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Der Coup

Der Coup

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Kurz nach den Landtagswahlen rückte der Bürgermeister von Wolfsberg den Spitzenkandidaten der Kärntner SPÖ, Peter Ambrozy, in die Nähe eines Karawankenbären. Doch anstelle des Tierschutzvereins, der sofort energisch gegen diesen Vergleich hätte protestieren müssen, traten Alfred Gusenbauer und Wiens Michael Häupl solidarisch für den ehrenwerten Mann ein. Die politische Landschaft Kärntens mag dieser Parallelschluss aber korrekt beschrieben haben, denn die animalische Alternative zu Ambrozy ist ein Braunbär.
Deshalb kann die Kärntner SPÖ es auch nicht schaffen, ihren weltläufigeren Genossen endlich einmal sozialdemokratisch spanisch vorzukommen; deshalb hat Josef Cap mit einer gedanklichen Eintagsfliege ausnahmsweise Recht, wenn er roten Franzosen das Maulhalten anschafft, weil die „unsere Verhältnisse nicht kennen“; und deshalb sind die vielen idealistischen Broukals unserer Welt so zu bemitleiden, weil sie Rollen in einem Stück spielen, dessen Inhalt sie nicht kennen.

Der Schwank „Der verhinderte Landeshauptmann“ sah ursprünglich drei Hauptrollen vor: den krisengeschüttelten, aber darob nicht gerührten Charakter-Darsteller Jörg Haider sowie die beiden ihn verfemenden Führer Ambrozy („Den wählen wir nicht“) und Georg Wurmitzer, dessen ÖVP vor vielen Wochen schon versprochen hatte, „mit unseren Stimmen wird es keinen Landeshauptmann Jörg Haider mehr geben“.

Das wahlberechtigte Publikum ahnte noch nicht, dass die Regie in den bewahrenden Händen Alfred Gusenbauers lag und dass Kanzler Wolfgang Schüssel in dieser Inszenierung nur stummer Statist sein würde.

Schon im ersten Akt gab es drei dramatische Höhepunkte. Zum aberhundertsten Mal staunten die Meinungsforscher über eine weitere Fehlprognose, weil Altvater Haider die ÖVP in einem Wörter-See ertränkte. Je waghalsiger er zerschlissene Segel als Steuer-Ruder verkaufte, umso mehr Vielleicht-Matrosen drängten an Bord der Arche No, na.

Zweiter Höhepunkt war Ambrozys Erkenntnis, angesichts eines sehr erfreulichen Wahlausgangs sei nun wohl leader sheep gefragt, was ihn dementsprechend in die Kameras glotzen ließ. Dritte, und raffiniert versteckte, Klimax war Haiders Antwort auf die Reporterfrage, was er nun zu tun gedenke: Er werde „mit der SPÖ und dann mit der ÖVP“ reden. Meisterhaft verstand es der Regisseur, diese richtungsweisende Pointe am Gros der Kritiker vorbeizuschummeln.

Der zweite Akt wurde mit einem von Haider wie Ambrozy vorzüglich naiv gespielten Eklat eröffnet: Helle, unschuldige Lebensfreude sprudelte aus den Chianti-Flaschen, mit deren Inhalt der Pakt gefeiert wurde. Hatte denn nicht Gusenbauer, der Sergio Leone des Carintho-Süderns, in der Generalprobe noch souffliert, der Stimmenstärkste möge Häuptling werden?

Wurmitzer, der sich noch in der Wahlnacht auf die Haider-Pirsch gemacht hatte, sah sich jäh um die Chance geprellt, sein Versprechen brechen zu können, wozu ihn Schüssel ohnehin bedenkenlos aufgefordert hätte. Er, nun nur noch ein ersticktes Weh, hätte damit doch jene stille Unterstützung der Blauen für die schwarze Königskobra Benita aushandeln sollen, doch mit dem Schnapp-Schuss Ambrozys war sein geplantes Attentat auf den Glauben der Wähler zum Rohrkrepierer geworden. Das Publikum jauchzte, als der rote Vorhang vor dem wahren Kärntnertum endgültig gefallen war, nur die Kritiker sahen farbenblind schwarz.

Im dritten Akt gesellte sich der Regisseur zu den bisherigen Akteuren auf die Bühne, stellte bundesweite Bandbreiten in den Raum, in dem die Broukals und Häupls ekelerregt ihre – für das Stück marginalen – Textzeilen von sich geiferten, was sozialistischem Ehrgefühl aber die erwünschte Glaubwürdigkeit verlieh. Über jegliches Alphabetentum erhaben, ließ Ambrozy die zweisprachigen Ortstafeln links liegen, den Ewiggestrigen beschied Gusi: Wer Diktator ist, bestimme ich, und das werdenwollende Staatsober-Haupt Heinz Fischer glänzte wieder einmal mit dem noblen Vorsatz, seines nicht zu schütteln. Während die Kritiker noch sinnlos antiquierte Monologe redlicher Roter rezitierten, während die kärntnerischen Massen bereits nach dem Lachschlager „Zwei Feiste für ein Haiderluja“ verlangen, hat der Drahtzieher immer noch im Ohr, was ihm sein Zehrkumpan hinter den Kulissen zugeraunt hatte: Wozu brauchen wir, wenn’s vielleicht schon bald um den Kanzler geht, noch die ÖVP?
Der Coup ist, für eine Hand voll Parteibücher, jedenfalls erfolgreich aus dem Stall gelassen worden. Ob die beiden Brut-Brüder auch den ungleich größeren landen können, wird auch von Wolfgang Schüssels Brüsseler Begehrlichkeit abhängen.

Vergangene Woche erregte das Ergebnis einer Umfrage unter jungen Menschen Aufsehen, demzufolge die Jugendlichen eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre „nicht besonders“ interessiere. Sie glauben nicht, politisch etwas bewirken zu können. Sie verzichten damit auf den Status Stimmvieh. Hauptberufliche Experten orteten „Politikverdrossenheit“.
Seltsam, nicht?