Peter Michael Lingens

Der Sieger heißt Strache

Der Sieger heißt Strache

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Egal, ob vorzeitig oder erst zu Ende der Legislaturperiode gewählt wird – ein Sieger des großen Koalitionstheaters steht jetzt schon fest: Heinz-Christian Strache. Die FPÖ hat die Grünen nicht nur in Niederösterreich als dritte Kraft überholt, sondern wird das auch bundesweit tun. Nach menschlichem Ermessen ist sie damit, wie schon unter Jörg Haider, auf absehbare Zeit die einzige Partei, die in der Lage ist, der ÖVP oder der SPÖ zu einer regierungs­fähigen Mehrheit zu verhelfen. Prompt hat sich der letzte Rest politischen Ab- und Anstands im Verhältnis zu Strache von selbst erledigt: Die SPÖ kann ganz offen mit ihm, und dafür, dass die ÖVP mit ihm kann, garantiert Wolfgang Schüssel. Das Land befindet sich damit einmal mehr in der Geiselhaft einer Partei, die in Deutschland unter Beobachtung des „Verfassungsschutzes“ stünde: Obmann Heinz-Christian Strache durfte man gemäß Urteil des OLG Wien schon eine „Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut“ nachsagen, als es noch nicht einmal die Fotos seiner „Jugendsünden“ gab. Noch 2004 war er Redner der Trauerkundgebung, die Gleichgesinnte alljährlich am 8. Mai aus Anlass der Kapitulation Hitler-Deutschlands veranstalten.

Ewald Stadler, bis zu seinem Machtkampf mit Strache führender FP-Ideologe, verlangte zum gleichen Jahrestag „einen enttabuisierten Umgang mit unserer Geschichte, wie dies Horst Mahler in Deutschland getan hat und dafür auch verfolgt worden ist“ – nämlich vom Verfassungsschutz als Neonazi –, und pflegte diesen Umgang folgerichtig selbst: Auf einer „Sonnwendfeier“ der Familie Rosenkranz war er mit den Anwesenden einig, dass Österreich 1945 „angeblich“ von Faschismus und Tyrannei befreit worden ist. Die Familie Rosenkranz besteht (neben den zehn Kindern von Arne bis Sonnhild) aus Horst Jakob Rosenkranz, ehemals Aktivist der verbotenen NDP beziehungsweise einer wegen „Wiederbetätigung“ nicht zugelassenen Liste „Nein zur Ausländerflut“, und der nunmehrigen NÖ-Landesrätin Barbara Rosenkranz, die man gemäß einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Sinne eines Werturteils „Kellernazi“ nennen darf.
An der Aktivität ihres Mannes – derzeit Herausgeber der rechtsextremen „Fakten“ – kann sie „nichts Ehrenrühriges“ finden – so wenig wie der FP-Bezirksparteiobmann von Amstetten, Karl Schuller: Im Oktober lud er den „Ehemann unserer Landesparteiobfrau“ als Vortragenden zu einer „gut besuchten Veranstaltung“ in Amstetten. Werner Königshofer, Spitzenkandidat der FPÖ in Innsbruck, war Mitglied der verbotenen NDP; Steiermarks Landesparteiobmann Gerhard Kurzmann ist Mitglied der Kameradschaft IV, die sich bemüht, die Waffen-SS als unbedenklichen Bestandteil der Wehrmacht darzustellen; FP-Nationalrat Wolfgang Zanger entdeckte am Nationalsozialismus auch „gute Seiten“. FP-Nationalrat Reinhard Bösch ist Mitglied der „Teutonia“, die das Handbuch des Rechtsextremismus als „Hochburg der militanten rechten Szene“ ausweist. Usw., usw., usw. Die „Ehemaligen“ sind erfolgreich von jetzigen Söhnen und Töchtern abgelöst. Das ist das eigentlich Verbindende der Partei, mit der zu koalieren die einzige Alternative zur großen Koalition darstellt.

Für Wilhelm Molterer hätte es vielleicht ein sachliches Hindernis bedeutet, dass Strache fordert, den EU-Vertrag per Volksabstimmung abzulehnen, aber diesen Vertrag kann er ja noch mit der ungeliebten SPÖ abschließen. Ansonsten lässt sich bei der FPÖ weit und breit kein hinderliches „Programm“ ausmachen: Außer für EU- und Fremdenfeindlichkeit steht sie für nichts, sodass sich vermutlich alles mit ihr beschließen ließe. Rein technisch wäre eine schwarz-blaue Koalition wahrscheinlich halbwegs effizient, wie es ja auch Schüssels Koalition mit der Haider-FPÖ anfangs gewesen ist. Und abermals könnte man sich sogar der begründeten Hoffnung hingeben, dass sich auch die Strache-FPÖ im Laufe längstens einer Amtsperiode selbst desavouiert, indem ihre Minister in ihrer Mehrheit ähnlich wie Haiders Minis­ter versagen. Und natürlich wird man ihre Funktionäre auch des gleichen Postenschachers überführen können. Das freilich ist die eigentliche Katastrophe: In wichtige Stabs- und Staatsstellen gelangte eine weitere Riege von blauen Sympathisanten und bestimmte damit noch mehr als schon bisher das Klima in diesem Land. Dann wäre ich froh, meinen Wohnsitz wieder nach Spanien zu verlegen.

In einer Koalition mit der SPÖ wäre diese Gefahr der Durchdringung des Staates noch größer, denn Strache wäre dann nicht der Schmiedl neben einem konservativen Schmied, sondern die „rechte“ Alternative zu einem linken Kanzler und damit derjenige, der die Stimmen der bürgerlichen Überläufer einsammelte. Blau-Rot ist damit aus der Sicht Straches zweifellos die attraktivere Paarung. Für die SPÖ bedeutete sie zwar das Ende jeder vernünftigen Integrations- und Schulpolitik – aber was wäre das schon, wenn man regieren kann. Eine Alternative zu diesen beiden Horrorszenarien kann ich derzeit rechnerisch nicht sehen. Als Fantasie deutet sie allenfalls der Meinungsforscher Peter Hajek in der vorwöchigen profil-Ausgabe an: Wenn die Volkspartei vor Wahlen erklärte, sie strebe eine Koalition mit den Grünen an, könnte das den beiden vielleicht doch die derzeit unerreichbare Mehrheit bescheren. Aber genauso gut kann es sie in der Luft zerreißen. Und also dürften sie es kaum riskieren.