreichs zu heben wird seine wichtigste Aufgabe sein.

Selbstverständlich ist es Fischer, der an wichtigen Kreuzungspunkten der internationalen Macht die beliebtere und vielleicht auch die bekanntere Figur darstellt. Das hat mit der Verweildauer und mit den Funktionen der beiden Kandidaten in der Spitzenpolitik zu tun. Fischer hat an der Seite mehrerer Bundeskanzler wie auch an der Spitze der Sozialistischen und dann der Sozialdemokratischen Partei Generationen von Repräsentanten und Insidern des internationalen Geschehens getroffen. Er kennt deren diskrete Netzwerke und ist dort eingebunden. Damit beherrscht natürlich in Wahrheit er deren Sprache und nicht sie, die eine intime Kenntnis dieser Kommunikationskanäle für ihre Wahlwerbung usurpiert hatte.

Ferrero-Waldner hingegen war nur ein knappes Jahrzehnt als Staatssekretärin und als Ministerin im Außenamt. Das ergibt viele Kontaktmöglichkeiten in relativ kurzer Zeit. Aber dass dies auch zur Bildung einer soliden Basis an internationalem Vertrauen gereicht hat, erscheint zweifelhaft. Zumal die Ministerin – und das ist der entscheidende Punkt – in den vergangenen vier Jahren regelmäßig als Abgesandte eines umstrittenen innenpolitischen Bündnisses auf der außenpolitischen Bühne auftreten musste. Für langfristiges Heranreifen von Freundschaften war da wohl weniger Platz als für die Verteidigung Österreichs wegen einer Koalition, die sie selbst mitzuverantworten hatte.

Zwischen Fischers tatsächlich vorhandener internationaler Reputation und der nun obsoleten Ankündigung der Gegenkandidatin, sie würde 70 Prozent ihrer Zeit im Ausland verbringen, besteht dennoch kein Widerspruch. Denn Ferrero-Waldner sah sich ja nicht als eine über jeden Zweifel erhabene Repräsentantin des Staates, sondern als zukünftige Handelsreisende, und sie belegte dieses Amtsverständnis mit ihrer früheren Tätigkeit als Exportleiterin eines Unternehmens.

Die Maximierung des ökonomischen Gewinns für die Republik wird aber nicht die wichtigste Aufgabe des österreichischen Staatsoberhauptes sein. Vielmehr tut eine Vermehrung des moralischen Kapitals Not. Dafür scheint Fischer die richtige Persönlichkeit zu sein.

Als Handelsreisender wäre er der Falsche: Denn er hat wohl noch nie einen privatwirtschaftlich determinierten Vertrag ausgehandelt, der über den Ankauf eines Autos hinausgeht, und selbst da darf man annehmen, dass er lieber bei einem staatlichen Handelshaus einkaufen würde. Ebenso wenig wird Fischer seine Persönlichkeit für Eingriffe in die österreichische Innenpolitik einbringen müssen: Da bestünde wiederum die Gefahr, dass Fischer linke Überzeugung über wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und die Liebe zur Partei über die Objektivität stellte.

Für ökonomische Funktionen und für Sachpolitik hat die Verfassung den Bundespräsidenten aber ohnehin nicht vorgesehen, sehr wohl aber für die Vertretung des Landes gegenüber der internationalen Meinung. Und genau dort und nicht an den beiden anderen Eckpunkten hat das Land seine instabilen Zonen.
Die Gründe sind bekannt: Der klägliche Umgang Kurt Waldheims mit seiner Vergangenheit und mit der Geschichte Österreichs stellte einen ersten Bruch dar. Dieser Bruch konnte allerdings durch Franz Vranitzky als Gegengewicht behoben werden. Die Koalition Wolfgang Schüssels mit Jörg Haider hatte gröbere Folgen. Und die jüngsten internationalen Reaktionen auf die neuerliche Wahl Jörg Haiders zum Kärntner Landeshauptmann lassen nicht auf eine völlige Bereinigung der Angelegenheit schließen. In all diesen Fällen ist es unerheblich, ob Österreich Unrecht geschehen ist oder nicht, ob das Land und seine Parteien einer demokratischen Logik folgen mussten oder nicht. Das Ausmaß des Schadens ist diskutierbar, der Schaden nicht.

Fischer ist ein guter Mann, um Österreichs internationales Ansehen zu festigen: Das Amt ist auf diese Aufgabe zugeschnitten. Fischers Abgrenzung zur FPÖ im Wahlkampf war vorbildhaft. Und seine persönliche Reputation im Ausland ist tadellos.
Er könnte dem Land – und nicht nur dem Amt – Würde zurückgeben.