Der böse Amerikaner

Der böse Amerikaner

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Dass George W. Bush diese Wahl gewonnen hat, muss einen nicht freuen, und es freut auch den Autor dieses Kommentars nicht. Bush ist eine windige Figur. Ein Drückeberger mit ungeklärtem Aufenthaltsort beim Militär, ein Alkoholiker mit nicht mehr als 15 Jahren Abstinenz, ein Präsident von Papis Gnaden: allesamt Hinweise auf eine wenig passende Persönlichkeitsstruktur für jemanden, der ungehindert eine Atomrakete in Richtung Moskau oder Peking verschicken kann.

Doch akut ärgerlicher als die amerikanischen Wahlen ist die Kommentierung dieser Wahlen – und zwar die Kommentierung in Österreich. Da beklagt jeder zweite Kaffeehausbesucher, dass er nicht verstehen könne, „wie dumm die Amerikaner sind“. Da schimpfen Taxifahrer über die „demokratielosen USA“. Da warnt ein maoistischer Intellektueller vor einem nun gewählten Senator, der angeblich „schwule Ehen mit Todesstrafe“ belegen wolle.

Im zitablen Österreich spielt es sich kaum anders ab. Michael Fleischhacker fürchtet in der „Presse“ um „eine zutiefst gespaltene Nation“. Peter Michael Lingens erklärt den USA in diesem profil (Seite 136) schulmeisternd, dass sie einen Fehler gemacht haben, und er weiß auch gleich warum: „Die religiöse Motivation der USA ist der häufigste Grund politischer Fehlentscheidungen.“ Selbst der stets klarsichtige Hans Rauscher sagt im „Format“: „Natürlich gab es wieder unfassbare Zustände und glatten Wahlbetrug.“ Und er endet: „Millionen Amerikaner wählten gegen ihre Interessen. Das ist ein schwer erklärbares Ergebnis.“

Sind die Amerikaner wirklich nichts als dämliches führergläubiges Stimmvieh?

Diese Kritik – und ausgerechnet von Österreichern – haben sich die USA wirklich nicht verdient.

In der so empörten lokalen Anti-Bush-Bewegung sind zwei Lager festzumachen: der so genannte Mann von der Straße hier und eine enttäuschte österreichische Elite da. Mann von der Straße kennt Amerika nicht einmal aus den Michael-Moore-Büchern. Er liest keine Bücher. Er kennt die Amerikaner bestenfalls aus Moores neuem Film – falls er sich am Montag nicht die Schnulze „Wunschkinder und andere Zufälle“ im anderen Programm angesehen hat. Mann von der Straße weiß von seinem US-Widerpart aus Polemiken.

Mann von der Straße macht folgende Vorhaltungen: Amis müssen ganz schön blöd sein, wenn sie einen Typen wie George W. Bush zum Präsidenten wählen. Er hat sie schließlich über Saddam Hussein belogen; er hat den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen; außerdem war er mal ein Säufer; und jetzt glaubt der Idiot auch noch allen Ernstes, dass Gott seine Politik super findet.

Aha. Wenn das die Kriterien sind, nach denen der österreichische Bürger über Politiker befindet: dann aber hallo!

Was die Charaktereigenschaften von Politikern im Allgemeinen betrifft, haben die Österreicher ja wirklich jedes Recht, sich über die mangelnde Sensibilität der Amerikaner zu alterieren: ein sauberer Track Record von Hannes Androsch über Kurt Waldheim bis Jörg Haider.

Aber auch ganz konkret steht es uns bestens an, nicht enden wollend über die mangelnde demokratische Reife des Amerikaners zu lästern. Schließlich ist etwa die Wahrhaftigkeit des österreichischen Politikers das entscheidende Kriterium für dessen Erfolg: Wer verspricht, im Falle einer Wahlschlappe in Opposition zu gehen, und dieses Versprechen nicht hält, der wird beim nächsten Mal abgewählt.
Regierungen, die gegen jede Ankündigung (und ohne das Ziel der Budgetsanierung zu erreichen) Steuern erhöhen, sinken schon bei den Umfragen ins Bodenlose.
Chronischer Alkoholkonsum führte in der Landespolitik wie in der Bundespolitik wie an der Spitze des Staates stets zum sofortigen Ausschluss des Übeltäters.
Und eine Regierung, die sich im Tross an einen Wallfahrtsort begibt, um dem Herrgott für die Befreiung von den EU-Sanktionen zu danken, eine solche Regierung würde sich binnen Tagen im Gespött der Bevölkerung dematerialisieren.
Das alles weiß der Mann von der Straße.

Die österreichischen Eliten wissen das alles auch, und sie wissen um einiges mehr. Sie wissen zum Beispiel, dass die „unfassbaren Zustände“ bei den Wahlen mit der amerikanischen Freiheit von jenem polizeistaatlichen Meldesystem zu tun haben, das in Österreich Gesetz ist.

Sie wissen, dass ihr Busenfreund John Kerry wie der verrückte Herr Bush für den Krieg gegen den Irak gestimmt hat.

Sie wissen, dass der dumme US-Präsident mit Powell, Rice und Rumsfeld ein ungleich intelligenteres Team hinter sich hatte als zum Beispiel Bill Clinton.
Die österreichischen Eliten wissen, dass ihre eigenen Netzwerke korruptionsanfälliger sind als jene von Bush, Cheney & Co.

Und sie können auch nicht übersehen haben, dass der nicht zu einem Nebensatz fähige George W. Bush in drei Fernsehdiskussionen ein wesentlich professionelleres Bild abgab als fast alle österreichischen Spitzenpolitiker zusammen.
Warum dann diese Überheblichkeit und die Panikmache? Vielleicht doch einfach deshalb, weil Amerika den Österreichern zu mächtig ist und Bush zu selbstgefällig?