Peter Michael Lingens

Der Verlust bleibt national

Der Verlust bleibt national

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Im Jahr 1990 kostete eine AUA-Aktie umgerechnet zirka 350 Euro – bis heute hat sich ihr Wert auf etwa ein Hundertstel reduziert. Dazwischen liegen 18 Jahre staatlich-politischen Ma­nagements. Wegen dieses Erfolgs haben Werner Faymann und Wilhelm Molterer vereinbart, dass sich die Politik auf gar keinen Fall ganz aus der AUA zurückziehen darf: In ihrem Privatisierungsauftrag haben sie bekanntlich festgelegt, dass 25 Prozent plus eine Aktie als Sperrminorität in österreichischer Hand bleiben müssen. Weil Investoren sich nicht nach politischen Wünschen, sondern nach kaufmännischen Chancen richten, haben die ins Auge gefassten Austro-Aktionäre prompt nur dürftigstes Interesse signalisiert, sodass die Sperrminorität wohl bei der staatlichen ÖIAG bleiben wird. Damit wird der Kaufpreis, wer immer für die AUA-Mehrheit bezahlt, extrem niedrig ausfallen: Es wird neuerlich Geld vernichtet, ohne dass Österreich durch die Sperrminorität den geringsten Vorteil hätte. Alles, was uns mit einiger Sicherheit bleibt, ist der vom Steuerzahler abzudeckende Verlust der letzten Jahre.

Niemand soll sagen, dass das nicht vorhersehbar war. So habe ich vor Tagen zufällig im Archiv der „Wochenpresse“ gekramt. Dabei ist mir ein Text des späteren profil-Chefredakteurs Stefan Janny vom November 1990 in die Hände gefallen, der bereits vor nunmehr 18 Jahren die Gretchenfrage stellte: „Kann die AUA überleben?“ Anlass war die von der EU beschlossene Liberalisierung des Luftraums, die bei Janny keinen Zweifel ließ, dass die Luft für kleine nationale Luftlinien denkbar dünn würde. „In Europa werden wahrscheinlich nur fünf große Fluggesellschaften überleben“, zitierte er den Vorsitzenden der SAS, Jan Carlzon, um fortzusetzen: „Warum ausgerechnet die AUA zu den Überlebenden zählen wird, dafür vermag das Management der Luftlinie keine wirklich schlüssigen Indizien zu liefern.“ Dieses Management war selbstverständlich ein politisch bestelltes: Anton Heschgl konnte auf 21 positive Bilanzen zurückschauen, und die AUA war unter den durchwegs staatlichen Luftlinien zweifellos eine der besseren. Aber eben in einer geschützten Branche: Die staatseigenen Carrier besaßen durchwegs De-facto-Monopole und konnten alles – von den Destinationen bis zu den Preisen – untereinander absprechen.

Dafür, was freier internationaler Wettbewerb bedeutet, fehlte Heschgl jedes Organ: „Unsere Maxime war immer, dass die Gesellschaft nicht größer sein soll, als die eigene Volkswirtschaft es rechtfertigt“, erteilte er supranationalem Wachstum eine charakteristische Absage. Immerhin begriff sein designierter Nachfolger Herbert Bammer 1992, dass man doch über eine Beteiligung, etwa der Lufthansa, „nachdenken muss“, und brachte im Interview nichts als Argumente für eine solche Beteiligung vor: Es sei „schwierig“, im Wege bloßer Allianzen zu einer betriebswirtschaftlichen „Optimierung“ zu gelangen, und auch das Wettbewerbsrecht beschränke die Möglichkeiten bloßer Allianzen, „weil Abreden unter unabhängigen Unternehmen von den Brüssler Kartellaufsehern sehr kritisch beäugt werden“, während es „keine Probleme gäbe, wären die beiden Gesellschaften fusioniert“.

In Wirklichkeit, so behaupte ich, war Bammer völlig klar, dass eine Fusion mit der Lufthansa die kaufmännisch einzig vernünftige Lösung darstellt. Aber er war ein politisch bestellter Vorstand, und so musste er zurückrudern: „Bevor man über ein Zusammenrücken spricht, ist es wichtig, den internen Abspeckungsprozess durchzuführen.“ Das war vor 15 Jahren – jetzt sind wir vom Zusammenrücken zum Gefressenwerden gelangt. Denn die Strategie der AUA wurde immer von Politikern vorgegeben, und die hatten immer keine Ahnung von Wirtschaft. Jene der SPÖ besonders wenig: Auch in der letzten Koalitionsvereinbarung zwischen Wilhelm Molterer und Alfred Gusenbauer wehrte der sich energisch dagegen, dass der ÖIAG ein Privatisierungsauftrag für die AUA erteilt wurde, und die ÖVP gab bereitwillig nach, denn Schwechat liegt im Pröll-Reich, und auch dort herrscht die Illusion, dass eine nationale Fluglinie einen nationalen Flughafen erhalten kann, während es in Wirklichkeit demnächst auch zur Privatisierung der nationalen Flughäfen kommen wird. Gusenbauers letzter Streich war dann das Beharren auf einer österreichischen Sperrminorität, das Faymann prompt übernommen hat.

Obwohl ich die Politik ungern öffentlich abwerte, frage ich mich manchmal, wie unfähig Politiker in Wirtschaftsdingen eigentlich sein dürfen. Die Antwort ist komplex: Die nicht zuletzt medial verdummte Bevölkerung war auch immer für eine „nationale“ AUA; und wenn Faymann jetzt eine österreichische Sperrminorität fordert, so tut er das im Einklang mit allen Meinungsumfragen. Ihrer mangelnden Aufklärung über die EU entsprechend, denken die Österreicher wirtschaftlich unverändert national und begreifen nicht, wie teuer sie das innerhalb einer liberalisierten Wirtschaft zu stehen kommt.

Deshalb wäre es so wichtig, dass eine liberale Partei ihr klarmachte: Es geht euch umso besser, je weniger der Staat in der Wirtschaft mitzureden hat.
Aber prompt hat LIF-Spitzenkandidatin Heide Schmidt die erste Gelegenheit bereits vergeben, indem sie meinte: „Weder Verstaatlichung noch Privatisierung sind per se Erfolgsrezepte“, statt aufzuklären: Verstaatlichung ist der sicherste Weg zu Misserfolg.