Der Bischof und die Realität

Der Vorarlberger Bischof Elmar Fischer steht vor dem Rücktritt

Kirche. Der Vorarlberger Bischof Elmar Fischer steht nach profil-­Enthüllungen vor dem Rücktritt

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Eine derartige Sitzung hat es in Vorarlberg noch nicht gegeben. Am 7. April traf sich der 30 Personen umfassende „Priesterrat“ der Diözese Feldkirch, um etwas anzusprechen, was man in Vorarlberger Tradition bis vor Kurzem nicht einmal zu denken wagte: Ob er nicht zurücktreten wolle, um der Kirche die Chance zu geben, aus der Krise etwas Positives zu machen, wurde Bischof Elmar Fischer gefragt. Denn würde es zu einer Gegenüberstellung Fischers mit seinen Prügelopfern kommen, käme der Bischof doch „unter großen Druck“. Den offiziellen Rücktrittsgrund könne man ja mit der angeschlagenen Autorität erklären. Fischer wirkte abwesend und sagte nicht viel. Fischer befinde sich „weit weg von der Realität“, sagen mehrere Vorarlberger Geistliche ganz offen.

Bischof Elmar Fischer dürfte kurz vor seinem Rücktritt stehen.
Das Land Vorarlberg wollte ihn nicht, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn war mit seiner Bestellung unglücklich und viele Vorarlberger Priester ebenfalls: Dennoch bestimmte ihn Rom 2005 zum Nachfolger des nach St. Pölten abgewanderten Bischofs Klaus Küng. Im Vorjahr fiel Fischer mit der Behauptung auf, Homosexualität sei heilbar. Dann ruderte er zurück und behauptete, er hätte im falschen Buch nachgelesen.

Im Zuge der aktuellen Missbrauchsdiskussion berichtete profil über drei Opfer, die zu Protokoll gaben, dass Fischer in den sechziger und siebziger Jahren „gewohnheitsmäßig“ und wegen Nichtigkeiten Buben geschlagen habe. Einen habe er in einem Zeltlager mit wuchtigen Ohrfeigen dreimal hintereinander zu Boden geschlagen. Ein anderer erzählte, Fischer habe ihn und die anderen Buben beim Fußballspielen regelmäßig geohrfeigt, sobald er der Meinung war, gefoult worden zu sein. Ein dritter berichtete, Fischer habe ihm in den siebziger Jahren mittels Fausthieb eine Rippe gebrochen, nur weil der seine Meinung über Ehefragen zum Ausdruck gebracht hatte. Fischer wies die Vorwürfe zurück, freilich ohne direkt zu behaupten, sie seien unwahr. Und: Er erklärte, Watschen könnten manchmal hilfreich sein für junge Menschen.

Alles zusammen mache Fischer endgültig reif für den Rücktritt, meinen prominente Kirchenvertreter sowie zahlreiche Vorarlberger Priester. Helmut Schüller, der frühere Leiter der Ombudsstelle für sexuellen Missbrauch: „Elmar Fischer ist eine Belastung für die Kirche, er soll zurücktreten.“ Die Kirche benötige Gewaltentrennung und eine „Kontroll- und Rechenschaftskultur“.

Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform „Wir sind Kirche“: „Fischer ist eine Schwachstelle im österreichischen Episkopat. Sein Rücktritt wäre ein Dienst an der Kirche.“ Wilfried Blum, Pfarrer von Rankweil, Vorarlberg: „Ich wusste schon anfangs, dass Fischer für das Amt untauglich und inkompetent ist und dass es ihn überfordert.“ Man habe in Vorarlberg schon viel Erfahrung mit „von Rom ernannten Bischöfen, die ihrem Amt nicht gewachsen sind“. Doch Fischer, und das habe die Sitzung am 7. April gezeigt, „realisiert nicht, was los ist“.

Erich Baldauf, Pfarrer von Dornbirn/Rohrbach:
„Die Wahrheit ist auf Dauer am ehesten erträglich. Wenn Bischof Fischer nicht zurücktritt, wird er bis ans Ende seiner Amtszeit ein Getriebener sein.“ Fischer sei in vielen Dingen unbeholfen und unzeitgemäß. Es sei „etwas dran, dass er die Realität schlecht erkennt“. Fischers Umgang mit der Wahrheit sei „eine menschliche Tragik, denn er ist kein kalkulierender Lügner“. Schlimm sei auch, dass man nicht wisse, was nach ihm komme.

Gewalt-Pädagogik.
Pfarrer Rudolf Siegl, Bregenz/Mariahilf: „Fischer soll gehen, damit die Kirche die Chance hat, die Krise in etwas Positives zu verwandeln.“ In der Öffentlichkeit müsse dringend und strikt zwischen sexuellem Missbrauch und gelegentlichen Ohrfeigen unterschieden werden: „Die Watschen sind katastrophal, aber zurücktreten soll er wegen seiner nicht hinnehmbaren Aussagen über Homosexualität und gesunde Watschen. Und ­Fischer überlegt sich derzeit tatsächlich den Rücktritt, denn bestimmte Leute reden mit ihm intensiv dar­über.“ Sämtliche Mitglieder des Feldkircher Priesterrats seien für grundlegende Veränderungen und mehr als die Hälfte direkt für seinen Rücktritt. Pfarrer Siegl: „Er scheint ein wenig weit weg von der Realität zu sein.“

Bischof Fischer selbst hat es abgelehnt, auf Fragen von profil zu antworten. Er ließ ausrichten, er warte auf den Bericht des „Ombudsmannes“ Hartmut Hinterhuber, Chef der Psychiatrie der Innsbrucker Universitätsklinik. Dann werde er „Stellung beziehen“.

Hinterhuber hat bisher mit zwei der drei Personen gesprochen, die via profil an die Öffentlichkeit gegangen sind. Keine dieser Personen wollte Geld oder Rache, aber auch nicht darauf verzichten, „die Wahrheit zu sagen“. Hinterhuber bezeichnet die Aussagen dieser Personen im profil-Gespräch als „reelle Vorwürfe“. Er habe bisher noch nicht genug Zeit gehabt, sich „mit der gewaltbereiten Pädagogik des Herrn ­Fischer auseinanderzusetzen“. Aber in etwa zwei Wochen werde sein Bericht vorliegen. Beinhalten dürfte er nicht viel mehr als die Wiedergabe der Gespräche Hinterhubers mit den betroffenen Personen, den Hinweis, dass es sich um glaubhafte Aussagen handle, und die Andeutung, dass Fischer sich entschuldigen solle. Große Teile des Klerus in Vorarlberg erwarten nun, dass er sich entschuldigt. Und geht.