Astrophysik: 'Der große Knall'

Der große Knall: Wie ein Mega-Experiment in Genf die Welt verändern könnte

Wie ein Experiment die Welt verändern könnte

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So einen Superblitz hat die Welt noch nie gesehen. Inmitten einer 10.000 Tonnen schweren Apparatur wollen Physiker des Kernforschungszentrums CERN bei Genf einen Lichtpunkt zünden, der jede menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Die unfassbare Hitze von mehreren Billionen Grad ist nötig, um die Bedingungen zu simulieren, wie sie Sekundenbruchteile nach dem Urknall vor etwa 13,7 Milliarden Jahren geherrscht haben. Auf diese Weise wollen die Forscher herausfinden, wie das Universum entstanden ist und woraus es besteht.

Um dieses Vorhaben von nahezu kosmischer Dimension auszuführen, errichtete eine internationale Physikergemeinde den stärksten Teilchenbeschleuniger aller Zeiten. Für mehr als 3,5 Milliarden Euro entstand im Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz der so genannte Large Hadron Collider (LHC), wie ihn die Forscher nennen: 60 Meter unter der Erde verläuft ein 27 Kilometer langer ringförmiger Tunnel, durch den ein Rohrsystem führt – begleitet von zahllosen Kabeln, supraleitenden Magneten, Sensoren und Messstationen. An drei Punkten der Anlage wurden zusätzlich monströse, bis zu sieben Stockwerke hohe, mit Kabeln und Rohren vollgepackte Apparaturen zur Erforschung der Materie errichtet. Nach einer Bauzeit von acht Jahren ist das Monsterwerk nun fertig gestellt. In den nächsten Tagen wird das System angeschaltet, um vorerst die supraleitenden Magneten, welche die Teilchen in Schwebe und in ihrer Bahn halten sollen, allmählich auf minus 271 Grad abzukühlen. Erst wenn die Magneten voll funktionsfähig sind, können die Experimente beginnen.

In dem riesigen kreisförmigen Rohrsys­tem wollen die Wissenschafter Elementarteilchen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit von rund 300.000 Kilometer pro ­Sekunde beschleunigen, um sie dann aufeinanderprallen zu lassen. 10.000-mal pro Sekunde soll dabei jene Dichte und Temperatur entstehen, wie sie zum Zeitpunkt des Urknalls geherrscht hat. Deshalb fokussieren die etwa 1000 Forscher, die an diesem kompliziertesten und aufwän­digsten Experiment der Menschheitsgeschichte beteiligt sind, ihr Interesse auf „Alice“, das Herzstück der Anlage.

Dort verläuft in einem Wust aus komplizierten Sensoren, Messinstrumenten und Kabeln ein vergleichsweise schmächtiges, armdickes Rohr aus Beryllium, in dem jenes Urfeuer gezündet werden soll, das am Beginn der Schöpfung stand. Dabei hoffen die Forscher, vor allem ein Elementarteilchen namens Higgs-Boson zu finden – jenen letzten noch ausständigen Baustein des Standardmodells der Teilchenphysik, den es theoretisch geben muss, der aber bisher noch nie experimentell nachgewiesen werden konnte (profil 26/08).

Keine Masse. Ohne dieses Higgs-Boson sähe das Universum – zumindest nach der Theorie der Astrophysiker – ganz anders aus, als wir es kennen: Weil die Elektronen keine Masse hätten, wären sie auch nicht eng an Atomkerne gebunden. Daher gäbe es keine stabilen Festkörper, keine Chemie und demnach auch kein Leben. Ohne Higgs-Teilchen existierte der Mensch nicht, weshalb das Higgs-Boson auch gerne als „Gottesteilchen“ bezeichnet wird. „Und wenn wir das Teilchen nicht finden“, greift der Astroteilchenphysiker Rolf-Dieter Heuer, designierter Generaldirektor des CERN, einem möglichen Misserfolg voraus, „dann muss es einen anderen Mechanismus, ein anderes Teilchen, eine andere Kraft geben, über die Elementarteilchen ihre Masse erhalten. Es muss irgendetwas geben, das Masse verleiht.“ Gäbe es so ein Teilchen nicht, dann müss­ten die Physiker wohl ihr Standardmodell aufgeben, was das herrschende physikalische Weltbild zum Einsturz brächte. So oder so wird das aufwändige und sündteure Experiment die Welt der Physik verändern. Schon jetzt nährt das Unterfangen der CERN-Forscher nicht nur kühne Visionen von völlig neuen Erkenntnissen, sondern auch massive Ängste. Einzelne Außenseiter des Fachs glauben nämlich, das Experiment könnte nicht nur das geltende physikalische Weltbild, sondern gleich die Welt als Ganzes zum Einsturz bringen: Weil bei den Versuchen im LHC auch sehr kleine, so genannte Schwarze Löcher entstehen, könnten diese die Welt verschlucken.

Die Forscher des CERN quittieren derartige Spekulationen mit mildem Lächeln: Zwar existieren in den Weiten des Universums tatsächlich derartige kosmische Monster. Aufgrund ihrer extremen Masse und Gravitation ziehen sie Objekte aus ihrer Umgebung magnetenhaft an, sodass diese wie das ablaufende Wasser in der Badewanne immer schneller und immer enger um das Schwarze Loch zu kreisen beginnen, bis sie – freilich erst nach sehr langer Zeit – ins Loch hineinstürzen. Dabei ist die Gravitation dieser Schwarzen Löcher derart gewaltig, dass aus ihnen nichts entweichen kann und folglich auch nichts nach außen dringt – auch keinerlei Information und auch kein Lichtteilchen. Das macht sie für uns unsichtbar und daher geheimnisvoll. Die Forscher wissen von ihrer Existenz nur indirekt durch die Beobachtung von Himmelskörpern, die um ein imaginäres, weil unsichtbares Zentrum kreisen. Daher müsse im Zentrum dieser Erscheinungen, so folgern die Physiker, eine gigantische Masse mit ebensolcher Gravitation vorhanden sein. Aber im Verhältnis zu diesen kosmischen Phänomenen seien die winzigen Schwarzen Löcher, die bei den Experimenten im LHC entstehen können, gefahrlose Phänomene, die allerdings neue Aufschlüsse über ihre großen Verwandten im fernen Universum liefern könnten.

Immerhin genügte die Meinung einzelner Außenseiter der Physik, um die eilige Angstmache diverser Medien zu mobilisieren: „Versenken Forscher die Erde in einem Schwarzen Loch?“, fragte beispielsweise die deutsche „Bild“-Zeitung. Für das Publikum mag das eine unterhaltsame Frage sein, für die seriöse Physik sind andere Fragen weitaus spannender. Denn in der Astrophysik sind noch viele Fragen ungelöst – wie nicht nur das Beispiel des CERN-Experiments und die Suche nach dem Higgs-Boson zeigen. „Es gibt im Universum Rätsel sonder Zahl, wie es so schön heißt“, formuliert es beispielsweise der Innsbrucker Astrophysiker Ronald Weinberger. Zu diesen Rätseln gehört auch der Urknall selbst. Nach geltender Auffassung stand am Beginn des Universums ein winziges Etwas, in dem sich extremste Dichte und extremste Hitze zu einem unvorstellbaren Maß an Energie zusammengeballt hatten. Vor etwa 13,7 Milliarden Jahren zündete in diesem winzigen Etwas jener Urfunke, der den Entstehungsbeginn des Universums, also der Materie und der Raumzeit, markiert. Seit dieser Geburtsstunde dehnt sich das Universum immer weiter aus.

Hintergrundstrahlung. Schon im Jahr 1927 hatte der belgische Astronom Georges Lemaitre die Hypothese aufgestellt, dass der Kosmos aus einem Punkt heraus entstanden sein muss. Allgemein akzeptiert ist diese Ansicht aber erst seit 1965, als die beiden Radioastronomen Arno Penzias (Deutschland) und Robert Wilson (USA) die kosmische Hintergrundstrahlung entdeckt hatten, aus der sich eine Art Signatur des Urknalls herauslesen lässt. Für diese Entdeckung erhielten Penzias und Wilson 1978 den Physik-Nobelpreis. Aber die Urknallthese steht nicht mehr völlig unangefochten da. Denn die Frage ist: Was war davor? Ein physikalisches Nichts kann es nicht gewesen sein, weil aus dem Nichts nichts entstehen kann. Daher gibt es mittlerweile eine Reihe von Forschern, welche der Urknalltheorie andere Hypothesen gegenüberstellen. So behaupten beispielsweise die beiden Physiker Paul Steinhardt und Neil Turok von der Universität Princeton, dass unser Universum aus dem Zusammenprall zweier Universen, einer so genannten Branen-Kollision, hervorgegangen sei. Und solche Kollisionen könnten nicht nur einmal, sondern im Lauf von Äonen immer wieder auftreten – eine These, die unter dem Begriff „zyklisches Universum“ Eingang in die Wissenschaft fand.

Eine solche Kollision zweier Universen soll laut Steinhardt und Turok einen Urknall auslösen. Damit ließe sich das Phänomen schon besser erklären, als das bisher der Fall war. Zwar postuliert Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie eine so genannte Singularität – darunter versteht man die Existenz eines Zustands unendlicher Energie und Dichte, in dem die gesamte Materie des Universums in einem Punkt konzentriert sein musste –, aber sie scheitert an der exakten mathematischen Beschreibung eines solchen Zustands. Um diesen mathematischen Stolperstein zu umgehen, bedarf es einer Theorie, welche sowohl die Gesetzmäßigkeiten des Makrokosmos (Raumzeit) wie auch jene des Mikrokosmos (Quanten) unter einen Hut bringt. Eines der möglichen Erklärungsmodelle ist die so genannte Stringtheorie, welche sich die Materie nicht in Form kleiner punktförmiger Teilchen, sondern in Form von vibrierenden eindimensionalen Objekten (Strings) vorstellt. Ein anderes Erklärungsmodell ist die Quantengravitation (Loop Quantum Gravity), eine viel versprechende Theorie, mit der sich die widersprüchlichen Prinzipien der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenphysik vereinen lassen.

„Die Annahme, dass der Urknall der ers­te Moment in der Zeit war, ist mehr religiöser Mystizismus als Wissenschaft“, sagt der Vater der Quantengravitation, Lee Smolin, Physiktheoretiker am Perimeter Institute im kanadischen Waterloo. Smolin geht durchaus davon aus, dass es den Urknall gegeben hat, sagt aber, dass das Universum in irgendeiner Form auch davor existiert haben muss. Der deutsche Physiker Martin Bojowald vom Max-Planck-Ins­titut für Gravitationsphysik in Potsdam konnte mithilfe der Quantengravitation sogar zeigen, dass eine rechnerische Zeitreise in die Geschichte des Universums nicht beim Urknall endet, sondern auf der anderen Seite der Zeit in eine bizarre Welt führt, in der alles wie bei einem umgestülpten Luftballon seitenverkehrt exis­tiert. „Demnach hatte das Universum keinen Anfang. Es existierte immer schon“, sagte Bojowald gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „New Scientist“.

Noch lässt sich die Gravitation nicht einbetten in die sonstigen quantentheoretischen Vorstellungen. Die Astrophysiker wissen demnach nicht, ob es Quantengravitation gibt oder nicht, also eine Form der Energie, die sich auf kleinste Einheiten – Quanten – zurückführen lässt. Aber wenn es sie gibt, dann könnte man sich den Urknall als einen Quanteneffekt denken. „Wenn es ein Quanteneffekt war, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass das nur einmal passierte. Und dann kommt man vom Universum sofort zu einem Multiversum“, sagt der Innsbrucker Astrophysiker Weinberger. „Aber noch sind die Geheimnisse der Gravitation nicht so weit entschlüsselt, dass man das sagen kann.“

Ähnliches Rätselraten herrscht bei der Dunklen Materie. Unter diesem Begriff firmiert eine nur hypothetische Form der Materie, von der nur die Wirkung, nicht aber die Beschaffenheit bekannt ist. Sie sendet keine oder kaum elektromagnetische Strahlung aus und reflektiert auch solche Strahlen nicht, sodass sie als nicht direkt beobachtbar gilt. Vermutet wird, dass es sich bei dieser Form der Materie um noch unbekannte massive Elementarteilchen handelt, die in der Folge des Urknalls entstanden sind und die – ähnlich wie die Neutrinos – alles durchdringen.

Um diesen Teilchen auf die Schliche zu kommen, suchen die Forscher nach Sekundärprozessen, aus denen sich das Vorhandensein der Dunklen Materie nachweisen lässt. Dass es sie geben muss, schließen die Forscher aus der Existenz von Galaxienhaufen. Denn wenn die Galaxien nur aus der sichtbaren Materie bestünden, dann besäßen sie eigentlich zu wenig Masse, um sich zu größeren Haufen zu vereinen. Dass sie es trotzdem tun, deutet auf das Vorhandensein einer zusätzlichen Materie hin, die bloß eben nicht sichtbar ist.

Materie-Blasen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in den Anfangszeiten des Universums besonders dicht konzentrierte Blasen Dunkler Materie zur Entstehung von Schwarzen Löchern beigetragen haben. Normalerweise entstehen Schwarze Löcher nach einer Sternenexplosion (Supernova), bei welcher es den Stern nicht zur Gänze zerreißt. Es kommt zunächst zu einer Implosion, wobei die Zentralteile des Sterns in sich zusammenfallen und sich die Materie enorm verdichtet, sodass sie durch die extreme Gravitation für uns unsichtbar wird. Das ist ein bekanntes Phänomen. Aber es gibt darüber hinaus in etlichen Galaxien so genannte supermassive Schwarze Löcher, deren Entstehungsweise noch unbekannt ist. Möglicherweise war dabei Dunkle Materie im Spiel, als eine Saat für die supermassiven Schwarzen Löcher.

Noch weit rätselhafter als die Dunkle Materie ist die Dunkle Energie, eine bisher nur in der Theorie existierende Energieform, welche die Wissenschafter für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich machen. Jetzt will die US-Raumfahrtbehörde NASA dem Phänomen mit gleich zwei wissenschaftlichen Groß­projekten auf die Spur kommen. Für das kommende Jahr ist der Start der Projektarbeiten zur Joint Dark Energy Mission (JDEM) geplant. Im Jahr darauf beginnen die Vorbereitungen für das Projekt Laser Interferometer Space Antenn (LISA). LISA soll Gravitationswellen ausfindig machen, also feinste Stauchungen oder Dehnungen der Raumzeit, die laut Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie existieren sollten, aber bisher noch nicht nachgewiesen wurden.

Und ein weiteres Rätsel beschäftigt die Astrophysiker immer mehr: Nämlich die Frage, wie ein so seltsames Planetensys­tem, das so stabil ist wie das unsere, überhaupt entstehen konnte. Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass es da draußen in den unendlichen Weiten des Universums Milliarden Galaxien und Abermilliarden Sterne gibt und dass ein großer Teil dieser Sterne von Planeten umkreist wird. Schon aufgrund der riesigen Zahl von Planeten, so lautete die Überlegung, müssten darunter viele erd­ähnliche sein, auf denen auch höheres Leben möglich wäre.

Doch je länger Astrophysiker sich mit der Frage nach erdähnlichen Planeten beschäftigen, desto öfter wird ihre Erwartung enttäuscht. Schlagzeilen wie „Zweite Erde entdeckt“ machen sich gut, aber sie hatten bisher kaum einen realen Hintergrund, der auf lebensfreundliche Bedingungen hindeuten könnte. Denn „erdähnlich“ würde bedeuten: ein Planet mit geringer Masse, der seinen Stern in einem Abstand umkreist, dass die auf seiner Oberfläche herrschenden Temperaturen Wasser in flüssiger Form ermöglichen. Als „aufregende Entdeckung“ hatten im April des Vorjahres selbst Astronomen die Nachricht gefeiert, Forscher des Observatoriums Genf wären nahe dem extrasolaren Stern Gliese 581 auf eine „zweite Erde“ gestoßen, einen potenziell lebensfreundlichen Planeten. Aber die Begeisterung erwies sich als verfrüht. Denn der Planet umkreist einen Roten Zwergstern in vergleichsweise geringem Abstand. Da solche Roten Zwerge massenhaft Teilchen- und Strahlenschauer in den Raum hinausschleudern, wäre jedes Leben, das sich dort eventuell entwickelte, von vornherein ernsthaft bedroht. Daher heißt „erd­­ähnlich“ noch lange nicht, dass sich auf so einem Planeten mehrzelliges Leben entwickeln könnte, von höherem Leben ganz zu schweigen.

Im Gegensatz zu solchen Planeten ist die Erde gleich in mehrfacher Hinsicht ­privilegiert, wie auch der US-Geologe ­Peter Ward und der US-Astronom Donald Brownlee in einem Buch beschrieben, das im Jahr 2001 auf Deutsch erschienen ist: „Unsere einsame Erde: Warum komplexes Leben im Universum unwahrscheinlich ist“. Erstens leben wir in einer relativ wohnlichen Gegend der Milchstraße. Weiter draußen gäbe es zu wenig schwere Elemente, die einen erdähnlichen Planeten aufbauen könnten. Weiter drinnen gibt es zu viele Sternenexplosionen. Zweitens ist unser Planetensystem im Gegensatz zu den meisten anderen Systemen langzeitstabil: Die Umlaufbahnen der Planeten sind nahezu kreisrund, während sie in anderen Sys­temen fast ausschließlich elliptisch sind, was zu erheblichen Temperaturschwankungen auf der Oberfläche des jeweiligen Planeten führt und ein großes Hindernis für die Entstehung von Leben bedeutet.

Naturkonstanten. Der österreichische Physiker Heinz Oberhummer hat sich eingehend mit den im Universum herrschenden Naturkonstanten befasst, die es ermöglichen, dass es überhaupt Leben gibt. Er hat beispielsweise errechnet, dass, wenn man bei den so genannten Feinstrukturkonstanten nur an kleinsten Schräubchen dreht, kein Leben mehr entstehen könnte, weil sich beispielsweise Kohlenstoff nicht mehr mit Wasserstoff verbinden könnte. Warum es diese Feinabstimmung überhaupt gibt, ist zumindest erstaunlich, wenn nicht gar ein großes kosmisches Rätsel. Die Erde umkreist die Sonne nicht nur in einem idealen Abstand, ihre Achse wird auch durch den Mond dauerhaft stabilisiert. Bekanntlich kollidierte die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren mit Theia, einem Protoplaneten von der Größe des Mars, der etwa ein Zehntel der Erdmasse um­fasste.

Durch den Zusammenstoß wurde die Bahn der Erde vermutlich nur geringfügig verändert, aber für die wesentlich kleinere Theia hatte die Kollision fatale Folgen: Der Protoplanet wurde zerstört. Was von ihm übrig blieb beziehungsweise jene Teile, die vom Erdmantel abgesprengt wurden, schwenkten in eine Umlaufbahn um die Erde ein und formten im Lauf der Zeit den Mond. Vergleiche der Isotopenzusammensetzung im Erd- und Mondgestein zeigen, dass der größte Teil des Materials, aus dem der Mond gebildet wurde, aus dem Erdmantel stammt. Unsere Sonne ist ein relativ kleiner „gelber“ Stern, aber lange Zeit wurde sie als viel kleiner angesehen, als sie im Vergleich zu anderen Sternen tatsächlich ist. Das lag vor allem daran, dass ein großer Teil der Sterne im Universum noch nicht bekannt war, einfach deshalb, weil sie aufgrund ihrer geringen Leuchtstärke lange nicht entdeckt wurden. Heute wissen die Astronomen, dass das Gros der Sterne noch deutlich kleiner, kühler und bedeutend langlebiger ist als unsere Sonne. Die weitaus meisten Sterne sind nämlich so genannte Rote Zwerge, die mit ihren Energiereserven sparsam umgehen, sodass sie ihre Kernfusionsprozesse problemlos dutzende Milliarden Jahre aufrechterhalten können – also viel länger, als das Universum heute alt ist.

Und bedeutend länger als unsere Sonne, deren Lebenszeit maximal zehn bis zwölf Milliarden Jahre beträgt. Sie dehnt sich langsam aus und wird in etwa ein bis zwei Milliarden Jahren eine Größe erreicht haben, die Leben auf der Erde unmöglich macht. Am Ende stürzt die Erde in die Sonne, und die Sonne fällt nach einer Phase der Ausdehnung in sich zusammen. Aus den Resten unseres Muttersterns, so sagen es die Astrophysiker voraus, bildet sich zuletzt ein Riesendiamant mit vermutlich dünner Atmo­sphäre, ­in dem sich weit entfernte Lichter des Universums spiegeln.

Von Robert Buchacher und Gerhard Hertenberger