"Der Herr Haider ist Vergangenheit"

LIF-Spitzenkandidatin Schmidt im Interview

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profil: Frau Schmidt, ein Zitat: „Ich weiß nicht, ob ich auf den Wiedereinzug des LIF ins Parlament eine Wette abschließen würde.“ Von wem stammt’s?
Schmidt: Das weiß ich ganz genau. Als ich das im Februar bei der Feier zum 15. Geburtstag des Liberalen Forums gesagt habe, dachte ich mir im selben Augenblick, dass es unüberlegt sei. Es ist mir von den Lippen gepurzelt.

profil: Ihrem Parteichef Alexander Zach dürfte das Gesicht eingeschlafen sein.
Schmidt: Zu Recht. Ich habe vor Alexander Zach größten Respekt. Er hat in einer schwierigen Situation Zeit, Kraft und Emotionalität in das Liberale Forum inves­­tiert, ohne zu wissen, ob und wann er etwas ernten kann.

profil: Warum treten Sie trotz Ihrer ­Februar-Skepsis nach neun Jahren Politik­absenz bei den Nationalratswahlen an?
Schmidt: Die Antwort ist ebenso simpel wie emotionsgeladen: weil man jetzt muss. Es ist eine einmalige Chance für das liberale Projekt. Zum Zweiten ist es eine demokratiepolitische Notwendigkeit in diesem Land, eine liberale Ansage zu machen. Und zum Dritten gibt es einen strategischen Grund. Wenn es keine große Koalition oder eine Regierung mit rechter Beteiligung geben soll, ist ein Dreierbündnis notwendig. Und dazu braucht man das Liberale Forum.

profil: Sie beklagen die Zustände im Land und warnen vor Politikverdrossenheit. So ähnlich, nur einfacher argumentiert auch der frühere Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Fritz Dinkhauser. Sind Sie ein Dinkhauser für Akademiker?
Schmidt: Ich finde es tadellos, dass Dinkhauser antritt. Nach meinem Eindruck sammelt er freilich das Apolitische. Ich will aber das Politische ansprechen. Man muss der Politik wieder den Anspruch und Sinn geben, den sie braucht. Unsere Probleme sind eben nicht außerhalb des Parlaments zu lösen, bei aller Wertschätzung für derartige Initiativen.

profil: Aber warum sollte man zur Lösung der Probleme ausgerechnet die Liberalen wählen?
Schmidt: Viele Leute überlegen nach meiner Wahrnehmung, diesmal weiß zu wählen. Selbst ich habe darüber vor einigen Wochen nachgedacht. Die Reaktionen, die ich nach der Ankündigung meiner Kandidatur bekommen habe, erinnern mich an 1993, als das LIF gegründet wurde. Ich spüre ein Aufatmen, dass es mit uns eine Alternative gibt. Wir stehen für eine politische Kultur, die verloren gegangen ist.

profil: Sie sagen, Sie hätten überlegt, weiß zu wählen. 2006 waren Sie sich Ihrer Sache sicher und haben für die SPÖ gestimmt.
Schmidt: Nachdem die Liberalen nicht kandidierten, hatte das einen guten Grund. Es ging darum, Schwarz-Blau abzuwählen, und daher gingen wir das Wahlbündnis mit der SPÖ ein. Gemeinsam haben wir dieses Ziel erreicht.

profil: Die Tageszeitung „Die Presse“ kritisiert Ihre Partei als „Designer-SPÖ für bildungsnähere Schichten“.
Schmidt: Wir waren und sind in vielen Punkten anderer Meinung als die SPÖ, das Fremdenrechtspaket ist nur ein Beispiel dafür. Die Wahlgemeinschaft 2006 war aber eine bewusste strategische Entscheidung. Alexander Zach hat im Parlament das eigenständige Profil der Liberalen vertreten und die Partei als ernsthafte und grundsatzorientierte Marke weitergeführt.

profil: Was haben die neuen Liberalen, was die altgedienten Grünen nicht haben?
Schmidt: Alle Umfragen der vergangenen Monate zeigen, dass eine Koalition einer Großpartei mit den Grünen keine Mehrheit hat. Daher muss es auch im Interesse der Grünen sein, dass die Liberalen ins Parlament kommen, weil sich dann eine Dreierkoalition ausgeht. Aber zum Unterschied: Die Grünen setzen lieber auf den Staat als auf Eigenverantwortung und denken außer in der Umweltpolitik eher in alten Strukturen, als Neues anzugehen.

profil: Die Grünen kritisieren, Ihr Parteifinanzier, der Bauindustrielle Hans Peter Haselsteiner, sei ein Alpen-Berlusconi, der sich eine Partei hält.
Schmidt: Ich hätte den Grünen und Alexander Van der Bellen eine solche Wortwahl nicht zugetraut. Das Liberale Forum bekommt keine öffentlichen Förderungen und braucht private Sponsoren. Es ist nicht anrüchig, wenn uns ein Mann wie Haselsteiner unterstützt, der durch sein eigenes politisches Leben bewiesen hat, wie sehr ihm liberale Politik am Herzen liegt. Alles ist transparent.

profil: Im Sinne der Transparenz: Sie waren in den vergangenen Jahren Geschäftsführerin des „Instituts für eine offene Gesellschaft“. Ihre Gage hat ebenfalls Haselsteiner bezahlt.
Schmidt: Es ist richtig, dass Haselsteiner Hauptfinanzier des Instituts ist und ich eine Entschädigung erhalte . Dabei habe ich ein reines Gewissen, denn ich halte diese demokratiepolitische Arbeit für wichtig. Der zahlreiche Besuch bei den Veranstaltungen gibt mir Recht.

profil: In Wahrheit ist das Programm des Liberalen Forums jetzt wieder das gleiche wie vor zehn Jahren, und das heißt: Heide Schmidt.
Schmidt: Das ist doch nicht wahr, damals wie heute nicht. Ich bin stolz, dass wir etwa mit dem Slowenenvertreter Rudi Vouk jemanden gewonnen haben, der für Rechtsstaatlichkeit und Minderheiten steht. Und er wird nicht der einzige öffentlich Bekannte bleiben. Dass ich einen höheren Bekanntheitsgrad habe, ist Realität, weil ich lange in der Politik war.

profil: Die unter 25-Jährigen dürften Sie nicht mehr kennen.
Schmidt: Daher werden wir auf der Liste auch eine bunte Mischung aus Jung und Alt haben.

profil: Ihr früherer medialer Hauptgegner, die „Kronen Zeitung“, hat Ihre Kandidatur bisher eher ignoriert.
Schmidt: Ich halte die „Kronen Zeitung“ heute für noch demokratiegefährdender als seinerzeit. Sie hat Kampagnen initiiert, die im Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft stehen. Heute reicht ihr das nicht mehr. Die „Krone“ legt es darauf an zu entscheiden, wer Bundeskanzler wird.

profil: So gesehen müsste Ihnen eigentlich Molterer als Kanzler lieber sein als Fay­mann, der von der „Krone“ abgefeiert wird.
Schmidt: Nein. Selbst wenn ich der ÖVP zugestehe, nicht wie die SPÖ eine Kooperation mit der „Kronen Zeitung“ eingegangen zu sein, wüsste ich nicht, warum mir ein Kanzler Molterer angesichts der Politik der ÖVP lieber sein sollte. Darüber werden die Wähler entscheiden.

profil: Ein Zitat von Ihnen, das nicht der reinen liberalen Lehre entspricht: „Weder Privatisierung noch Verstaatlichung sind per se ein Erfolgsrezept. Die Privatisierung hat aber höhere Erfolgschancen.“
Schmidt: So sehe ich das.

profil: Für die Spitzenkandidatin einer liberalen Partei sollten die Überlegenheit der Privatwirtschaft und das Erfolgsrezept Privatisierung eigentlich völlig außer Zweifel stehen.
Schmidt: Ich habe immer ein Problem dabei, wenn man etwas quasi als Selbstzweck sieht. Privatisierung ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, das in den meis­ten Fällen besser funktioniert. Dennoch muss man sich über die Grenzen der Privatisierung ernsthaft unterhalten.

profil: Das ist ein linksliberaler Standpunkt, mit dem Sie etwa in der deutschen FDP Verwunderung auslösen würden.
Schmidt: Ich kümmere mich nicht um Etikettierungen. Es geht um konkrete politische Fragen, die aus dem Anlass heraus behandelt werden müssen, und um die Grundaufgaben des Staates, die eben nicht nur an marktwirtschaftlichen Prinzipien zu messen sind.

profil: Sie haben in den vergangenen Jahren brisante Diskussionen versäumt. Wie denken Sie über die dänischen Mohammed-Karikaturen? Hier kollidieren zwei liberale Prinzipien: Meinungsfreiheit versus Toleranz gegenüber fremden Kulturen.
Schmidt: Toleranz kann nie so weit gehen, dass man dafür Meinungsfreiheit opfert. Natürlich erwarte ich mir von Chefredakteuren bei solch sensiblen Themen ein höheres Verantwortungsbewusstsein. Wenn religiöse Gefühle wie im Fall der dänischen Karikaturen dennoch verletzt werden, muss man abwägen. Nach meiner Einschätzung waren diese Karikaturen im Rahmen unserer Pressefreiheit zulässig.

profil: Ein anderer Standpunkt lautet, dass man in unserer aufgeklärten Gesellschaft über den eigenen Gott spotten darf, aber aus Respekt gegenüber fremden Kulturen über Allah und Mohammed nicht.
Schmidt: Das sehe ich nicht so.

profil: Der liebe Gott und Allah müssen sich also denselben Spott gefallen lassen?
Schmidt: Das müssen sie. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass ein Blasphemieparagraf im Strafrecht nichts verloren hat. Religiöse Gefühle müssen nicht stärker geschützt werden als andere. Aber gleichzeitig ist es eine Frage von Anstand und Fairness, sie nicht bewusst oder provokant zu verletzen.

profil: Soll man verschleierten Mädchen oder Frauen mit Kopftuch helfen?
Schmidt: Das ist eine sehr komplexe Frage. Verbote wirken höchstens wie Notbremsen, ändern aber an der Haltung nichts. Man muss die Frage offener diskutieren, aber außerhalb des Wahlkampfs. Wir sollten den Kopftuchträgerinnen klarmachen, wofür das Kopftuch steht. Mir hat einmal eine Frau erklärt, ihr Kopftuch sei ihre Antwort auf die Oberflächlichkeit des Konsumismus. Das akzeptiere ich, nur glaube ich nicht, dass diese Haltung repräsentativ ist. Von der Mehrheit der Frauen, die das Kopftuch tragen, geht ein anderes Signal aus. Die Frau ist verschleiert, der Mann nicht. Die Frau reduziert sich damit auf ihre Geschlechtlichkeit. Das ist ein Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft, zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Man muss mit diesen Frauen in eine Diskussion eintreten, damit sie darüber nachdenken, ihr Kopftuch abzulegen. Die Selbstbefreiung der Frau war und ist schon bei uns mühsam genug, aber eine wichtige Aufgabe in einer aufgeklärten Gesellschaft.

profil: Für das BZÖ geht Jörg Haider als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl. Hätten Sie gedacht, dass sich Ihre politischen Wege noch einmal kreuzen?
Schmidt: Der Herr Haider ist für mich Vergangenheit.

profil: Jetzt ist er wieder Gegenwart.
Schmidt: Das ist eine virtuelle Gegenwart.

profil: Wenn Sie am 28. September nicht den Einzug in den Nationalrat schaffen, dann hat sich das liberale Projekt für immer erledigt.
Schmidt: Ich bin überzeugt, dass das Projekt gelingt, weshalb ich die Frage nicht beantworte. Wir bekommen schon jetzt sehr viel Resonanz aus inhaltlichen Gründen, wegen unserer politischen Kultur und aus strategischen Überlegungen über eine Dreierkoalition.

profil: Selbst die von Ihnen strapazierte Dreierkoalition hat unter Umständen keine Mehrheit.
Schmidt: Da haben Sie schon Recht. Alles ist möglich.

profil: Aber nix is fix.
Schmidt: Das wäre vielleicht ein schöner Schlusssatz, aber den sage ich sicher nicht.

Interview: Gernot Bauer, Otmar Lahodynsky